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Kündigung aufgrund Verweigerung von nicht mit religiösen Pflichten in Einklang stehenden Tätigkeiten diskriminierend?

RICHARDHALWAX

Der Kl war seit 27.10.2015 bei der Bekl an der Dienststelle Allgemeines Krankenhaus als Hausarbeiter beschäftigt. In den ersten Jahren war er ausschließlich als „Proben- und Befundläufer“ damit betraut, Proben, Befunde und Blutpräparate innerhalb des Hauses an die zuständigen Stellen zu transportieren. Ab 26.1.2017 wurde der Kl intern dem Bereich Ver- und Entsorgung zugeteilt. Insb sind von den MitarbeiterInnen in diesem Bereich morgens, mittags und abends auch verschlossene und plombierte Essenscontainer zu den verschiedenen Stationen zu transportieren.

Der Kl gehört seit 20 Jahren der hinduistischen Religion an und hat in seiner Glaubensgemeinschaft den Rang eines Brahmanen und Priesters. Er befolgt als solcher die strengsten Reinheitsvorschriften und lebt nicht nur vegetarisch, sondern es ist ihm aus religiösen Gründen jeder körperliche Kontakt mit Fleisch, Fisch oder Eiern untersagt. Dieses Verbot erstreckt sich auch auf das Hantieren mit verschlossenen und plombierten Essensbehältern, die diese Zutaten enthalten.

Der Kl war nach seiner Zuteilung zur Ver- und Entsorgung deshalb nicht bereit, die neue Stellenbeschreibung zu unterfertigen. Er verrichtete alle aufgetragenen Tätigkeiten mit Ausnahme des Hantierens mit Lebensmittelcontainern. Diese Arbeit verweigerte er wegen Unvereinbarkeit mit seinen religiösen Vorschriften und wies auf deren Bedeutung für ihn sowie die Bereitschaft, andere Tätigkeiten zu verrichten, hin. Vom 6.2. bis 24.3.2017 war der Kl durchgehend zunächst im Urlaub und anschließend im Krankenstand. Während dieser Zeit bewarb er sich bei der Bekl vergeblich um eine Versetzung in eine andere Dienststelle. Da er von seiner Verweigerungshaltung nicht abrückte, wurde er zum 31.5.2017 gekündigt.

Der Kl begehrte, die Kündigung gem § 4a iVm § 54d Abs 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (VBO 1995) 33wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung für rechtsunwirksam zu erklären. Dieser Bestimmung zufolge darf im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Lehrverhältnis zur Stadt Wien niemand von einem Vertragsbediensteten unmittelbar oder mittelbar aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung diskriminiert werden, dies ua nicht bei der Beendigung des Dienst- oder Lehrverhältnisses.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Revision des Kl strebt die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und berechtigt. Der OGH begründet seine Entscheidung folgendermaßen:

Es gehört allgemein zu den Pflichten eines/einer AN, den gerechtfertigten Anordnungen des AG nachzukommen, doch ist der AG im Rahmen seiner Fürsorgepflicht seinerseits verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die ideellen und materiellen Interessen des/der AN gewahrt bleiben.

Die religiöse Überzeugung eines/einer AN gehört, ähnlich wie die Gesundheit, zu seinem grundrechtlich und gesetzlich besonders geschützten höchstpersönlichen Lebensbereich. Die Nichtdiskriminierung aufgrund der Religion ist ein grundlegendes Prinzip des Unionsrechts (vgl Art 21 GRC, Art 10 AEUV). Eine Ungleichbehandlung wegen der Religion kann nur unter besonderen Umständen als zulässig angesehen werden. Dies ist dann der Fall, wenn ein bestimmtes Merkmal eine spezifische berufliche Anforderung für eine bestimmte Tätigkeit darstellt, wobei diese Anforderungen eng zu verstehen sind, sodass nur solche beruflichen Anforderungen abgedeckt sind, die für die Ausführung der betreffenden Tätigkeit wesentlich und entscheidend sind (EuGH Rs C-222/84, Johnston, Rn 36, 37, 40; EuGH 26.10.1999, C-273/97, Sirdar, Rn 23; EuGH 11.1.2000, C-285/98, Kreil, Rn 20). Geht es um die Religionsfreiheit, ist das Interesse des/der AN umso mehr zu beachten, umso eher die Maßnahme des AG die Kernthemen der jeweiligen religiösen Verpflichtung trifft.

Nach der Rsp des EuGH zur Auslegung des Art 2 Abs 2 Buchstabe a der RL 2000/78/EG, an welcher Bestimmung sich die Auslegung des § 4a VBO 1995 zu orientieren hat, ist auch bei einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Religion zu prüfen, ob es dem AG unter Berücksichtigung der unternehmensinternen Zwänge und ohne eine zusätzliche Belastung tragen zu müssen, möglich gewesen wäre, dem AN, der aus religiösen Gründen eine gerechtfertigte Anweisung nicht befolgt, einen geeigneten anderen Arbeitsplatz anzubieten, statt ihn zu kündigen (EuGH 14.3.2017, C-157/15, Samira Achbita gegen G4S Secure Solutions, Rz 43; vgl auch EuGH Rs C-130/75, Prais). Es liegt in der Fürsorgepflicht des DG, die Verwendung, wenn dies ohne Belastung möglich ist, so zu gestalten, dass den Interessen beider Teile ausreichend Rechnung getragen wird, auch wenn die aus religiösen Gründen nicht befolgte Anordnung an sich sachlich gerechtfertigt, verhältnismäßig und angemessen war (EuGH Rs Achbita, Rn 43).

Die Grenzen der Gestaltungspflicht sind fließend. Sie geht nicht so weit, dass einer großen AG-Organisation zwangsläufig die Pflicht auferlegt würde, jeder Person, die sich auf religiöse Zwänge beruft, einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. Es verbleibt aber die allgemeine Fürsorgepflicht im auf die Person der AN bezogenen Arbeitsverhältnis, die es gebietet, allgemein auch deren Gewissensgründe zu beachten, jedenfalls, wenn damit weder für AG noch andere AN Nachteile verbunden sind.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Transport von Speisecontainern einen nicht unwesentlichen Teil des großen Spektrums der Leistungspflichten eines Hausarbeiters der Bekl bildet. Das Erstgericht hat aber festgestellt, dass es „unter anderem“ im Bereich der Apotheke der Verwendungsgruppe des Kl entsprechende, ebenfalls dem organisatorischen Bereich Ver- und Entsorgung angehörende geeignete Stellen gibt, auf die er intern ebenfalls versetzt werden könnte.

Nach dieser – in der Berufung bekämpften – Feststellung wäre der Speisecontainertransport keine zwingend erforderliche, entscheidende berufliche Anforderung an einen Hausarbeiter. Darauf deutet auch die Feststellung hin, dass der Kl ursprünglich über ein Jahr lang in einem anderen Tätigkeitsbereich im Aufgabenspektrum des Hausarbeiters uneingeschränkt gearbeitet hat. Der Kl wäre weiterhin fähig und bereit, diese Tätigkeiten zu verrichten.

Nachdem die Bekl Kenntnis erhalten hatte, dass der Kl aus religiösen Gründen wegen seines Gewissenskonflikts nicht mit Speisencontainern arbeiten kann, wäre es ihr im Rahmen der Fürsorgepflicht oblegen, ihm nach Möglichkeit und Zumutbarkeit (wieder) eine solche für ihn geeignete Position zuzuweisen. Ein Vertragsbediensteter kann zwar keinen Anspruch erheben, nur auf bestimmten Arbeitsplätzen oder nur in Teilbereichen des Geschäftskreises seiner Verwendungsgruppe beschäftigt zu werden, allerdings kann sich auch die Bekl bei der Prüfung, welche Verfügungen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht unter Berücksichtigung der Vermeidung einer Verletzung des Diskriminierungsverbots nach § 4a VBO 1995 zumutbar sind, nicht darauf berufen, ihn von vornherein nur in einem bestimmten Teilbereich einsetzen zu 34wollen. Wesentlich ist, ob es der Bekl ohne organisatorischen Aufwand und ohne gleichzeitige Benachteiligung eines anderen Bediensteten möglich wäre, den Kl an einer für ihn geeigneten Position weiter zu beschäftigen.

Nach dem derzeit vorliegenden Sachverhalt stünde dem Nachteil des Arbeitsplatzverlustes beim Kl kein über eine Änderung der Dienstzuteilung hinausgehender konkreter Nachteil auf Seiten der Bekl oder anderer AN gegenüber, der gegen eine Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses sprechen würde.

Die Rechtssache erwies sich aber als noch nicht spruchreif. Die Bekl hat in ihrer Berufung ua auch die entscheidungswesentlichen Feststellungen über die leichte Verfügbarkeit anderer, für den Kl geeigneter Hausarbeiterstellen bekämpft. Das Berufungsgericht hat die Verfahrens- und Beweisrügen aufgrund seiner vom OGH nicht geteilten Rechtsansicht nicht behandelt. Die angefochtene E war daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.