71Konkurrenzklausel: Keine Identität des Streitgegenstandes bei Wettbewerbsverstößen mit unterschiedlichen Kunden und in unterschiedlichen Zeiträumen
Konkurrenzklausel: Keine Identität des Streitgegenstandes bei Wettbewerbsverstößen mit unterschiedlichen Kunden und in unterschiedlichen Zeiträumen
Der Kl betreibt den Handel mit und die Überprüfung von Brandschutzprodukten. Der Bekl war vom 1.3.1999 bis 30.6.2017 als Servicetechniker unselbständig beim Kl beschäftigt. Als solcher betreute er mehrere hundert ihm vom Kl zugewiesene Kunden, vor allem servicierte und wartete er Feuerlöscher.
Am 6.9.2013 unterzeichneten die Parteien eine „Zusatzvereinbarung zum Dienstvertrag“, mit der sich der Bekl dazu verpflichtete, auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses Geschäfts- und/oder Betriebsgeheimnisse sowie betriebswirtschaftliche Angelegenheiten vertraulich und geheim zu halten und ausschließlich für Zwecke des DG zu verwerten.
Nach Beendigung des Dienstverhältnisses zum Kl war der Bekl eine Zeit lang als selbständiger Servicetechniker für Brandschutzanlagen tätig. Seit Dezember 2018 führt er als unselbständiger Servicetechniker für ein Drittunternehmen im Wesentlichen dieselbe Tätigkeit wie im Unternehmen des Kl aus. Er betreut für seinen neuen DG auch Kunden, die er zuvor schon für den Kl betreut hat.
Bereits am 8.11.2017 brachte der Kl in einem Vorverfahren eine auf Unterlassung und Beseitigung gerichtete Klage gegen den Bekl ein, weil dieser unter Verstoß gegen die vereinbarte Geheimhaltungspflicht ständig vom Kl betreute Kunden abgeworben und mit diesen im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit eine Geschäftsbeziehung begründet habe. Mit Urteil des OLG Wien vom 31.5.2021 wurde der Bekl ua verpflichtet, „es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ab 19.1.2019 bei sonstiger Exekution zu unterlassen, sämtliche Kundendaten der klagenden Partei bestehend aus Namen, Telefonnummer, Email-Adressen, Postadressen und sonstigen Kontaktdaten der Kunden der klagenden Partei, die der beklagten Partei während und durch ihre Tätigkeit bei der klagenden Partei zur Kenntnis gelangt sind, sowie ihre Kenntnis über bevorstehende Kundentermine und Preislisten der klagenden Partei auf welche Art auch immer zur Abwerbung von Kunden der klagenden Partei zu verwenden bzw zu verwerten“.
Mit der am 30.9.2019 im Anlassverfahren eingebrachten Klage begehrte der Kl, dem Bekl zu verbieten, sämtliche Kundendaten des Kl, bestehend aus Namen, Telefonnummer, E-Mail-Adressen, Postadressen und sonstigen Kontaktdaten der Kunden des Kl, die dem Bekl während und durch seine Tätigkeit beim Kl zur Kenntnis gelangt sind, sowie seine während und durch seine Tätigkeit beim Kl erlangte Kenntnis über bevorstehende Kundentermine, den Bedarf der Kunden des Kl an Brandschutzdienstleistungen und die Preislisten des Kl auf welche Art auch immer zur Abwerbung von Kunden des Kl zugunsten seines neuen AG oder anderer Personen zu verwenden bzw zu verwerten. Dazu brachte er vor, er habe erstmals im April 2019 davon erfahren, dass der Bekl unter Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Geheimhaltungsklausel (auch) Kunden des Kl für seinen neuen AG abwerbe.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Ein Verstoß des Bekl gegen die Geheimhaltungsvereinbarung habe nicht festgestellt werden können.
Aus Anlass der Berufung des Kl hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil und das der Urteilsfällung vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es liege eine abschließende, rechtskräftige Entscheidung im Vorverfahren über die – in beiden Verfahren nahezu wortgleiche – Unterlassungsverpflichtung des Bekl hinsichtlich des Abwerbens von Kunden des Kl vor. Auch das Vorbringen sei im Wesentlichen deckungsgleich. Die im Vorverfahren ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung sei nicht auf das Abwerben von Kunden zugunsten der selbständigen Tätigkeit des Kl beschränkt. Das nunmehr erhobene Unterlassungsbegehren sei daher bereits durch das mittlerweile rechtskräftige Urteil im Vorverfahren erledigt. Einer neuerlichen Entscheidung über dieselbe Unterlassungsverpflichtung des Bekl stehe das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache entgegen; vor Rechtskraft der Entscheidung des OLG Wien im Vorverfahren sei Streitanhängigkeit vorgelegen. Da dieses Prozesshindernis übersehen worden sei, liege ein Nichtigkeitsgrund vor.
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs des Kl wurde allerdings vom OGH für zulässig und iSd Aufhebungsantrags auch berechtigt erkannt. Der angefochtene Beschluss wurde aufgehoben und das Berufungsgericht wird über die Berufung des Kl zu entscheiden haben, ohne vom Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache auszugehen.
In seiner Begründung führte der Gerichtshof aus: Die Zurückweisung einer Klage wegen Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft setzt nach der Rsp die Identität der Parteien und der Ansprüche im Folgeprozess sowie im rechtskräftig entschiedenen Vorprozess voraus. Ob idente Ansprüche vorliegen, ist nach den Streitgegenständen der beiden Verfahren zu beurteilen. Die Streitanhängigkeit ist dort ausgeschlossen, wo die Identität der rechtserzeugen162den Tatsachen nur eine teilweise ist, also beim weiteren Anspruch zu dem im ersten Antrag vorgebrachten Tatsachen weitere rechtserzeugende Tatsachen behauptet werden. Weist das Begehren im Anlassverfahren gegenüber jenem im rechtskräftig entschiedenen Vorverfahren nur eine Einschränkung, sonst aber denselben Inhalt auf, und sind dementsprechend die entscheidungserheblichen Tatsachen ident, so greift die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft ein. Eine bloße Präzisierung der Tatsachenbehauptungen innerhalb des rechtserzeugenden Sachverhalts führt zu keiner Erweiterung bzw Ergänzung dieses Sachverhalts und zu keiner Änderung des Streitgegenstands.
Bei Unterlassungsansprüchen verneint der OGH in stRsp die Streitanhängigkeit, wenn der vom Kl im Vorprozess erhobene Unterlassungsanspruch aus einem anderen Gesetzesverstoß abgeleitet wird als das später gestellte zweite Unterlassungsbegehren und es daher – ungeachtet des gleichlautenden Urteilsantrags – an der notwendigen Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts mangelt. Zu fragen ist immer, ob das im ersten Verfahren bereits erwirkte Gebot einen tauglichen Exekutionstitel zur Abstellung auch des gesamten im zweiten Verfahren behaupteten Verhaltens bildet.
Der Kl berief sich schon im erstinstanzlichen Verfahren darauf, dass die Kunden, die der Bekl im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit ab 1.7.2017 abgeworben habe, nicht ident mit jenen Kunden seien, die dieser – wovon der Kl erst im April 2019 Kenntnis erlangt habe – für seinen (ab Dezember 2018) neuen DG abgeworben habe. Damit liegen den dem Bekl in den beiden Prozessen angelasteten Wettbewerbsverstöße zwei verschiedene Zeitspannen (während der selbständigen und während der unselbständigen Tätigkeit des Bekl) und jeweils andere Kunden zugrunde. Obgleich derselbe Kl gegen denselben Bekl im Wesentlichen dasselbe Unterlassungsbegehren verfolgt (die geringfügigen Abweichungen wurden bei der Wiedergabe des Begehrens in Kursivschrift hervorgehoben), unterscheiden sich hier die für die Klagbarkeit des Anspruchs vorgetragenen Sachverhalte voneinander wesensmäßig, sodass die Gleichheit des Streitgegenstands verneint wurde.