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Vereinbarung eines Ausbildungskostenrückersatzes unwirksam, wenn Dienstverhältnis Charakter eines Lehrverhältnisses hat

ADMIRBAJRIC

Eine Rückforderung der von der DG aufgewendeten Lehrgangskosten kommt als Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung nicht in Betracht, wenn das Dienstverhältnis den Charakter eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz hatte, im Rahmen dessen die DN die gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolvierte und zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt entlohnt wurde.

SACHVERHALT

Die im Jahr 1998 geborene Kl und die Bekl schlossen am 18.8.2015 einen schriftlichen Dienstvertrag in Form eines Ausbildungsvertrags zum Zwecke der Ausbildung der Kl zur Ordinationsgehilfin, der auch von der Mutter der Kl als gesetzliche Vertreterin unterschrieben wurde. Der Vertrag unterlag dem KollV für „Angestellte bei Zahnärzten“. Am 18.11.2015 trafen die Streitteile eine schriftliche Rückzahlungsvereinbarung, die von der Kl und ihrer Mutter unterfertigt wurde. Die Kl verpflichtete sich darin zur aktiven Teilnahme am Lehrgang für geprüfte zahnärztliche AssistentInnen (anerkannter Fachkurs) und erklärte sich bereit, die dadurch zusätzlich erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten dem Betrieb zur Verfügung zu 18stellen. Vereinbart war weiters, dass die DG die entsprechenden Kurskosten in der Erwartung übernimmt, dass das Dienstverhältnis nach erfolgreicher Beendigung des Lehrgangs für geprüfte zahnärztliche AssistentInnen zumindest drei Jahre fortgesetzt wird. Für den Fall, dass die DN vor Ablauf der Frist das Dienstverhältnis selbst kündigt, berechtigt entlassen wird oder unberechtigt vorzeitig austritt, verpflichtete sie sich dazu, die von der DG aufgewendeten Kurskosten zurückzuzahlen. Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Vereinbarung wurde nicht eingeholt. Die Kl bezog ab dem Beginn des Dienstverhältnisses das dem jeweiligen Ausbildungsjahr entsprechende kollektivvertragliche Mindest-Bruttogehalt. Von September 2016 bis Juli 2018 absolvierte sie den Lehrgang für geprüfte zahnärztliche AssistentInnen der Ärztekammer. Die Kosten des Lehrgangs trug die Bekl. Mit Schreiben vom 30.8.2018 kündigte die Kl das Dienstverhältnis per 30.9.2018. Mit Schreiben vom 19.11.2018 forderte die Bekl die Kl zur Rückzahlung der Ausbildungskosten auf. Die Kl zahlte diesen Betrag am 21.11.2018 an die Bekl. Mit ihrer am 4.6.2020 eingebrachten Klage begehrte sie von den Bekl die Rückzahlung.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab der Klage statt. Zwar bedürfe eine vom gesetzlichen Vertreter genehmigte Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz aufgrund des Wortlauts des § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG und der damit verbundenen klaren Intention des Gesetzgebers keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und wäre damit wirksam. Aufgrund der Ähnlichkeit des Ausbildungsverhältnisses der Kl zur Ordinationshilfe mit einem Lehrverhältnis nach dem BAG seien dessen Grundsätze für den Rückersatz von Ausbildungskosten aber analog anzuwenden. Aus dem Ausbildungscharakter eines Lehrverhältnisses resultiere die Unzulässigkeit einer Ausbildungskostenrückersatzklausel. Der Anspruch des Lehrlings auf Lehrlingsentschädigung sei unabdingbar. Eine Schmälerung des kollektivvertraglichen Entgeltanspruchs der Kl durch die mit der Rückzahlungsverpflichtung vorgenommene Überwälzung der Ausbildungskosten auf die Kl sei daher unzulässig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge, weil – zusammengefasst – die Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung zu ihrer Wirksamkeit gem § 167 Abs 3 ABGB (außerordentlicher Wirtschaftsbetrieb) schon einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte. Die Revision sei zur Auslegung des § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG, insb, ob dadurch Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen mit Minderjährigen jedenfalls nicht der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfen, zulässig.

Der OGH bestätigte die E des Erstgerichts und gab der Revision nicht Folge.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…]

7. […] Vor In-Kraft-Treten (18.3.2006) der Regelung des § 2d AVRAG über den Ausbildungskostenrückersatz entsprach es der Rechtsprechung, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb eines/r Minderjährigen zu zählen war, weshalb eine solche Rückzahlungsverpflichtung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte. Mangels pflegschaftsbehördlicher Genehmigung wurde die Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 865 ABGB als ungültig erachtet (RS0048067). […]

Klarer Wille des Gesetzgebers war daher, dass mit § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG von den Erfordernissen des § 167 Abs 3 ABGB, insbesondere einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung, Abstand genommen werden sollte. Das entspricht auch der Erwägung (oben 6.), dass die Norm dann, wenn die Pflicht zur gerichtlichen Genehmigungspflicht nicht ausgeschlossen werden sollte, keinen eigenständigen Sinn ergäbe, weil sie sich erübrigt hätte. […]

10. Auch die vorliegende Rückersatzvereinbarung bedurfte damit unabhängig von der Frage, ob sie eine nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehörige Vermögensangelegenheit ist, keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. […]

11. Das Erstgericht hat für diesen Fall seine Beurteilung auch auf eine (analoge) Anwendung des BAG gestützt. […]

Gemäß § 9 Abs 1 BAG trifft den Lehrberechtigten eine Ausbildungspflicht. Aus dieser leitet die Lehre vor dem Hintergrund des besonderen Ausbildungscharakters eines Lehrverhältnisses die Unzulässigkeit einer Ausbildungskostenrückersatzklausel ab (Preiss/Spitzl in ZellKomm3 BAG § 12 Rz 33; Resch, RdW 2006, 158, 159 mwN; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 31). […]

13. Die Ausbildung in der zahnärztlichen Assistenz ist in § 81 ZahnärzteG (ZÄG) geregelt. Dessen Abs 1 sieht nicht den Abschluss eines als solchen zu bezeichnenden Lehrvertrags, sondern vor, dass die Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem/einer Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs oder Facharzt/Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Z 1) und anderen (s Z 2 bis Z 4) erfolgt. […]

14. […] Die Ausbildungszeit für zahnärztliche AssistentInnen beträgt drei Jahre und beinhaltet nach dem dualen System eine praktische Ausbildung durch die Beschäftigung als Auszubildende bei einem Zahnarzt, Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde oder Dentisten oder an einer zahnärztlichen Universitätsklinik und eine theoretische Ausbildung in einem in Anhang I des KV angeführten Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz, der mit einer positiven Prüfung abzuschließen ist (s § 8 Abs 2 KV). § 8 Abs 3 KV enthält Mindestgehälter für die zahnärztliche AssistentInnen in Ausbildung für das erste, zweite und dritte Ausbildungsjahr, die jeweils einen Bruchteil des Mindestgehalts für das erste Berufsjahr (1.400 EUR) betragen. Auch der he19rabgesetzte Mindest-Entgeltanspruch bringt damit – nicht anders als bei einem Lehrverhältnis – zum Ausdruck, dass in dieser Vertragsphase weniger die Dienstleistung der Auszubildenden im Sinn eines synallagmatischen Leistungsaustausches als vielmehr der Ausbildungscharakter des Vertragsverhältnisses im Vordergrund steht.

15. Derartiges trifft auch hier zu. […]

17. Im Ergebnis bestand für die von der Klägerin geleistete Rückzahlung an die Beklagten damit kein gültiger Rechtsgrund: Die von ihr als Minderjährige abgeschlossene Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz unterlag zwar nicht den Anforderungen des § 167 Abs 3 ABGB. Da das Dienstverhältnis der Klägerin jedoch den Charakter eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz hatte, im Rahmen dessen sie die gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolvierte und zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt entlohnt wurde, kommt eine Rückforderung der von den Beklagten aufgewendeten Lehrgangskosten nicht als Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung in Betracht. Die Klägerin begehrt die Rückforderung ihrer Zahlung zu Recht. […]“

ERLÄUTERUNG

Gem § 2d AVRAG sind Ausbildungskosten die vom AG tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die der/dem AN Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die diese/r auch bei anderen AG verwerten kann. Voraussetzung für eine Rückerstattung ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen AG und AN.

Eine Verpflichtung zur Rückerstattung von Ausbildungskosten besteht ua insb dann nicht, wenn die/der AN im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung minderjährig ist und nicht die Zustimmung des/der gesetzlichen Vertreters/Vertreterin dazu vorliegt.

Vor dem In-Kraft-Treten der Regelung des § 2d AVRAG über den Ausbildungskostenrückersatz wurden derartige Vereinbarungen (über den Ausbildungskostenrückersatz) gem § 865 ABGB (Geschäftsfähigkeit) iZm § 167 Abs 3 ABGB beurteilt.

Nach § 167 Abs 3 bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils und der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb eines/r Minderjährigen gehört.

Es entsprach der Rsp, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb eines/r Minderjährigen gehört, weshalb eine solche Rückzahlungsverpflichtung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf und, dass mangels pflegschaftsbehördlicher Genehmigung, die Rückzahlungsverpflichtung gem § 865 ABGB als ungültig zu erachten ist.

Mit In-Kraft-Treten der Regelung des § 2d AVRAG sollte von den Erfordernissen des § 167 Abs 3 ABGB, insb einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung, Abstand genommen werden. Das bestätigte nunmehr auch der OGH mit der vorliegenden E. Andernfalls ergäbe die Regelung des § 2d AVRAG keinen eigenständigen Sinn, die unmissverständlich klarstellt, dass die Zustimmung der/des gesetzlichen Vertreterin/Vertreters ausreicht.

Im gegenständlichen Fall bestand zwar eine Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz, die den Rechtswirksamkeitserfordernissen des § 2d AVRAG genügt hätte, da die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin vorlag, allerdings hatte das Dienstverhältnis der Kl den Charakter eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz, im Rahmen dessen sie die gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolvierte und zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt entlohnt wurde. Daher bestätigte der OGH die Ansicht des Erstgerichts, dass eine Rückforderung der von den Bekl aufgewendeten Lehrgangskosten nicht als Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung in Betracht kommt und die Kl die Rückforderung ihrer Zahlung zu Recht begehrte.

Zu dieser Erkenntnis gelangte der OGH durch eine analoge Anwendung des Berufsausbildungsgesetzes, wonach gem § 9 Abs 1 BAG den Lehrberechtigten eine Ausbildungspflicht trifft. Daraus hatte die Lehre vor dem Hintergrund des besonderen Ausbildungscharakters eines Lehrverhältnisses bisher schon die Unzulässigkeit einer Ausbildungskostenrückersatzklausel abgeleitet (Preiss/Spitzl in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 BAG § 12 Rz 33; Reissner in ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 31; Resch, RdW 2006, 158, 159 mwN). Der OGH bestätigte dies nunmehr mit der vorliegenden E erstmals ausdrücklich.

In seiner E vom 29.3.2001, 8 ObA 224/00z, hat der OGH zwar bereits ausgesprochen, dass der Zahnarzt auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet ist, der zahnärztlichen Assistenz in Ausbildung die Kosten der vorgesehenen theoretischen Ausbildung eines anerkannten Fachkurses zu ersetzen. Nun kann aus der gegenständlichen E aber darüber hinaus die Erkenntnis abgeleitet werden, dass es bei der Ausbildung zur zahnärztlichen Assistentin auch keine Wirksamkeit der Vereinbarung eines Ausbildungskostenrückersatzes geben kann, sofern die Ausbildung den Charakter eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz hat. 20