16Entlassung wegen Verstoßes gegen angeordnete Absonderung als Corona-Verdachtsfall gerechtfertigt
Entlassung wegen Verstoßes gegen angeordnete Absonderung als Corona-Verdachtsfall gerechtfertigt
Die bei der Bekl beschäftigte Kl wurde am 15.3. 2020 auf Corona getestet. Aufgrund der Testung wurde gem § 7 EpiG über die Kl als Corona-Verdachtsfall die Absonderung bis zum Vorliegen des Testergebnisses angeordnet. Dennoch erschien die Kl am 16.3.2020 eigenmächtig und ohne den DG darüber zu informieren zum Dienst. Für die Vorgesetzte der Kl waren „über ein normales Hüsteln hinausgehende Symptome erkennbar“, weshalb sie den Eindruck hatte, die Kl sei „verkühlt“. Auf Nachfrage der Vorgesetzten erklärte die Kl, sie habe kein Fieber und fühle sich „soweit gut“, verschwieg aber, dass sie am Vortag auf Corona getestet worden war. Am Tag darauf erhielt die AN ein positives Testergebnis. Das Verhalten der Kl hat in weiterer Folge zur 14-tägigen Quarantäne der gesamten Abteilung mit insgesamt 23 Mitarbeitern geführt, und die Bekl sprach am 18.3. 2021 die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit aus.
Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, dass die Kl durch ihr Fehlverhalten den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt hat.
Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts an den OGH gerichtete außerordentliche Revision der Kl wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Der OGH hielt in seinen rechtlichen Ausführungen fest, dass nach stRsp die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- und Entlassungsgrund vorliegt, keine erhebliche Rechtfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen. Dies gilt auch für die nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu beurteilende Frage, ob ein Bediensteter eine besonders schwere Verletzung der Dienstpflicht zu verantworten und dadurch das Vertrauen für den Dienst eingebüßt hat.
Nach Ansicht des OGH hängt die Frage, ob Vertrauensunwürdigkeit vorliegt, davon ab, ob für den DG vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den AN gefährdet sind. Hierbei ist maßgebend, ob durch das Verhalten des AN das Vertrauen des DG so schwer erschüttert ist, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. In diesem Zusammenhang entscheidet jedoch nicht das subjektive Empfinden des DG, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles anzuwenden ist. Für den Entlassungsgrund genügt fahrlässiges Handeln; Schädigungsabsicht oder Schadenseintritt sind nicht erforderlich.
Der OGH hielt auch fest, dass der AN nicht ihre Erkrankung zum Vorwurf gemacht wurde, sondern dass sie die Anordnung, die Wohnung zur Verhinderung einer möglichen Verbreitung von SARS-CoV-2 nicht zu verlassen, ignoriert hat, obwohl sie vor Vorliegen des Testergebnisses eine Infektion nicht ausschließen konnte und durch ihr Verhalten eine Gesundheitsgefährdung ihrer Kolleginnen und der Interessen ihres DG an einem reibungslosen Dienstbetrieb riskierte.
Auch die von der Kl geltend gemachte Verletzung des „Unverzüglichkeitsgrundsatzes“, weil die Entlassung erst am 18.3.2021 zu Mittag ausgesprochen wurde, wiewohl der Bekl der zur Entlassung geführte Sachverhalt bereits am frühen Morgen des 17.03.2021 bekannt war, geht ins Leere. Hierzu vertrat der OGH die Rechtsansicht, dass der Grundsatz der Unverzüglichkeit auf dem Gedanken beruht, dass ein AG, der eine Verfehlung seines AN nicht sofort mit Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet. Der OGH folgte hierbei der Beurteilung des Berufsgerichts, wonach die Bekl kein Verhalten gesetzt hat, das der Kl eine Verwirkung oder gar eine Verzeihung ihres Fehlverhaltens nahelegen hätte können.
Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gab der OGH der außerordentlichen Revision der Kl daher nicht Folge. 32