6Kündigung einer Pflegeperson wegen Verweigerung eines Corona-Tests ist nicht motivwidrig
Kündigung einer Pflegeperson wegen Verweigerung eines Corona-Tests ist nicht motivwidrig
Aus der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (-NotMV) idF BGBl II 2020/479ergibt sich für eine Pflegeperson in einem Alten- und Pflegeheim eine zumindest mittelbare Verpflichtung, sich den angeordneten (kostenfreien) Tests zu unterziehen, damit der AG sie weiter beschäftigen und sie ihrem Arbeitsvertrag nachkommen kann.
Die (beharrliche) Weigerung einer Pflegeperson, sich auf Kosten der AG den von ihr iSd § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV angeordneten regelmäßigen Tests zu unterziehen, ist daher offenbar unbegründet. In einer daraufhin ausgesprochenen Kündigung ist eine verpönte Retorsionsmaßnahme nicht zu erblicken.
Der Kl war seit 23.2.2009 bei der Bekl als Diplomkrankenpflegeperson angestellt. Die Bekl betreibt ein Alten- und Pflegeheim, in dem der Kl zuletzt in der Funktion eines Bereichsverantwortlichen-Stellvertreters tätig war. Mit Schreiben vom 26.11.2020 kündigte die Bekl das Dienstverhältnis zum 28.2.2021 auf. Der BR wurde von der Kündigung verständigt und hat der Kündigung zugestimmt.
Der Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses war die Weigerung des Kl, sich entsprechend15 der Anweisung des DG einmal wöchentlich – unabhängig von Krankheitssymptomen – auf Kosten des DG einem Antigen-Test oder einer molekularbiologischen Testung auf SARS-CoV-2 zu unterziehen. Der DG stützte seine Forderung in mehreren Gesprächen mit dem Kl auf die schutzbedürftige Bewohnerschaft und auf die Verpflichtung nach § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV, BGBl II 2020/479. Diese Regelung sah zum gegebenen Zeitpunkt ua vor, dass Betreiber von Alten- und Pflegeheimen ihre MitarbeiterInnen nur einlassen durften, wenn diese sich einmal wöchentlich einem Antigen-Test oder einem molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 unterzogen.
Der Kl verblieb jedoch bei seiner Weigerung. Nach einer Rechtsauskunft bestehe keine Testpflicht für gesunde AN und sei er nicht verpflichtet, „im Sinne des Grundrechts auf Leben“ einen Eingriff in seine psychische und physische Integrität gegen seinen Willen zu dulden. Der Kl hat sich zum Tragen einer FFP2-Maske während der Arbeit bereit erklärt. Ihm war bekannt, dass schon damals eine BV bestand, wonach auf Kosten des DG im Betrieb der Bekl die wöchentlichen Testungen, wie in der genannten VO vorgesehen, durchgeführt werden. Der Kl hat die Testungen nicht deshalb verweigert, weil hierbei ein Nasenabstrich genommen wird, sondern weil er die „Sinnhaftigkeit des Tests in Zweifel zog“.
Der Kl begehrte die Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG. Die Testung sei berechtigt verweigert worden. Es liege daher ein verpöntes Motiv vor.
Die Bekl beantragte die Abweisung der Klage. Sie habe sich an die Regelungen der COVID-19-NotMV zu halten, solange diese nicht vom VfGH aufgehoben seien. Der wöchentlich vorgeschriebene Test sei erforderlich und verhältnismäßig, um die Gesundheit und das Leben von BewohnerInnen (und MitarbeiterInnen) zu schützen. Zur Testung sei der Kl insb auch aufgrund der am 10.11.2020 geschlossenen BV verpflichtet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge, ließ aber die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass der Berechtigung zur Verweigerung von Antigen- und molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 durch einen DN über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.
Die Revision wurde vom OGH als zulässig, jedoch nicht als berechtigt erkannt.
„1. […] Eine erfolgreiche Anfechtung [gem § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG] setzt voraus, dass die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Arbeitnehmer nicht offenbar unberechtigt ist […]. Der Motivkündigungsschutz soll nicht schon bei haltlosen Behauptungen greifen […].
[…] 2.2 Der für die Beurteilung des verwerflichen Motivs entscheidende Zeitpunkt ist jener des Ausspruchs der Kündigung […].
Zum hier maßgeblichen 26.11.2020 gehörte § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV dem Rechtsbestand an, was auch vom Kläger nicht bezweifelt wird. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, gehen die vom Kläger (bloß unsubstantiiert) geäußerten Bedenken an der Verfassungsgemäßheit dieser VO ins Leere, weil auch verfassungswidrige Verordnungen bis zu deren Aufhebung durch den VfGH anzuwenden sind (vgl Muzak, B-VG6 Art 139 Rz 22). Hinzu kommt, dass sich die hier maßgebliche Verpflichtung wohl auch aus der Verantwortung des Heimbetreibers für die Gesundheit der Heimbewohner rechtfertigen lässt.
3.1 Die Beklagte als unmittelbare Adressatin der VO war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung daher verpflichtet, dem Kläger ohne Vorliegen eines negativen Testergebnisses (bzw einer der in der VO statuierten Ausnahme) das Betreten der Betriebsstätte zu verwehren, ohne dass es ihr frei stand, sich mit der Bereitschaft des Klägers zum Tragen einer FFP2-Maske oder seiner Beteuerung, gesund zu sein, zu begnügen.
3.2 Umgekehrt ergab sich (schon) aus dieser VO eine zumindest mittelbare Verpflichtung des Klägers, sich den von der Beklagten angeordneten (für ihn kostenfreien) Tests zu unterziehen, damit die Beklagte ihn weiter im Alten- und Pflegeheim beschäftigen und er seinem Arbeitsvertrag nachkommen konnte.
Zu diesem Ergebnis gelangt, soweit ersichtlich, einhellig auch die Lehre und Literatur, die sich mit den Auswirkungen der VO auf das Arbeitsrecht befasst:
Nach Drs/Schwab (COVID-19-Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz – Datenschutz, Dako 2021/30 [59]) seien, soweit die VO bestimmte Schutzmaßnahmen vorgibt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer daran gebunden. Da der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags verpflichtet sei, alles Notwendige und Zumutbare zu unternehmen, damit er seiner Arbeit nachgehen könne, müsse er die in der VO normierten Auflagen erfüllen und dürfe den Test nicht verweigern, soweit in der VO keine Alternative (zB Maske statt Test) vorgesehen sei.
AuchGerhartl (COVID-19-Tests im Arbeitsverhältnis, ecolex 2021/53 [59]) ist im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeber nur Mitarbeiter zur Arbeit einlassen darf, die ein negatives Testergebnis aufweisen, der Ansicht, der Arbeitnehmer müsse sich dem Test unterziehen, da sonst kein negatives Testergebnis ermittelt werden könne.
Grimm/Wolf (Verpflichtende Tests und Impfungen in der COVID-19-Pandemie aus arbeitsrechtlicher Sicht, JMG 2021, 8 [13]) gehen ebenso wie Plucinska/Zankel (Rechtliche Rahmenbedingungen für Testungen16 und Impfungen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 im Arbeitsverhältnis, ASoK 2021, 82 [82 f]) von einer Testpflicht der von der VO umfassten Berufsgruppen aus. Letztere beurteilen die Verweigerung der SARS-CoV-2-Testung diesfalls explizit als rechtswidrig bzw als tauglichen Entlassungsgrund.
Mazal (Zum Infektions- und Immunstatus im Arbeitsverhältnis – unter Berücksichtigung von COVID-19, ZAS 2021/14 [74]) spricht von indirekten Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers und bejaht derzeit die Zulässigkeit der Erhebung der Immunstatus durch den Arbeitgeber.
Auch Ganner/Pixner/Pfeil (COVID-19 in der Pflege: ein Überblick, ÖZPR 2021, 20 [23]) halten die Arbeitnehmer grundsätzlich für verpflichtet, sich den in der COVID-19-NotMV (dort zunächst nur dem Arbeitgeber) vorgeschriebenen Tests zu unterziehen. Weigerungen ohne triftigen Grund könnten unter Umständen sogar eine Entlassung rechtfertigen.
3.3 Einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis darauf, sich entgegen dieser – in der arbeitsrechtlichen Treuepflicht wurzelnden – Mitwirkungspflicht doch nicht testen lassen zu müssen, der einen Motivkündigungsschutz nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG begründen könnte, bringt der Kläger nicht zur Darstellung, zumal er schon die Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch im Dunklen lässt:
Einen (unverhältnismäßigen) Eingriff in Persönlichkeitsrechte durch die regelmäßigen Testungen auf SARS-CoV-2 führt der Kläger nicht konkret ins Treffen, schon gar nicht mit seinem Hinweis auf eine – wie er meint – drohende Impfpflicht, die hier nicht zur Diskussion steht. Er beruft sich vielmehr bloß ganz allgemein auf den ‚Schutz der Grund- und Freiheitsrechte‘. Dementsprechend setzt er auch der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine bei einem Grundrechtseingriff gebotene Interessenabwägung (vgl RS0116695) wegen der Schutzbedürftigkeit der in einer Pandemie besonders vulnerablen Heimbewohner jedenfalls zugunsten der Testpflicht ausfiele, nichts weiter entgegen. Nach den Feststellungen lehnte der Kläger die Tests zudem nicht (wie anfänglich behauptet) wegen des damit verbundenen Eingriffs in seine psychische und physische Integrität ab, sondern weil er deren Sinnhaftigkeit in Zweifel zog. Seinen Überlegungen, das Testen asymptomatischer Personen sei nicht zielführend und es könnte durch falsch positive Tests zu einer Ausdünnung des Personalstands kommen, haben bereits die Vorinstanzen zutreffend erwidert, dass es nicht an ihm als Arbeitnehmer liegt, die Sinnhaftigkeit der Schutzmaßnahmen in Frage zu stellen, zu deren Umsetzung die Beklagte als Betreiberin eines Alten- und Pflegeheims nach der geltenden Rechtsordnung verpflichtet ist.
Die (beharrliche) Weigerung des Klägers, sich auf Kosten der Beklagten den von ihr im Sinn des § 10 Abs 4 COVID-19-NotMV angeordneten regelmäßigen Tests zu unterziehen, war daher offenbar unbegründet. In der daraufhin durch die Beklagte ausgesprochenen Kündigung ist eine verpönte Retorsionsmaßnahme nicht zu erblicken.“
Im vorliegenden Fall kommt der OGH erstmals im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Kündigung wegen (Corona-)Testverweigerung als motivwidrig iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG aufgegriffen werden kann, zu Wort.
Dabei wurde die zum Kündigungszeitpunkt in Geltung stehende COVID-19-NotMV idF BGBl II 2020/479BGBl II 2020/479, die Betreibern von Alten- und Pflegeheimen den Zutritt nur von ua einmal pro Woche negativ getesteten Mitarbeitern erlaubte, als valide Rechtsgrundlage erachtet, die die Bekl verpflichtet, dem Kl das Betreten der Betriebsstätte zu verwehren, und auch den Kl (zumindest mittelbar) verpflichtet, sich den Tests auch zu unterziehen, um seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen überhaupt nachkommen zu können. Letzteres wird vom OGH ausdrücklich als eine in der Treuepflicht wurzelnde Mitwirkungspflicht bezeichnet.
Dem Vorbringen des Kl hinsichtlich eines Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht und allgemein von ihm vorgebrachten Bedenken zur „Sinnhaftigkeit“ der Tests entzieht der Gerichtshof dadurch den Boden, indem er auf die geltende Maßnahmenverordnung hinweist, die auch im Falle einer Verfassungswidrigkeit bis zur Aufhebung durch den VfGH uneingeschränkt zu beachten wäre.
Ausgehend von seiner – durch Anführung zahlreicher Literaturstimmen bestärkten – Rechtsansicht lässt der OGH die Anfechtungsklage bereits daran scheitern, dass er das einer Geltendmachung notwendig zugrundeliegende Bestehen eines „offenbar nicht unberechtigten Anspruchs“ verneint. Durch die Testverweigerung wird demgemäß also gar kein iSd § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG relevanter Anspruch geltend gemacht. Die Motivanfechtungsklage scheitert bereits im ersten Prüfschritt.
Eine erst im zweiten Schritt folgende Prüfung, ob die Beantwortung einer Anspruchsgeltendmachung mit einer Kündigung aus einem verpönten Motiv heraus erfolgte, wird dadurch obsolet. Der OGH lässt aber in seiner rechtlichen Beurteilung unzweifelhaft erkennen, dass er eine aufgrund einer Verweigerung eines verpflichtenden Tests ausgesprochene Kündigung jedenfalls nicht als sachlich unbegründet erachtet.
Dem Umstand, dass auch die am 10.11.2020 in Kraft getretene BV zwischen dem Zentral-BR der Bekl und der Bekl eine verpflichtende zumindest wöchentliche Testung aller Mitarbeiter auf SARS-CoV-2 entweder durch einen molekularbiologischen Test oder durch Antigentest vorsah, maß der OGH vor diesem Hintergrund keine entscheidende Bedeutung mehr zu und ließ die dementsprechenden Ausführungen des Revisionswerbers dahingestellt. 17