24

Kein Wegfall der Waisenpension bei Teilzeitbeschäftigung neben zeitintensiver Ausbildung

JOHANNARACHBAUER

Die am 9.10.1996 geborene Kl betreibt ein Masterstudium an einer österreichischen Fachhochschule, für das sie während des Semesters 22,5 Stunden pro Woche für den Besuch von Lehrveranstaltungen und durchschnittlich zehn bis zwanzig Stunden wöchentlich an Lern- und Vorbereitungszeiten aufwendet. Seit 20.7.2020 ist sie zudem bei einer GmbH als Angestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden und einem monatlichen Bruttogehalt von € 1.300,- beschäftigt.

Die Kl bezog eine Waisenpension, die ihr die Pensionsversicherungsanstalt mit Bescheid vom 28.7.2020 mit Ablauf des Monats Juli 2020 entzog, weil die Arbeitskraft der Kl wegen des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht überwiegend für die Schul- oder Berufsausbildung beansprucht werde. Die Kl begehrte in ihrer Klage die Weitergewährung der Waisenpension.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge, wies das Klagebegehren ab und begründete dies damit, dass neben der Ausbildung bezogene Entgelte zum Wegfall der Waisenpension führten, wenn sie die Selbsterhaltungsfähigkeit der Waise sicherten.

Der OGH hielt die Revision mit dem Antrag auf Abänderung iS einer Klagsstattgebung für zulässig und berechtigt. Er stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her.

Der OGH hat bereits am 19.5.2021 (10 ObS 34/21d) in einem ähnlich gelagerten Fall ausführlich zur Frage der Auswirkungen von Entgelt, das neben einer die Arbeitskraft der Waise überwiegend beanspruchenden Berufsausbildung bezogen wird, Stellung genommen. Die in dieser E dargestellten Erwägungen sind auch hier maßgeblich. Demnach wurde mit der Neufassung des § 252 ASVG durch die 29. Novelle zum ASVG (BGBl I 1973/31) das Kriterium der Selbsterhaltungsfähigkeit aufgegeben. Wenn die Waise neben ihrer Schul- oder Berufsausbildung einer Erwerbstätigkeit nachgeht, ist daher das Verhältnis zwischen der Beanspruchung ihrer Arbeitskraft durch die Ausbildung und der Beanspruchung durch die Erwerbstätigkeit maßgebend (vgl RS0089658). Richtschnur für die Beurteilung, ob die Arbeitskraft durch eine Schul- oder Berufsausbildung überwiegend beansprucht wird, ist dabei ein durchschnittliches wöchentliches Ausmaß von 20 Stunden.

Im vorliegenden Fall übersteigt der Zeitaufwand, der aus dem Studium der Kl resultiert und der auch ihre Lern- und Vorbereitungszeiten umfasst, jenes ihrer Teilzeitbeschäftigung deutlich. Einkommen, die aus der Ausbildungstätigkeit selbst stammen, lassen nach der Rsp die Kindeseigenschaft dagegen nur dann weiterbestehen, wenn im Rahmen der Ausbildung nur ein geringes, die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht sicherndes Entgelt bezogen wird (RS0085125, vgl RS0085149). Hingegen muss eine Waise neben einem Studium, das die Arbeitskraft 42wie im vorliegenden Fall überwiegend beansprucht, nicht zusätzlich einer Beschäftigung nachgehen. Kann sie aber neben einer zeitintensiven Ausbildung nur aufgrund besonderer Anstrengung und/oder besonderer Fähigkeiten aus einer Teilzeitbeschäftigung Einkünfte in oder über der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes erzielen, ist es nicht sachgerecht, diesen besonderen Einsatz mit dem Verlust der Waisenpension zu sanktionieren (OGH 19.5.2021, 10 ObS 34/21d; vgl RS0085139).