WilrichArbeitsschutz-Strafrecht. Haftung für fahrlässige Arbeitsunfälle – Handbuch

Erich Schmidt Verlag, Berlin 2020, 392 Seiten, kartoniert, € 39,90

RUDOLFMÜLLER

Die strafrechtlichen Bestimmungen des deutschen AN-Schutzrechts, um die es in diesem Buch geht, finden sich einerseits im dStGB, soweit es um Strafverfahren nach fahrlässig herbeigeführten Personenschäden geht, und als „Nebenstrafrecht“ im „Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (ArbSchG)“, aber auch in anderen Gesetzen und Verordnungen, die AN-Schutz zum Gegenstand haben.

Das Nebenstrafrecht des deutschen ArbSchG enthält neben Ordnungswidrigkeiten (die etwa unserem Verwaltungsstrafrecht entsprechen) auch gerichtlich strafbare Delikte (wie zB die beharrliche Wiederholung bestimmter Ordnungswidrigkeiten oder die Gefährdung von Leben und Gesundheit eines Beschäftigten). Einen besonderen Problemkreis des Arbeitsschutz-Strafrechts stellen die §§ 13 und 14 dStGB dar: Ersterer normiert die Tatbegehung durch Unterlassung (also die Haftung kraft Garantenstellung), letzterer umschreibt, unter welchen Voraussetzungen jemand als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder als gesetzlicher Vertreter eines anderen strafrechtlich haftet.73

Welche strafrechtlichen Konsequenzen nach einem Arbeitsunfall im Spannungsfeld von Sicherheitsverantwortung, Sorgfaltspflichten und Schuld entstehen können, wird in diesem Buch – so zumindest die Verlagsankündigung – erstmals im Detail erläutert. Der Autor handelt die Themen kommentarartig anhand der einzelnen Straftatbestände des ArbSchG, der diversen weiteren Nebenstrafbestimmungen im technischen (Kapitel 3) und im persönlichen AN-Schutz (Kapitel 4) ab und wendet sich im Kapitel 5 schließlich dem StGB zu. Wobei der Autor – wie schon im Untertitel angedeutet – jeweils drei Fragenkreise schwerpunktartig behandelt. Die Zurechnung des Unfallgeschehens aufgrund seiner Stellung als Verantwortlicher bzw aufgrund einer Garantenstellung (dabei unterscheidet der Autor zwischen der Betreiberverantwortung von Führungskräften, der Personalverantwortung von Vorgesetzten, der Fachverantwortung von Mitarbeitern und der Stabsverantwortung von – externen Sicherheitsfachkräften bzw -hauseigenen – Sicherheitsbeauftragten) ist der erste Fragenkreis. Sodann behandelt der Autor die Charakteristika einer Verletzung von Sorgfaltspflichten, wobei jene Pflichten, deren Einhaltung geboten ist, aus unterschiedlichsten Quellen abgeleitet werden können: Das reicht von Betriebsanweisungen, Ein- oder Unterweisungen, Einhaltung von Schutzeinrichtungen und Schutzmaßnahmen bis zur Sorgfalt bei der Prüfung der Arbeitsmittel und der Sicherstellung einer insgesamt „sicherheitsgerechten Arbeitsweise“. Schließlich beschäftigt sich der Autor eingehend mit der Schuldfrage als drittes Element in seinem Handbuch. Wann sind Arbeitsunfälle vorhersehbar und vermeidbar, wann liegt daher zumindest Fahrlässigkeit vor? Die drei genannten Fragenkreise werden – soweit erforderlich – bereits zu den verschiedenen Straftatbeständen des ArbSchG abgehandelt, eingehend dann aber zum StGB, woraus sich eine gewisse Anschaulichkeit der Darstellung ergibt. Bereits in diesem ersten Teil des Buches wird bei den jeweiligen Straftatbeständen auf die im zweiten Teil aufgeführten Verfahren verwiesen, bei denen sich der jeweilige Tatbestand oder Problemkreis verwirklicht hat.

Eine Analyse von 33 Strafverfahren ergänzt im zweiten Teil auf 200 Seiten das Werk, in denen Unternehmensmitarbeiter aller Hierarchieebenen und Positionen sowie alle wesentlichen Pflichtverletzungen berücksichtigt sind. Dieser Teil zeigt die Konsequenzen der auf den ersten rund 160 Seiten dargestellten Grundsätze in der „forensischen“ Praxis. Ein Anhang mit der nochmaligen Darstellung aller einschlägigen Normtexte und ein Stichwortverzeichnis belegen die Praxisorientiertheit des Werkes. Dem Autor (Rechtsanwalt und Lehrender an einer Münchner Hochschule) ist ein anregend zu lesendes Buch gelungen, das aufgrund immer wieder festzustellender Parallelen zum österreichischen Recht auch allen direkt oder indirekt mit AN-Schutz beschäftigten österreichischen Juristen, aber auch Interessenvertretern als Inspirationsquelle empfohlen werden kann.