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Kein Verfall von Mehrarbeit laut Kollektivvertrag für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe

LYNNROTHFISCHER
Pkt 6 lit c des KollV für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe

Der Kl war im Hotel der Bekl von 2.9.2019 bis 15.5.2020 als Nachtportier angestellt. Auf das Dienstverhältnis war der KollV für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe anzuwenden.

Mit Klage vom 23.11.2020 begehrte der Kl die Abgeltung diverser Mehrarbeitsstunden aus September sowie im Oktober 2019.

Die Bekl hielt den Verfall entgegen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren lediglich hinsichtlich jener Mehrarbeitsstunden statt, die der Kl bereits am 2.11.2019 sowie 31.3.2020 bei der AG geltend gemacht hatte. Der Rest sei nach Pkt 6 lit c KollV, wonach Gehaltsansprüche innerhalb von vier Monaten nach Fälligkeit gegenüber dem AG schriftlich geltend zu machen sind, verfallen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl gegen den klagsabweisenden Teil nicht Folge. Unter den in Pkt 6 lit c KollV genannten Begriff „Gehaltsansprüche“ fielen auch Entgeltansprüche für Mehrarbeitsstunden.

Der OGH gab der außerordentlichen Revision des Kl Folge:

Die Rsp definiert das „eigentliche Gehalt“ als Teil des weit auszulegenden Begriffs des „Entgelts“. Der Begriff des „Gehalts“ wird daher – im Allgemeinen – eng iS eines Grundgehalts ohne jede Zulage verstanden. Das Entgelt für Mehrarbeitsstunden fällt nicht unter den engen Begriff des „Gehalts“.

Zur Verfallsbestimmung Pkt 6 lit c des KollV für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe weist der Revisionswerber zutreffend darauf hin, dass sich diese nach stRsp des OGH nur auf das in diesem Punkt geregelte laufende Monatsgehalt bezieht, also etwa nicht auf die in einem anderen Punkt des KollV geregelte, nicht als „Gehaltsanspruch“ bezeichnete Jahresremuneration. Die Verfallsfrist beginnt mit der Fälligkeit des Gehaltsanspruchs zu laufen.

Auch die vom Kl geleisteten, jeweils am Ende des Kalendervierteljahres zuschlagspflichtigen Mehrarbeitsstunden (vgl § 19d Abs 3b Z 1 AZG) fallen nicht unter den in Pkt 6 lit c KollV verwendeten Begriff „Gehaltsansprüche“, weil das erst am Ende eines jeden Kalendervierteljahres fällige Entgelt für Mehrarbeitsstunden nicht dem laufenden Monatsgehalt zuzuordnen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Kollektivvertragsparteien beabsichtigten, dem Begriff „Gehaltsansprüche“ einen vom allgemeinen arbeitsrechtlichen Verständnis abweichenden Begriffsinhalt zu geben, bieten auch die Überlegungen des Berufungsgerichts zum systematischen Zusammenhang zwischen Pkt 6 lit b KollV und Pkt 6 lit c KollV nicht. Pkt 6 KollV enthält, wie schon dessen Überschrift erhellt, allgemeine Bestimmungen, die ganz unterschiedliche Regelungen zum Gegenstand haben. So beschäftigt sich Pkt 6 lit b KollV im Wesentlichen mit dem erforderlichen Inhalt der dem Angestellten bei der Gehaltsauszahlung auszuhändigenden Gehaltsabrechnung, der Text gibt aber keine besonderen Hinweise zum Verständnis der Kollektivvertragsparteien über den in Pkt 6 lit c KollV verwendeten Begriff „Gehaltsansprüche“.

Diese vom Wortlaut getragene Kollektivvertragsauslegung führt somit im Ergebnis dazu, dass zwar für den Anspruch der Kl auf Überstundenentlohnung eine viermonatige Verfallsfrist gilt (vgl Pkt 5 lit f KollV) und für „Gehaltsansprüche“ (vgl Pkt 6 lit c KollV) eine sechsmonatige, für den Anspruch auf Abgeltung von Mehrarbeitsstunden hingegen keine.

Die Entgeltansprüche für die vom Kl geleisteten Mehrarbeitsstunden in den Monaten September und Oktober 2019 sind daher zufolge Klagseinbringung innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist nicht verfallen.157