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Kritische Haltung zu COVID-19-Bestimmungen ist keine Weltanschauung iSd Gleichbehandlungsgesetzes

ADMIRBAJRIC

Die Kl focht die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Begründung an, dass die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auf Grund der Weltanschauung verboten sei.

Der Schwerpunkt des erstinstanzlichen Vorbringens der Kl lag vor allem auf dem Versuch, das Gericht davon zu überzeugen, dass „das Coronavirus ungefähr so gefährlich sei wie das Influenzavirus“. Die Kl pochte weiters darauf, dass der VfGH bereits 22 Gesetzes- oder Verordnungsstellen im Zusammenhang mit COVID-19 aufgehoben habe. Darauf aufbauend meinte sie schließlich, dass sie die Weltanschauung habe, „dass Verfassungsgesetze eingehalten werden sollten und sie nicht aufgrund der Sorge um ihre körperliche Gesundheit aus dem Dienstverhältnis entfernt werden sollten“. Trotz Einwandes der Bekl, dass es sich dabei um keine Weltanschauung handle, wurde von der Kl kein weiteres Vorbringen mehr erstattet.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass sich aus der Aussage der Kl keine Weltanschauung, sondern lediglich allfällige Sachargumente zum (bzw gegen das) „Maskentragen“ ergeben hätten. Das Berufungsgericht bestätigte die Erstentscheidung. Die außerordentliche Revision wurde vom OGH zurückgewiesen.

Der OGH hat bereits zu 9ObA122/07t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 122/07t vom 4.2.2009 darauf hingewiesen, dass die Gesetzesmaterialien zur Umsetzung der RL 2000/78/EG im B-GlBG betonen, dass der Begriff „Weltanschauung“, der eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden ist, als Sammelbezeichnung für alle ideologischen, politischen und ähnlichen Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis dient. Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Sofern Weltanschauungen Vollständigkeit anstreben, gehören dazu Menschen- und Weltbilder, Wert-, Lebens- und Moralanschauungen. Ähnliche Ausführungen 152finden sich auch in den Materialien zur Umsetzung der RL 2000/78/EG bezüglich des Diskriminierungsgrundes der Weltanschauung im Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft.

Diesem Verständnis von der Weltanschauung folgte der OGH auch in den Entscheidungen zu 9ObA42/15i&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 42/15i vom 28.5.2015 und 6Ob38/17g&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">6 Ob 38/17g vom 29.3.2017. Dabei betonte er, dass kritische Auffassungen eines AN über die derzeitige Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich keine Weltanschauung sind (9ObA122/07t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 122/07t). Allfällige punktuelle Kritik eines AN an personellen Missständen oder die Führung eines Gerichtsprozesses gegen den AG begründen ebenfalls noch keine bestimmte Weltanschauung (9ObA42/15i&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">9 ObA 42/15i). Auch dass es sich bei einer Prozesspartei, die geltend macht, bei der Überlassung eines Veranstaltungslokals diskriminiert worden zu sein, um eine Burschenschaft handelt, ergibt in Anbetracht sehr unterschiedlich ausgerichteter Studentenverbindungen noch keine bestimmte Weltanschauung (6Ob38/17g&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">6 Ob 38/17g).

Es ist Sache der Partei, die sich auf eine Diskriminierung wegen Weltanschauung stützt, ein entsprechendes substanziiertes Vorbringen zu erstatten, um dem Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob es sich tatsächlich um eine Weltanschauung iSd Gesetzes handelt (6Ob38/17g&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">6 Ob 38/17g). Ein derartiges Vorbringen blieb die Kl hier allerdings trotz ausdrücklichen Einwandes der Bekl und trotz gerichtlicher Erörterung schuldig. Wenn sie sich in erster Instanz nur darauf berief, dass Verfassungsgesetze eingehalten werden sollen, dann ist dem beizupflichten. Auch die Sorge der Kl um die eigene Gesundheit ist sehr gut nachvollziehbar. Mit einer Weltanschauung im oben beschriebenen Sinn hat dieses Vorbringen aber nichts zu tun. Auf den gleichlautenden Einwand der Bekl reagierte die Kl nicht und erläuterte auch trotz Erörterung des Erstgerichts nicht, weshalb sie meint, es würde sich dabei um eine Weltanschauung iSd Diskriminierungsrechts handeln. Mangels Darlegung einer für die Kündigung kausalen Leitauffassung der Kl „vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen“ konnte auch nicht geprüft werden, inwieweit eine solche Leitauffassung Motiv der gegenständlichen AG-Kündigung gewesen sein soll.