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Schüler einer Ganztagsschule kein „Heim- oder Pflegekind“ iSd Heimopferrentengesetzes

ELISABETHBISCHOFREITER

Der 1962 geborene Kl war von 1972 bis 1976 Schüler in einer Ordensschule. Da er direkt aus dem Ort der Schule stammte sowie aus Kostengründen, übernachtete er nicht in der Schule im Internat, sondern besuchte die Einrichtung als Ganztagsschule/Halbinternat wochentags zwischen ca 8:00 Uhr und 16:00 bzw 16:30 Uhr. Währens seiner Schulzeit erlitt er physische und psychische Gewalt und auch se48xuellen Missbrauch. Der Kl beantragte am 13.11.2020 die Zuerkennung einer Heimopferrente.

Mit Bescheid vom 11.12.2020 lehnte die Bekl den Antrag des Kl mit der Begründung ab, dass beim Kl keine stationäre Unterbringung iSd § 1 Abs 1 HOG vorgelegen sei. Das Erst- und das Berufungsgericht wiesen die dagegen erhobene Klage bzw Berufung ebenfalls ab. Der Kl sei kein „Heim-“ oder „Pflegekind“ iS dieser Bestimmung gewesen. Die Gewalt, die der Kl unstrittig erfahren habe, habe er als Schüler, nicht aber „im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendheimen“ erlitten.

Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unter Hinweis auf die bestehende Rsp zu 10 ObS 148/20t vom 19.1.2021 zurück.

Er führte im Wesentlichen aus, dass nach der Rsp des VfGH der Gesetzgeber den Kreis der nach § 1 Abs 1 HOG anspruchsberechtigten Personen zulässigerweise eng umschrieben hat. Er hat die Gewährung einer Heimopferrente als besondere Fürsorgeleistung und spezifische Reaktion auf ein Unrecht geschaffen, das typischerweise und in besonderer Intensität sogenannten „Heimkindern“ bzw „Pflegekindern“ widerfahren ist. Abgestellt wird daher auf kindliche und jugendliche Opfer von Gewalt, die solcher Gewalt im Rahmen einer regelmäßig länger dauernden Unterbringung in Fremdpflege, der sie sich nicht entziehen konnten, ausgesetzt waren.

Beruhend darauf hat der OGH entschieden, dass der Tatbestand der „Unterbringung“ iSd § 1 Abs 1 HOG im Fall einer Kl nicht erfüllt war, die als „Lehrling“ in einem Kloster beschäftigt – und dort in einem Zimmer mit zwei weiteren weiblichen Beschäftigten untergebracht – war, in dem auch ein Knabeninternat untergebracht war. Denn die damalige Kl hatte – anders als „Heim“- oder Pflegekinder – zumindest rein rechtlich die Möglichkeit, das Autoritätsverhältnis selbst zu beenden (OGH 19.1.2021, 10 ObS 148/20t).

Der OGH hielt in seinem vorliegenden Zurückweisungsbeschluss fest, dass außer Frage steht, dass der Kl im Rahmen des Schulbesuchs Gewalt erlitt. Anders als in dem zu 10 ObS 148/20t entschiedenen Sachverhalt fehlt es jedoch im vorliegenden Fall schon räumlich an einer „regelmäßig länger dauernden Unterbringung in Fremdpflege“ (VfGH 28.2.2019, G 226/2018) des Kl, wie sie zB bei der Aufnahme in ein Heim oder in einer Pflegefamilie vorliegt. Die Bildungseinrichtung wurde als Ganztagsschule bzw Halbinternat geführt, der Kl kehrte täglich und an den Wochenenden nach Hause zurück. Er befand sich in der Bildungseinrichtung daher nicht in „Fremdpflege“. Auch aus der in der Revision betonten Schulpflicht des Kl in den Jahren 1972 bis 1976 lässt sich laut OGH keine „Unterbringung“ iSd § 1 Abs 1 HOG ableiten.