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Auslegung einer Wiedereinstellungszusage

CHRISTOSKARIOTIS

Im Zuge des ersten COVID-19-Lockdowns wurde das Arbeitsverhältnis zwischen Kl und Bekl durch einvernehmliche Auflösung mit Wiedereinstellungszusage „sobald sich die Lage beruhigt hat“ beendet. Der Kl vertrat den Standpunkt, er habe im März 2020 seine Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung nur deshalb gegeben, weil ihm vom AG die Zusicherung erteilt worden sei, er könne das Dienstverhältnis zu den vorherigen Bedingungen von sich aus und zu einem ihm beliebigen Zeitpunkt neu begründen.

Die Vorinstanzen lehnten die Ansicht des Kl ab.

In der vorliegenden E befasste sich der OGH mit der Frage, wie die vom AG bei der einvernehmlichen Auflösung abgegebene (einseitige) Erklärung – nämlich mit dem Kl einen neuen Dienstvertrag „sobald sich die Lage beruhigt hat“ eingehen zu wollen – auszulegen ist.

Der OGH hielt in seinen Ausführungen fest, dass der Zweck von Aussetzungsvereinbarungen auf verschiedene Weise erreicht werden kann. Entweder kann eine bloße Karenzierung des Dienstverhältnisses vereinbart werden oder eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrags, verbunden mit der Abrede, zu einem in der Zukunft liegenden bestimmten oder bestimmbaren Zeitpunkt einen neuen Dienstvertrag einzugehen. Diese Abrede führt zu einer Option des AN, das Dienstverhältnis (grundsätzlich) zu den vorherigen Bedingungen neu zu begründen.

Nach stRsp ist die Auslegung einer Willenserklärung am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war.

Wie dabei eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ist jeweils nur nach dessen besonderen Umständen zu beurteilen und stellt – von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen – im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar. Dies ist hier nicht anders zu beurteilen.

Der Argumentation des Kl, er habe seine Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung nur deshalb gegeben, weil ihm vom AG die Zusicherung erteilt worden sei, er könne das Dienstverhältnis zu den vorherigen Bedingungen von sich aus und zu einem ihm beliebigen Zeitpunkt neu begründen, hielt das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen entgegen. Nach diesen ging der Vereinsvorstand des bekl Vereins am 17.3.2020 – somit kurz vor Beginn des ersten COVID-19-Lockdowns – von der Annahme aus, für gemeinnützige Vereine sei keine Kurzarbeit möglich, weshalb dem Kl (wie auch allen anderen AN) die Kündigung in Aussicht gestellt oder alternativ die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Wiedereinstellungszusage angeboten wurde „sobald sich die Lage beruhigt hat“.

Im Hinblick auf diese Umstände verstand das Berufungsgericht die Erklärung des AG dahin, dass der Kl jedenfalls („fix“) wiedereingestellt werden sollte, die Bestimmung des Termins der Wiedereinstellung aber dem AG nach Maßgabe der pandemiebedingten Entwicklungen („nach Beruhigung der Lage“) vorbehalten bleiben sollte. Bei objektiver Beurteilung der Sachlage stellt sowohl diese Ansicht als auch die weitere Auffassung, das vom Kl ins Treffen geführte Verständnis der Wiedereinstellungszusage sei nicht Grundlage der einvernehmlichen Auflösung geworden, kein unvertretbares Auslegungsergebnis dar. Abzustellen ist nicht allein auf die Wortwahl („fixe Wiedereinstellungszusage“), sondern auf die von den Parteien bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen.

Zudem hat der AG – entsprechend seiner Absicht, alle AN sukzessive wiedereinzustellen – dem Kl im August 2020 die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses angeboten, welches Anbot der Kl unter Hinweis auf den noch laufenden Arbeitslosengeldbezug abgelehnt hat.

Wenn das Berufungsgericht die Rechtsansicht vertrat, auf Grundlage des erzielten Auslegungsergebnisses sei der vom Kl behauptete gemeinsame Irrtum über den Inhalt der Wiedereinstellungszusage nicht gegeben, liegt auch darin keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung. Nach der Rsp kann ein gemeinsamer wesentlicher Geschäftsirrtum der Vertragsparteien die Anfechtung oder Anpassung des Vertrags rechtfertigen und die Unver6bindlichkeit des Vertrags unabhängig von den Voraussetzungen des § 871 ABGB bewirken. Ein gemeinsamer Irrtum setzt aber voraus, dass beide Parteien demselben Irrtum unterliegen. Wenn die Vorinstanzen dafür nach der Lage des Falls keine Grundlage sahen, ist dies nicht zu beanstanden.

Die Abgrenzung, ob ein Umstand zum Gegenstand eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts (der einvernehmlichen Auflösung) gehört und ob darüber ein Irrtum besteht oder ein bloßer (unbeachtlicher) Motivirrtum gegeben ist, kann nur nach den jeweils gegebenen konkreten Umständen vorgenommen werden und hängt im Wesentlichen von der Auslegung des zwischen den Parteien getroffenen Vertrags, den Feststellungen über das Zustandekommen des Vertrags und dem Vertragsverständnis der Parteien ab.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO hat der OGH die außerordentliche Revision des Kl daher zurückgewiesen.