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Arbeitsmarktprognose bei Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen zu berücksichtigen

JÖRGTRETTLER

Der 1961 geborene – im Zeitpunkt des gegenständlichen Beschlusses des OGH – 60-jährige Kl war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.4.2020) in mehr als 90 Pflichtversicherungsmonaten in seinem Beruf als gelernter Kfz-Mechaniker – schwerpunktmäßig als Baumaschinenmechaniker – tätig.

Die Bekl wies den Antrag des Kl auf Zuerkennung einer Invaliditätspension mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 255 ASVG ab. In seiner gegen den Bescheid der Bekl gerichteten Klage begehrte der Kl den Zuspruch der Invaliditätspension, eventualiter die Gewährung beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation nach § 253e ASVG.

Im ablehnenden Bescheid hatte die Bekl zunächst auch die Gewährung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation abgelehnt. Im Zuge des sozialgerichtlichen Verfahrens war dem Kl jedoch die (kostenlose) Absolvierung eines Computerkurses beim WIFI angeboten worden, was der Kl jedoch abgelehnt hat.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass der Kl zwar nicht mehr in der Lage sei, als Baumaschinenmechaniker zu arbeiten, er könne aber noch auf verschiedene Tätigkeiten (zB Kundendienstbetreuer oder Baumaschinenverkäufer) verwiesen werden. Für die Ausübung sämtlicher Verweisungstätigkeiten seien zwar – dem Kl bisher fehlende – EDV-Grundkenntnisse erforderlich, diese könne der Kl jedoch betriebsextern durch entsprechende Computerkurse erwerben. Infolge Verweigerung der angebotenen Rehabilitationsmaßnahme durch Absolvierung eines Computerkurses hätte der Kl nunmehr den Anspruch auf Invaliditätspension verloren.

Gegenstand des Berufungsverfahrens war die Frage, ob der Besuch eines Computerkurses für den Kl zweckmäßig und zumutbar ist. Der Kl brachte vor, dass er wegen seines Alters und seines eingeschränkten Gesundheitszustandes nur geringe Chancen auf die Erlangung eines adäquaten Arbeitsplatzes habe und darüber hinaus bereits Ende 2021 sowohl die Voraussetzungen für die Schwerarbeitspension als auch für die Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG erfüllen werde. Es sei nicht zu erwarten, dass er in dieser geringen Zeitspanne einen adäquaten Arbeitsplatz finden würde. Daher sei der Besuch eines Computerkurses nicht zweckmäßig und ihm nicht zumutbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Die Gegenüberstellung einer vier Tage dauernden Computerschulung mit dem zumindest noch für mehr als einem Jahr erforderlichen Verbleib im Arbeitsleben führe zur Bejahung der Zumutbarkeit der Rehabilitationsmaßnahme. Die zeitnahe Erlangung einer Beschäftigung sei durchaus realistisch.

Der OGH hält die außerordentliche Revision für zulässig und wegen des Fehlens von erforderlichen Feststellungen iSd Aufhebungsantrags (betreffend Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit der Absolvierung einer Computerschulung) auch für berechtigt.

Bei einem Anbot einer beruflichen Rehabilitation nach § 253e ASVG – wie hier – erst im sozialgerichtlichen Verfahren sind die Voraussetzungen des § 254 Abs 1 Z 1 ASVG (Anspruch auf Invaliditätspension, wenn kein Anspruch auf berufliche Rehabilitation besteht oder die Maßnahme der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind) vom Sozialgericht von Amts wegen zu prüfen. Zu prüfen ist, ob der von der Bekl konkret angebotene Computer-Grundkurs den Kriterien des § 253e Abs 2 bis 4 ASVG in der im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung entspricht.

Der OGH führt aus, dass bei der Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit einer (beruflichen) Rehabilitationsmaßnahme neben der Ausbildung und bisherigen Tätigkeit des Versicherten, einem bestehenden Berufsschutz sowie dem Inhalt und der Dauer der ins Auge gefassten Rehabilitationsmaßnahme auch Arbeitsmarktprognosen mit zu berücksichtigen sind.

Der OGH hält fest, dass Rehabilitationsmaßnahmen nur ökonomisch zielführend und für die Betroffenen und die Versichertengemeinschaft sinnvoll sind, wenn die Betroffenen im Rehabilitationsberuf tatsächlich beschäftigt werden. Entsteht etwa kurze Zeit nach einer beruflichen Rehabilitation ein Anspruch auf Alterspension, wird eine berufliche Rehabilitation unter diesem Aspekt schon aus Gründen der Zweckmäßigkeit ausscheiden.

Nach Ansicht des OGH muss nach erfolgreicher beruflicher Rehabilitation für den Versicherten 43jedenfalls eine realistische Chance bestehen, in dem gem § 255 Abs 5 ASVG erweiterten Verweisungsfeld einen Arbeitsplatz zu finden. Rehabilitationsmaßnahmen, bei denen diese Aussicht nicht besteht, sind nicht zumutbar. Es muss eine realistische Chance – also nicht nur eine abstrakte Beschäftigungsmöglichkeit – bestehen, dass der Umgeschulte nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz finden wird.

Der OGH hielt abschließend fest, dass die für diese Beurteilung notwendigen Tatsachenfeststellungen in der Entscheidung des Erstgerichts fehlen; eine Aussage im berufskundlichen Gutachten zur (abstrakten) Verweisbarkeit am Arbeitsmarkt ist nicht ausreichend. Deshalb war die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.