53Ein irrtümlich als „Einvernehmliche Lösung“ betiteltes Schreiben ändert nichts an der erfolgten Kündigung
Ein irrtümlich als „Einvernehmliche Lösung“ betiteltes Schreiben ändert nichts an der erfolgten Kündigung
Die Kl war mehr als 20 Jahre bei der Bekl beschäftigt. Bereits vor Antritt der mit der Bekl vereinbarten Bildungskarenz im Jahr 2019 kündigte die Kl das Arbeitsverhältnis zum 1.11.2020 auf. Im Zuge dessen wurden im Sommer 2019 die „Personalpapiere“ auf den 2.9.2020 vordatiert und von der damaligen Personalabteilungsleiterin sowie der unmittelbaren Vorgesetzen der Kl unterfertigt. Darunter befand sich auch ein Schreiben, mit dem ausdrücklich die „mündlich ausgesprochene Kündigung“ der Kl zum 1.11.2020 bestätigt wurde.
Im Oktober 2020 wandte sich die Kl an das Personalbüro der Bekl, weil sie statt der im Sommer 2019 auf 2.9.2020 vordatierten Personalpapiere „aktualisierte Unterlagen“ wünschte, die von den zum 2.9.2020 tatsächlich für die Bekl vertretungsbefugten Organen unterschrieben waren. Nachdem die Kl ein Dienstzeugnis erhalten hatte, das zu dem bereits 2019 übergebenen Zeugnis textident, aber vom neuen Leiter der Personalabteilung bzw ihrer unmittelbaren Vorgesetzen unterzeichnet war, erkundigte sich die Kl ausdrücklich „bezüglich der Kündigung“. Daraufhin wurde ihr ebenfalls im Oktober 2020 von der Personalabteilung ein mit „Einvernehmliche Lösung“ betiteltes Schreiben übermittelt.
Aus dem ihr übermittelten Schreiben leitete die Kl in weiterer Folge mit der eingebrachten Klage eine – einem Abfertigungsanspruch nicht hinderliche – einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ab.
Das Berufsgericht folgte der einredeweise geltend gemachten Irrtumsanfechtung ua mit der Begründung, dass die Kl zumindest den Verdacht haben hätte müssen, dass ihr mit dem im Oktober 2020 von der Personalabteilung übermittelten und mit „Einvernehmliche Lösung“ betitelten Schreiben kein von der Bekl gewolltes Anbot auf Abänderung des Auflösungsgrundes von einer AN-Kündigung in eine einvernehmliche Lösung unterbreitet wurde.
Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts an den OGH gerichtete außerordentliche Revision der Kl wurde mangels Vorliegens der Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückgewiesen.
Der OGH vertritt die Rechtsansicht, dass ein Irrtum offenbar auffallen muss, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen. Ob dem Vertragspartner, der dem anderen Teil unterlaufene Irrtum auffallen musste, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen.
Ergänzend hielt der OGH fest, wonach diesbezüglich darauf zu verweisen ist, dass dann, wenn die Parteien eine mündliche „Vereinbarung“ bloß schriftlich festlegen und hierbei durch einen Fehler vom wirklich Vereinbarten abgewichen wurde, nicht das Beurkundete gilt, sondern das, was tatsächlich vereinbart wurde. Wenn die Parteien nichts anderes wollen und erklären als die Absicht, das schriftlich festzuhalten, was sie vereinbart haben, lässt sich eine Änderung der Rechtslage unter keinen Umständen auf den Parteiwillen stützen. Nicht anderes gilt im gegenständlichen Fall, in dem insb auch das Bestätigungsschreiben „bezüglich der Kündigung“ nur mit den Unterschriften der zum Ende der Bildungskarenz der Kl tatsächlichen Vertreter der Bekl versehen werden sollte, weshalb aus all diesen Gründen die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen war.