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Medizinisch indizierter Krankenhausaufenthalt des Kindes steht Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegen

KRIZTINAJUHASZ

Ein Krankenhausaufenthalt ist „medizinisch indiziert“, wenn er aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Ist die medizinische Indikation gegeben, verlangt das Gesetz darüber hinaus weder eine bestimmte (Mindest-)Dauer des im Einzelfall erforderlichen Krankenhausaufenthalts, noch, dass vor Beginn eines medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalts bereits eine drei- bis fünftägige „übliche Verweildauer“ im Krankenhaus nach einer Geburt verstreichen soll.

SACHVERHALT

Der Sohn des Kl wurde am 15.4.2019 geboren. Der Kl beantragte die Zuerkennung eines Familienzeitbonus für 31 Tage von 17.4. bis 17.5.2019. Von 15.4. bis 18.4.2019 befand sich das Kind wegen eines Amnioninfekts in stationärer Behandlung. Der Krankenhausaufenthalt des Kindes war medizinisch indiziert. Unstrittig betreuten und pflegten beide Elternteile das Kind während des stationären Aufenthalts im gesetzlichen Mindestausmaß von täglich durchschnittlich vier Stunden.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid lehnte die Wiener Gebietskrankenkasse den Antrag des Kl auf Familienzeitbonus mit der Begründung ab, dass infolge des gemeinsamen Spitalsaufenthalts der Mutter und des Kindes bis 18.4.2019 kein gemeinsamer Haushalt bestanden habe.

Der Kl begehrte in seiner Klage die Zuerkennung eines Familienzeitbonus und argumentierte, dass auch die Zeit des stationären Aufenthalts des Kindes gem § 2 Abs 3a FamZeitbG als Familienzeit anzusehen sei. Die Bekl wandte dagegen ein, dass die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 3a FamZeitbG nur zur Anwendung komme, wenn das Kind aufgrund einer schweren Erkrankung ohne Eltern im Krankenhaus stationär aufgenommen sei. Darüber hinaus sei § 2 Abs 3a FamZeitbG nur auf eine längere als die übliche Aufenthaltsdauer von drei bis fünf Tagen nach einer Geburt anzuwenden. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge und erklärte eine Revision für zulässig.

Die Revision der Bekl war nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.1 Anspruch auf Familienzeitbonus besteht ua gemäß § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG dann, wenn sich der Vater im gesamten Anspruchszeitraum in Familienzeit (§ 2 Abs 4 FamZeitbG) befindet und darüber hinaus er, das Kind und der andere Elternteil gemäß § 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG im gemeinsamen Haushalt (§ 2 Abs 3 FamZeitbG) leben.

1.2 Während des Spitalsaufenthalts des Kindes und der Mutter fehlte es im vorliegenden Fall unstrittig an einem gemeinsamen Haushalt im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG (RS0132377RS0132377).

2.1 § 2 Abs 3a FamZeitbG wurde mit der Novelle BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 geschaffen. Die Bestimmung trat mit 1.1.2019 in Kraft und ist gemäß § 12 Abs 3 FamZeitbG auf Geburten nach dem 31.12.2018, daher auch im vorliegenden Fall, anzuwenden. § 2 Abs 3a FamZeitbG lautet: „Bei einem medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalt des Kindes wird bei persönlicher Pflege und Betreuung des Kindes durch den Vater und den anderen Elternteil im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich ausnahmsweise der gemeinsame Haushalt im Sinne des Abs. 3 angenommen.46Ein solcher Krankenhausaufenthalt des Kindes steht dem Vorliegen einer Familienzeit nach Abs. 4 nicht entgegen.“

2.2 In den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung heißt es (gleichlautend 584/A 26. GP 3 und AB 494 BlgNR 26. GP 2): „Der Familienzeitbonus soll als Ausnahme auch dann gebühren, wenn aufgrund des medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthaltes des Kindes (zB aufgrund einer schweren Erkrankung des Kindes oder im Falle eines Frühchens) kein gemeinsamer Haushalt der Eltern mit dem Kind vorliegt, sofern der Vater sowie die Mutter jeweils im Durchschnitt mindestens 4 Stunden täglich das Kind persönlich pflegen und betreuen (und alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden). Der Vater hat das Ausmaß der Pflege und Betreuung des Kindes durch ihn und den anderen Elternteil durch Bestätigungen des Krankenhauses beim Krankenversicherungsträger nachzuweisen.“

2.3 Im Schrifttum wird zu § 2 Abs 3a FamZeitbG im hier relevanten Zusammenhang vertreten, dass der Krankenhausaufenthalt eines Kindes medizinisch indiziert sein muss (Bernsteiner, Wenn der Nachwuchs viel zu früh kommt: „Papa-Monat“ im Ausnahmezustand, ecolex 2019, 533). Eine genaue Definition des Begriffs des „medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalts“ biete das Gesetz nicht an (Blasl, Kein Anspruch auf Familienzeitbonus während des Krankenhausaufenthalts nach der Geburt des Kindes, ASoK 2019, 169 [172]). Ein medizinisch indizierter Krankenhausaufenthalt liege zB aufgrund einer schweren Erkrankung des Kindes oder bei einer Frühgeburt („Frühchen“) vor (Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG3 § 2 FamZeitbG Rz 21a). Ein Krankenhausaufenthalt im Anschluss an eine komplikationslose Geburt sei hingegen nicht medizinisch indiziert (Blasl, ASoK 2019, 169 [172]; Schrattbauer, Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [259 FN 73]). […]

3.2 […] Richtig ist, dass § 2 Abs 3a FamZeitbG als Ausnahmebestimmung (arg: „ausnahmsweise“, vgl bereits 10ObS29/20t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 29/20t) eng auszulegen ist (vgl RS0008903RS0008903). Das Gesetz spricht lediglich vom Vorliegen eines „medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalts“, daher eines aus medizinischen Gründen notwendigen Krankenhausaufenthalts. […] Ist die medizinische Indikation – wie hier unstrittig – gegeben, verlangt das Gesetz darüber hinaus weder eine bestimmte (Mindest-)Dauer des im jeweiligen Einzelfall erforderlichen Krankenhausaufenthalts, noch, dass vor Beginn eines medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalts bereits eine drei- bis fünftägige „übliche Verweildauer“ im Krankenhaus nach einer Geburt verstrichen wäre. […] Eine „schwere Erkrankung“ liegt nach § 2 Abs 3a FamZeitbG vielmehr vor, wenn „aufgrund“ einer solchen Erkrankung ein Krankenhausaufenthalt medizinisch indiziert, also erforderlich ist. Dies war hier der Fall.“

ERLÄUTERUNG

Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 3a FamZeitbG (BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24) besagt, dass bei einem medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalt des Kindes ausnahmsweise die Existenz eines gemeinsamen Haushaltes iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG angenommen wird.

In dem der OGH-E vom 16.4.2020, 10ObS29/20t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 29/20t, zugrunde liegenden Sachverhalt, der mit dem nunmehrigen Fall nicht vergleichbar war, wurde das Kind gesund geboren. Ein stationärer Aufenthalt von Mutter und Kind war durch eine Erkrankung der Mutter, nicht aber des Kindes, medizinisch indiziert. Daher waren die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 3a FamZeitbG hier nicht gegeben.

Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin zwar außer Streit gestellt, dass sich das Kind „gesundheitsbedingt“ im Krankenhaus aufgehalten hat, führte dennoch aus, dass kein medizinisch indizierter Krankenhausaufenthalt iSd § 2 Abs 3a FamZeitbG vorlag, denn nach jeder Geburt betrage die „übliche Verweildauer“ von Mutter und Kind im Spital drei bis fünf Tage. Ein medizinisch indizierter Krankenhausaufenthalt könne erst mit dem Ende dieser „üblichen Verweildauer“ beginnen. Eine Erkrankung des Kindes könne für sich allein genommen nicht den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 3a FamZeitbG erfüllen.

Der OGH stellte fest, dass die Voraussetzung, nämlich ein aus medizinischen Gründen notwendiger Krankenhausaufenthalt des Kindes, im vorliegenden Fall infolge des aufgetretenen Amnioninfekts, verwirklicht war, sowie, dass eine komplikationslose Geburt daher gerade nicht vorlag. Im Gesetzestext ist die medizinische Indikation des Kindes, in den Gesetzesmaterialien eine „schwere Erkrankung des Kindes“ genannt, ohne dass diese Voraussetzung mit einer bestimmten Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus verknüpft wäre. Eine „schwere Erkrankung“ gem § 2 Abs 3a FamZeitbG liegt nach den Ausführungen des OGH vielmehr dann vor, wenn aufgrund einer solchen Erkrankung ein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist. Somit konnte die Rechtsansicht der Bekl weder aus dem Wortlaut des § 2 Abs 3a FamZeitbG noch aus den dargestellten Gesetzesmaterialien abgeleitet werden.

Die weitere Voraussetzung des § 2 Abs 3a FamZeitbG, die erforderliche persönliche Pflege und Betreuung des Kindes durch den Vater und den anderen Elternteil, war hier unstrittig gegeben.

Im Ergebnis war daher der Revision nicht Folge zu geben. 47