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Bemessung des Kurzarbeitsentgelts bei konkludenter All-In-Vereinbarung

GREGORKALTSCHMID
Sozialpartnervereinbarung-Einzelvereinbarung zur Corona-Kurzarbeit (Formularversion 6.0) Pkte IV.4.c, VI.3. Abs 3

Der Bemessung des Kurzarbeitsentgelts liegt nach Pkt IV.4.c der Kurzarbeitsvereinbarung das statische Bezugsprinzip zugrunde, während Pkt VI.3. Abs 3 die Berechnung während des Krankenstands oder einer Dienstfreistellung nach dem Ausfallprinzip anordnet.

Eine Herausrechnung von Überstundenanteilen hat bei der Berechnung des Kurzarbeitsentgelts bei einem pauschalen All-In-Entgelt nicht stattzufinden.

SACHVERHALT

Der Kl war bei der Bekl ab 4.2.2019 als Techniker beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung. Mit Wirksamkeitsbeginn September 2019 schlossen die Streitteile als Zusatz zum Dienstvertrag für einen Auslandseinsatz eine „Nettolohnvereinbarung“ über monatlich € 6.300,- ab. Nach dem Inhalt der Vereinbarung sollten in diesem 158Nettolohn sämtliche Mehr- und Überstunden, alle im Zuge der Tätigkeit anfallenden Zulagen und Zuschläge inklusive Wochenendarbeit und Entgelt für Rufbereitschaft inkludiert sein.

Der Kl war als überlassener AN bis 13.3.2020 in Tschechien im Einsatz. Wegen einer Erkrankung kehrte er in Absprache mit dem Beschäftiger nach Hause zurück. Vom 1.3. bis 31.5.2020 wurde der Kl mit seinem Einverständnis zur Kurzarbeit auf Grundlage der „Sozialpartnervereinbarung-Einzelvereinbarung zur Corona-Kurzarbeit“ (Formularversion 6.0) und des „Side-Letter für Zeitarbeitsbetriebe zur Sozialpartnervereinbarung Corona-Kurzarbeit in Umsetzung der Bundesrichtlinie Kurzarbeitsbeihilfe (KUA-COVID-19)“ angemeldet. Am 28.5.2020 vereinbarten die Streitteile die nahtlose Verlängerung der Kurzarbeit bis 31.8.2021. Mit Schreiben vom 12.6.2020 wurde der Kl zum 26.6.2020 gekündigt.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

In seiner Klage begehrt der Kl ua Differenzen an Lohn, das Kurzarbeitsgeld sei unrichtig berechnet worden.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass das Begehren auf Zahlung von € 12.277,78 und € 4.133,22 brutto sA dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Der Bemessung des Kurzarbeitsentgelts liege nach Pkt IV.4.c der Kurzarbeitsvereinbarung das statische Bezugsprinzip zugrunde, während Pkt VI.3. Abs 3 die Berechnung während des Krankenstands oder einer Dienstfreistellung nach dem Ausfallprinzip anordne. Es komme daher für das Kurzarbeitsentgelt nicht darauf an, ob die Nettolohnvereinbarung der Streitteile nur für die Dauer des Auslandseinsatzes des Kl gelten sollte. Eine Herausrechnung von Überstundenanteilen habe bei einem pauschalen All-In-Entgelt nicht stattzufinden.

Zwischen den Streitteilen sei nicht der Grund des Anspruchs an sich, sondern nur die Berechnungsmethode des Kurzarbeitsentgelts strittig. Die erstgerichtliche Entscheidung sei daher in teilweiser Abweichung vom Klagebegehren mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Berechnung des Kurzarbeitsentgelts die Nettolohnvereinbarung zugrunde zu legen sei.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Auslegung der Sozialpartnervereinbarung-Einzelvereinbarung zur Corona-Kurzarbeit im Hinblick auf die Berechnung des Kurzarbeitsentgelts über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

Der OGH wies mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO beide Revisionen zurück.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…]

2. Die Revision der Beklagten wendet sich gegen die Rechtsansicht, dass die zwischen den Streitteilen abgeschlossene Nettolohnvereinbarung als „All-Inclusive-Vereinbarung“ zu interpretieren sei. Bei der Bemessungsgrundlage für das Kurzarbeitsentgelt seien Überstundenentgelt und widerrufliche Überstundenpauschalen, unabhängig davon ob sie tatsächlich widerrufen wurden, nicht einzubeziehen. Der Grundstundenanteil ergebe sich im Fall des Klägers aus dem Dienstvertrag, der darüber hinausgehende vereinbarte Nettolohn sei daher wie eine Überstundenpauschale zu behandeln.

2.1. Mit diesen Ausführungen wird die Auslegung eines bestimmten Vertrags angesprochen, der typischerweise keine über die Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zukommt, sofern die Beurteilung der Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang steht […].

Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern das Berufungsgericht bei der Beurteilung des konkreten Vertragsinhalts von den Grundsätzen der Rechtsprechung abgegangen wäre. Allein die Möglichkeit, dass auch eine andere Auslegung denkbar wäre, würde die Revisionszulässigkeit nicht begründen […]. Entgegen dem Standpunkt der Revision kann der Umstand, dass aufgrund des Dienstvertrags ein Grundgehalt ermittelt werden könnte, das dem Kläger ohne den Abschluss der späteren Nettolohnvereinbarung gebührt hätte, schon deswegen nicht zu dem Ergebnis führen, dass die darüber hinausgehenden Nettobeträge als Überstundenanteile zu werten wären, weil nach dem Wortlaut der Vereinbarung auch alle im Zuge der Tätigkeit anfallenden Zulagen und Zuschläge inklusive Wochenendarbeit und Entgelt für Rufbereitschaft im Pauschalentgelt enthalten sind.

Die hier vorliegende Befristung der pauschalen Entgeltvereinbarung auf die Dauer einer bestimmten Entsendung darf nicht mit der Zulässigkeit eines Teilwiderrufs (der dann während der Entsendung möglich wäre) verwechselt werden.

2.2. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Nettolohnvereinbarung der Streitteile keine „Widmung“ eines abgrenzbaren Teils als Entgelt für Überstunden entnommen werden kann, ist im Wortlaut gedeckt und stellt keine im Sinn des § 502 ZPO aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Der Umstand, dass sich durch die gewählte All-In-Pauschalierung ein höheres Kurzarbeitsentgelt für den Kläger ergibt als es bei einer anderen, ebenfalls zulässigen Gestaltung der Fall gewesen wäre, begründet keine „planwidrige Lücke“ der Sozialpartner-Vereinbarung.“159

ERLÄUTERUNG

In dieser Entscheidung ist es zusammengefasst darum gegangen, welche Gehaltsbestandteile als Bemessungsgrundlage für das Kurzarbeitsentgelt heranzuziehen sind. Im Konkreten war strittig, ob die in der getroffenen Nettolohnvereinbarung enthaltenen Überstunden zur Bemessungsgrundlage zählen oder nicht. Der OGH ging von einer All-In-Vereinbarung aus und sah daher den gesamten vereinbarten Nettobetrag als Bemessungsgrundlage an.

Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, die Entscheidung des OGH auf andere Rechtsbereiche umzulegen, in denen auch noch keine Judikatur vorliegt, wie bei Arbeitszeitreduktionen mit vorher vereinbarten All-In-Vereinbarungen umzugehen ist.

Beispielsweise fehlt für den Bereich der Elternteilzeit einschlägige Judikatur. Die bisherige Judikatur regelt lediglich die Behandlung von Überstundenpauschalen. Diese ruhen während der Elternteilzeit, weil AN in diesem Zeitraum nicht zu Mehr-/Überstunden verpflichtet werden dürfen. Dies hat der OGH in 9 ObA 30/15z vom 24.6.2015 klargestellt. Die Behandlung von All-In-Vereinbarungen ist in dieser Entscheidung aber offengeblieben. In der Literatur werden dazu unterschiedliche Auffassungen vertreten (zB Peschek, Anpassung von All-in-Vereinbarungen in der Eltern-Teilzeit, ecolex 2014, 985 f; Morgenstern, All-in-Vereinbarungen und Elternteilzeit, PV-Info 3/2015, 9; Holzinger, Zur Anpassung des All-In-Gehalts in der Elternteilzeit, DRdA-infas 2021, 51).

Vorliegende Entscheidung ist mE leider nicht geeignet, das Ergebnis auf die Behandlung von All-In-Vereinbarungen bei einer Elternteilzeit umzulegen, dies aus folgenden Gründen:

In gegenständlicher Sozialpartnervereinbarung ist in der maßgeblichen Bestimmung explizit angeordnet, dass bei All-In-Vereinbarungen das gesamte vereinbarte Entgelt als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kurzarbeitsunterstützung heranzuziehen ist. Im vorliegenden Fall bedurfte es wahrscheinlich nur deshalb der Entscheidung des OGH, weil die Parteien die abgeschlossene Nettolohnvereinbarung nicht als All-In-Vereinbarung bezeichnet hatten.

Im Endeffekt wurde also in dieser Entscheidung nur klargestellt, dass die Nettolohnvereinbarung eine All-In-Vereinbarung war. Dass bei einer All-In-Vereinbarung das gesamte Entgelt als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, regelt schon die Sozialpartnervereinbarung. Eine entsprechende Rechtsgrundlage fehlt jedoch für den Bereich der Elternteilzeit.

Außerdem können in Kurzarbeit befindliche AN im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu Mehr-/Überstunden verpflichtet werden. Die Kurzarbeit begründet ja keinen Anspruch von AN, weniger zu arbeiten. Die Elternteilzeit dient hingegen gerade dazu, dass AN die Kindesbetreuung besser mit den beruflichen Verpflichtungen vereinbaren können. Eine Verpflichtung zu Mehr-/Überstunden ist ausgeschlossen.

ME ist daher die Rechtsfrage, wie mit All-In-Vereinbarungen im Rahmen von Elternteilzeit umzugehen ist, weiterhin ungelöst.