56. Wissenschaftliche Tagung der Österreichischen ­Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht

MAGDALENAMISSBICHLER

Über 300 Teilnehmer*innen aus Wissenschaft und Praxis fanden sich dieses Jahr zur 56. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht ein. Die zweite unter den Zeichen der Covid-19-Pandemie stattfindende Tagung wurde, nach einer erneuten Verschiebung im Frühjahr, jedoch wie gewohnt im Ferry Porsche Congress Center in Zell am See, am 14. und 15.10.2021, abgehalten. Der Präsident der Gesellschaft, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, hob in seinen Eröffnungsworten insb den Stellenwert der Präsenz-Abhaltung der Zeller Tagung hervor. Ein Charakteristikum dieser Tagung, nämlich das auch abseits der Vorträge stattfindende „Netzwerken“ und Ausarbeiten neuer Ideen und Projekte, könne in keinerlei Online- oder Hybrid-Format übertragen werden. Im Anschluss daran begrüßte Bürgermeister Andreas Wimmreuter die Tagungsteilnehmer*innen, wobei er einmal mehr die Bedeutung der Abhaltung der Tagung in Zell am See betonte.

Durch den ersten, traditionell dem Arbeitsrecht gewidmeten Tag der Veranstaltung führte RAin Hon.-Prof.in Dr.inSieglinde Gahleitner (Mitglied des VfGH). Der wissenschaftliche Einstieg zur diesjährigen Tagung war sogleich von einem Novum geprägt: Univ.-Prof. Jeremias Adams-Prassl (Magdalen College, University of Oxford) absolvierte seinen Vortrag zum Einsatz von Algorithmen im Personalmanagement via Live-Zuschaltung aus Großbritannien. Die Problematik des Einsatzes von Algorithmen durch AG stellte Adams-Prassl nach einem kurzen Einblick in bereits im Einsatz befindliche neue Technologien der Überwachung und Kontrolle eindrücklich dar. Jedoch bestünden schon nach geltender (europäischer) Rechtslage Möglichkeiten, in die Nutzung von Algorithmen einzugreifen. Insb sei im Rahmen des Datenschutzrechtes ua das Vorliegen der von der DSGVO für den Rechtmäßigkeitstatbestand der Einwilligung geforderte Frei­willigkeit aufgrund des wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen AG und AN bei der arbeitge­berseitigen Nutzung von Algorithmen idR nicht anzunehmen. Daneben biete aber auch das Antidiskriminierungsrecht Ansätze zur Regulierung – schließlich würde bereits existierende Diskriminierung durch die Mustererkennung im Rahmen des „machine-learning“ nicht nur auf andere AG übertragen, sondern uU weiter intensiviert. Abschließend beleuchtete der Vortragende den diesjährig vorgestellten Vorschlag der EU-Kommission einer VO zur Harmonisierung der Vorschriften für Künstliche Intelligenz (KI). Diese KI-VO stelle dabei zwar den Einsatz von KI-Systemen im Rahmen der Beschäftigung als „Hochrisiko-System“ unter strenge Auflagen, bediene sich zur Regulierung dennoch alter (und problematischer) Systeme. Das utilisierte „new legislative framework“ gehe schließlich mit der Schaffung privater Standards einher, deren Einhaltung bloß durch die Hersteller selbst (und ohne Einsichtsrechte für AN oder Sozialpartner) überprüft werde. Überdies könnte die auf Art 114 AEUV gestützte und damit auf das Funktionieren des Binnenmarktes abzielende KI-VO so auch einer mitgliedstaatlichen Einschränkung der Verwendung von Algorithmen im Arbeitsrecht entgegenstehen.

In der darauffolgenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht auf Basis der europäischen Säule sozialer Rechte eine Entschärfung der Problematik in Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen erreicht werden könnte – immerhin sehe diese vor, dass AN das Recht haben, über die Gründe einer Kündigung informiert zu werden. So könnte etwa Art 4 der Transparenz-RL (RL 2019/1152) in diesem Lichte dahingehend interpretiert werden, dass AN nicht nur über das Beendigungsverfahren, sondern auch über die Gründe vorab informiert werden müssten. Adams-Prassl gab in dieser Hinsicht jedoch zu bedenken, dass die europäische Säule sozialer Rechte derzeit lediglich eine rechtlich unverbindliche Deklaration der Unionsorgane darstelle, die bewusst bloß als politische Erklärung konzeptioniert sei. Ebenfalls thematisiert wurde die Regelung des § 96 ArbVG hinsichtlich der Mitwirkungsbefugnis des BR bei der Ein509führung von Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren. So könnten die Vorteile dieses Systems – das Aushandeln guter Lösungen durch informierte sowie eventuell von außen unterstützte Betriebsräte – durchaus auch auf KI-Systeme übertragen werden. Für betriebsratslose Betriebe könne Entsprechendes auf sozialpartnerschaftlicher Ebene ausgehandelt werden.

Den zweiten Vortrag des Tages bestritt Prof.in Dr.in Dr.in h.c. Monika Schlachter (Universität Trier) mit dem Thema „Vordienstzeitenanrechnung zwischen Betriebstreue und AN-Freizügigkeit“. Die Referentin legte gleich zu Beginn die Problematik dar, dass der EuGH die in Art 45 AEUV normierte AN-Freizügigkeit als ein umfassendes Verbot der Diskriminierung und weiterhin als Beschränkungsverbot ausgelegt habe. Die Beschränkung einer Freizügigkeit nehme der EuGH grundsätzlich bereits dann an, wenn die Ausübung derselben durch die in Frage stehende Regelung weniger attraktiv gemacht werde. Diese Ansicht gehe aber insofern zu weit, als so jeglicher Unterschied in den Arbeitsbedingungen der Mitgliedstaaten als derartige Beschränkung eingestuft werden könnte. Auch dem EuGH zufolge sollen im Anwendungsbereich des Art 45 AEUV deshalb mittelbar wirkende, aber nicht sicher eintretende Nachteile für Wander-AN nicht als Beschränkung der Freizügigkeit gelten. Dennoch tatbestandliche Beschränkungen könnten Schlachter zufolge jedoch einer Rechtfertigung zugänglich sein: Die Honorierung der Betriebstreue sei im Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten bei einem/einer AG nicht als legitimes Ziel anzusehen, da die AN-Freizügigkeit gerade den freien AG-Wechsel garantiere und folglich genau gegenteilige Zwecke verfolge. Legitim sei dagegen die Honorierung der Berufserfahrung, da diese idR zur besseren Arbeitsleistung der Beschäftigten beitrage – in diesem Fall müssten aber Zeiten bei anderen AG ebenso angerechnet werden. Abschließend thematisierte Schlachter die hinsichtlich der Kollektivvertragsfreiheit (Art 28 GRC) problematische Auffassung des EuGH, bei kollektivvertraglichen Normen sei derselbe Maßstab anzulegen wie für gesetzliche Regelungen. Zwar sei nachvollziehbar, dass auch kollektivvertragliche Regelungen nicht diskriminieren dürften, dennoch würden Beschränkungen der Freizügigkeit, die sich im Grunde in jeder unterschiedlich geregelten Arbeitsbedingung finden könnten, ein notwendiges Element dieses Grundrechts darstellen.

Im Rahmen der darauffolgenden Diskussion wurde sodann die österreichische Ebene dieser Pro­blematik hinterfragt. Österreichische (Branchen-)Kollektivverträge würden regelmäßig nur eine Anrechnung jener Vordienstzeiten vorsehen, die auch in derselben Branche absolviert wurden – einschlägige Tätigkeiten in anderen Branchen blieben dabei unberücksichtigt, was sich wohl mit der dargelegten Judikatur des EuGH nicht in Einklang bringen lasse. Eine mögliche Lösung dieser Problematik könne aber womöglich in Art 28 GRC gefunden werden, sofern die Belohnung einer „Tariftreue“ darin Deckung fände. Schlachter betonte in diesem Zusammenhang einmal mehr, dass der EuGH vom Ansatz, Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot seien gleichwertig, abgehen müsse. Das Beschränkungsverbot reiche zwar naturgemäß sehr weit, biete deshalb aber wiederum auf der Rechtfertigungsebene Raum für weitergehende Beschränkungen seiner selbst, wo letztlich auch das Grundrecht auf Kollektivvertragsfreiheit Berücksichtigung finden müsste.

Im dritten Vortrag des Tages widmete sich Univ.-Prof. Dr. Christian Holzner (Johannes Kepler Universität Linz) dem „Entgeltrisiko insbesondere bei Elementarereignissen“. Nach einer kurzen Einführung in die Problemstellung und die Entwicklung der Rechtslage zur Gefahrtragung im Arbeitsverhältnis widmete sich der Vortragende vor allem der Parallelenziehung zum Bestandvertrag und der Regelung des § 1104 ABGB zu den Rechtsfolgen bei gänzlichem Unbrauchbarwerden des ­Bestandobjekts wegen außerordentlicher Zufälle. Den AN, die ihre Arbeitskraft den AG überlassen, werde nämlich so wie beim Elementarereignis den Vermieter*innen das Entgeltrisiko nicht schon deshalb genommen, weil sie eine/n AG gefunden haben. Dabei sei aber dennoch zu beachten, dass sich die Vertragstypen des Bestand- und des Arbeitsvertrags ua insofern unterscheiden, als das Mietobjekt ortsgebunden auch allgemeinen Kalamitäten viel stärker ausgesetzt sei, als die wesentlich flexibler einsetzbare Arbeitskraft. Könnten die AN ihre Arbeitsleistung trotz Vorliegen eines Elementarereignisses anbieten, liege schließlich die Verantwortung für deren Einsatz wieder auf Seiten der AG. Darüber hinaus thematisierte Holzner diverse Detailfragestellungen zur Entgeltfortzahlung im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Seinen Ausführungen zufolge seien betriebliche Betretungsverbote (auch in Betrieben, in welchen die Krankheit noch nicht aufgetreten ist) prinzipiell den AG zuzurechnen, wobei in diesen Fällen aber die Unmöglichkeit des Anbietens der Arbeitskraft beim/bei der konkreten AG als allgemeine Kalamität einzuordnen sein könne. Darüber hinaus lieferte Holzner dogmatische Ansatzpunkte für die Annahme, dass die staatlich eingeräumte Möglichkeit der Beantragung von Kurzarbeit eine Berufung auf das Vorliegen einer allgemeinen Kalamität ausschließe. Derartige Berufungen seien nach seiner Ansicht entweder als sittenwidrig zu beurteilen oder als weitere auszuschöpfende Organisationsmöglichkeit der AG für den Einsatz ihrer Arbeitskräfte zu bewerten, die im Fall der Nichtinanspruchnahme zu einer Entgeltfortzahlung gem § 1155 Abs 1 ABGB verpflichte, weil damit ein vermeidbarer Umstand auf Seiten des/der AG vorliege.510

In der nachfolgenden und durchaus lebhaften Diskussion wurde ua das Bestehen einer neutralen Sphäre, in welcher der Entgeltfortzahlungsanspruch entfällt, überhaupt in Frage gestellt. Schließlich sei diese weder dem Gesetz noch den zugehörigen Materialien zu entnehmen und der/die AG entsprechend immer dann zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet, wenn die AN ihre Arbeitsleistung anbieten, der/die AG sie jedoch nicht beschäftigen kann. Holznerwendete dagegen ein, dass jedenfalls bis zur dritten Teilnovelle des ABGB ausdrücklich normiert gewesen sei, dass jede Seite ihr eigenes Verschulden zu verantworten habe, jedoch nicht den bloßen Zufall. Nach der Novellierung sei die Zufallsebene zwar kleiner geworden, jedoch nicht ganz verschwunden. Kritisch hinterfragt wurde ebenfalls, ob Krankheitsfälle im Rahmen von Elementarereignissen tatsächlich nicht zu einer Entgeltfortzahlung führen – schließlich bestehe zwischen Gesunden und Erkrankten auch in dieser Situation ein wesentlicher Unterschied: Gesunde hätten nämlich die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft anderweitig zu verwerten, was in der Anordnung der Anrechnung verabsäumten Erwerbs gem § 1155 Abs 1 ABGB auf das fortzuzahlende Entgelt ebenfalls deutlich gemacht werde.

Das traditionell am ersten Veranstaltungstag stattfindende Seminar wurde in diesem Jahr von RAin Mag.a Dr.inKatharina Körber-Risak zum Themenkreis des Betriebsübergangs abgehalten. Behandelt und diskutiert wurden dabei Entscheidungen des EuGH, des OGH und vereinzelt auch des BAG aus den letzten zehn Jahren, die sich insb mit der ganz grundsätzlichen Frage des Vorliegens eines Betriebsübergangs unter verschiedensten Gesichtspunkten beschäftigten. Abgehandelt wurde etwa die E des OGH 19.12.2016, 9 ObA 136/16i, in der der Gerichtshof einen Betriebsübergang im Fall einer Neuvergabe des technischen Gebäudemanagements verneinte, wobei der Auftraggeber den jeweils Beauftragten Software, Videoanlage, Funkgeräte uä zur Verfügung stellte, aber keine Mitarbeiter*innen vom Vorgänger übernommen worden waren. Unter den Diskutanten wurde diesbezüglich die Ähnlichkeit des Sachverhalts zur Rs C-340/01, Carlito Abler, angesprochen, in dem eine Krankenhausküche an einen neuen Caterer vergeben und ein Betriebsübergang durch den EuGH letztlich bejaht worden war. Diese Diskrepanz zeige, wie schwierig es sei, einen roten Faden in der Judikatur zu finden, wenn – scheinbar erratisch – entweder auf die menschliche Arbeitskraft oder auf die Betriebsmittel abgestellt werde. Für Diskussionsstoff sorgte ebenfalls die Rs C-242/09, Albron Catering BV/FNV Bondgenoten und die Folgeentscheidung des OGH vom 21.3.2018, 9 ObA 19/18m. Hinsichtlich der in beiden Entscheidungen behandelten Problematik des Betriebsübergangs iZm ständig überlassenen Arbeitskräften wurde einerseits dafür plädiert, die funktionale Zuordnung des Vertrags stärker zu berücksichtigen und nicht auf die Ständigkeit der Überlassung allein abzustellen. Dennoch sei aber nach anderer Meinung die Ständigkeit wiederum ein Ausdruck der den Betriebsübergangsregelungen immanenten Kontinuität, die sich wohl besonders in einer dauerhaften Verbindung der AN mit dem Betrieb widerspiegle.

Den dem Sozialrecht gewidmeten zweiten Tag der Veranstaltung, durch den RA o.Univ.-Prof. Dr. Franz Marhold führte, eröffnete Hofrätin Mag.a Dr.inIrene Faber (OGH) mit einem Vortrag mit dem Titel „Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbonus“. Besonderes Augenmerk legte die Vortragende ua auf die Probleme rund um das Anspruchserfordernis des gemeinsamen Haushalts. Der Gesetzgeber habe dieses im Laufe der Zeit immer detaillierter ausgestaltet, Kernprobleme damit jedoch nicht gelöst. So liege der gemeinsame Haushalt nach den Regelungen des FamZeitbG zwar dann noch vor, wenn sich das Kind im Krankenhaus befindet und dort von beiden Elternteilen jeweils vier Stunden täglich gepflegt wird, jedoch verlange die Regelung nach den Materialien einen „medizinisch indizierten“ Krankenhausaufenthalt und erkenne in diesem Zusammenhang einen solchen in den ersten Tagen nach der Geburt nur bei Vorliegen besonderer Umstände, wie einer Frühgeburt oder Erkrankung des Kindes, an. Das sei vor dem Hintergrund, dass auch dem Spitalsaufenthalt gesund geborener Kinder durchaus medizinische Erwägungen zugrunde lägen, nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der für den Leistungsbezug geforderten Erwerbstätigkeit thematisierte Faber ua die Frage nach der Zulässigkeit einer (bis zu 14-tägigen) „Unterbrechung“ dieser Erwerbstätigkeit am Beginn oder Ende des 182-tägigen Beobachtungszeitraumes. Abschließend zeigte die Vortragende Diskrepanzen zwischen der VO 883/2004/EG und der nationalen Definition des Erwerbstätigkeitsbegriffes auf. So nehme die VO in ihrer Definition des Beschäftigungsbegriffes in Art 1 grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen der nationalen Rechtsordnungen Bezug, beziehe jedoch gem Art 11 hinsichtlich gleichgestellter Zeiten Tätigkeiten mit ein, die von § 24 KBGG nicht erfasst wären, was der österreichische Gesetzgeber in § 24 Abs 3 leg cit zu umgehen versucht. Eine Modifikation des durch die VO vorgegebenen Begriffs auf nationaler Ebene sei jedoch nicht möglich.

In der folgenden Diskussion wurden ua die Anforderungen des OGH an das Erwerbstätigkeitserfordernis hinterfragt. So sei etwa die Differenzierung zwischen Bildungsteilzeit und Bildungskarenz nicht einsichtig, da auch das Weiterbildungsgeld keine Leistung bei Arbeitslosigkeit sei – schließlich bliebe das Arbeitsverhältnis während der Karenzierung weiter aufrecht; zudem erscheine die Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitweiterbildung nicht sachgerecht. Ebenfalls wurde die Frage aufgeworfen, ob die Problematik 511rund um die Gleichstellung in der Koordinierungs-VO nicht zu einer Inländerdiskriminierung führe. Faber verneinte dies mit dem Hinweis, dass nach der VO lediglich die staatliche Zuständigkeit für die Familienleistung geprüft werde, jedoch nicht, ob konkret ein Anspruch auf (einkommensabhängiges) Kinderbetreuungsgeld vorliege. Als rechtspolitisch problematisch angesehen wurden die Anleihen aus der Regelung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes bei der Normierung des Familienzeitbonus, da die Zielsetzungen beider Regelungskomplexe zu unterschiedlich wären. Überhaupt sei der Familienzeitbonus mit einer Fülle von Fallstricken verbunden, was bei einer an die Allgemeinheit gerichteten Norm schlicht inakzeptabel sei. So bestünde umfassende Rsp zu anderen Rechtsgebieten, nach der etwa ein vorübergehender Spitalsaufenthalt den gemeinsamen Haushalt nicht unterbricht.

Assoz. Prof. PD Mag. Dr. Florian G. Burger (Universität Innsbruck) referierte im abschließenden Vortrag der Tagung über Rechtsfragen der Kurzarbeit. Nach einem kurzen Überblick über die historische Entwicklung der Kurzarbeit und einigen allgemeinen Ausführungen ging der Vortragende zunächst auf arbeitszeitrechtliche Fragestellungen ein. So liege seiner Ansicht nach im Rahmen der Kurzarbeit idR nur Teilzeitarbeit vor, wenn diese auf einzelvertraglicher Ebene vereinbart wurde; liege ihr aber eine BV zugrunde, müsse von Vollzeitarbeit (auf niedrigem Niveau) ausgegangen werden, da letztere die Normalarbeitszeit ähnlich einem KollV reduziere. Der Entgeltanspruch des/der AN sinke bei vereinbartem Stundenlohn automatisch mit der Arbeitszeit; wurde hingegen ein Monatsentgelt vereinbart, müsse dieses infolge der Reduktion der Normalarbeitszeit im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung auch zur Kürzung des vereinbarten Monatsentgelts führen. Gleiches gelte letztlich für Überstundenpauschalen, weil diese auch während der Kurzarbeit entstehen könnten und die Pflicht zur Überstundenleistung während der Kurzarbeit nicht ruhe. Eingehend beschäftigte sich Burger daneben mit der für die Kurzarbeitsbeihilfe erforderlichen Sozialpartnervereinbarung. In dieser Hinsicht thematisierte er ua die seit 1.7.2021 bestehende Verpflichtung, in dieser Vereinbarung Bestimmungen über den Abbau von Urlaubs- und Zeitguthaben vorzusehen. Fraglich erscheine diesbezüglich insb, ob Entsprechendes mittels Kurzarbeits-BV vereinbart werden könne, da für Betriebsvereinbarungen zum Urlaubsverbrauch ohne Zustimmung des/der AN kein Kompetenztatbestand bestehe. Daran ändere auch § 170 Abs 3 ArbVG, wonach Betriebsvereinbarungen gem § 97 Abs 1 Z 13 iZm der Corona-Kurzarbeit Regelungen zum Verbrauch von Urlaub und Zeitguthaben treffen könnten, nichts, da dieser Regelung kein normativer Mehrwert zu § 97 Abs 1 Z 10 ArbVG zukomme. Letztlich könne zwar in manchen Fällen davon ausgegangen werden, dass der/die AN konkludent der BV als Vertragsschablone zustimmt; bestünden daran Zweifel, hätte der/die AG aber keine Kurzarbeit in Erfüllung der Sozialpartnervereinbarung eingeführt.

In der darauffolgenden Diskussion wurde zunächst die These Burgers hinterfragt, wonach für die Auslegung der vorübergehenden Verkürzung (oder Verlängerung) der Arbeitszeit gem § 97 Abs 1 Z 13 ArbVG der 13-wöchige Zeitraum des § 101 ArbVG herangezogen werden könne. Dies sei insb deshalb problematisch, als die Kurzarbeits-Förderbestimmungen von Zeiträumen in der Größenordnung von drei, sechs oder gar zwölf Monaten ausgingen und so die Regelungsbefugnis der BV übersteigen würden. Begründend führte Burger daraufhin aus, dass aus dem angeführten 13-wöchigen Zeitraum nicht geschlossen werden dürfe, dass darüber hinausgehende Zeiträume nicht von einer BV nach Z 13 abgedeckt werden könnten; in diesen Fällen sei jedoch stärker zu begründen, warum die Arbeitszeit weiterhin reduziert werde, wobei eine solche Begründung parallel zu den Vorgaben der Kurzarbeitsbeihilfe wohl jedenfalls im Vorliegen schwerwiegender wirtschaftlicher Schwierigkeiten erblickt werden könne. Abseits dieser Thematik wurde ebenfalls die Theorie geäußert, dass § 97 Abs 1 Z 13 nicht die normative Reduktion der Normalarbeitszeit, sondern die Verringerung der faktischen Arbeitszeit durch Minderstunden regle. Da der/die AG so weniger Arbeitsleistung entgegennehme, sei grundsätzlich der Anwendungsbereich des (dispositiven) § 1155 ABGB eröffnet; die Kurzarbeitskonstruktion schaffe hier aber eine gesonderte Regelung für diese Ausfallstunden, wodurch der/die AN nicht das volle Entgelt gem § 1155 ABGB fortgezahlt bekomme, sondern die Kurzarbeitsunterstützung.

Am späteren Nachmittag des 13.10. hatten traditionellerweise wiederum aufstrebende Nachwuchswissenschaftlerinnen die Möglichkeit, ihre Forschungsarbeiten im Rahmen des Nachwuchsforums einem breiten Fachpublikum zu präsentieren. Die diesjährigen hervorragenden Vorträge bestritten Univ.-Ass.in Mag.aHannah Dölzlmüller (Universität Salzburg) zum Thema der „Abgeschlossenheit der betrieblichen Mitwirkungsordnung (auch) für den Kollektivvertrag“ und Univ.-Ass.in Mag.aSophie Schwertner (Universität Wien) zur Problematik der „Kollektive[n] Rechtsgestaltung für arbeitnehmerähnliche Personen“.

Präsident Mosler dankte in seinen Schlussworten allen Vortragenden, Diskutant*innen, Teilnehmer*innen und den – auch in diesem Jahr wieder besonders geforderten – an der Tagungsorganisation Beteiligten. Die nächste Tagung wird – sofern es die Umstände erlauben – von 6. bis 8.4.2022 stattfinden. 512