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Bei mehreren Beschäftigungen hat die Krankengeldhöchstdauer Einfluss auf die Höhe des Rehabilitationsgeldes

FABIANGAMPER

Bei Eintreten der Arbeitsunfähigkeit in zwei parallelen Beschäftigungsverhältnissen, die eine Pflichtversicherung in der KV nach dem ASVG oder B-KUVG begründet haben, sind für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes dann nicht (mehr) beide Beschäftigungsverhältnisse zu berücksichtigen, wenn in einem dieser Beschäftigungsverhältnisse der Anspruch auf Krankengeld zum Zeitpunkt des Beginns des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld bereits infolge Erreichens der Höchstdauer (§ 139 ASVG) erloschen war.

SACHVERHALT

Die Kl war vom 1.1.2018 bis 13.6.2019 bei der W* GmbH und von 18.2. bis 26.3.2019 bei der B* GmbH beschäftigt. In Folge einer Krankheit endete der volle Entgeltsanspruch zur W* GmbH am 23.6.2019 und zur B* GmbH am 26.3.2018. Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit trat in beiden Beschäftigungen am 18.3.2019 ein. Krankengeld wurde der Kl für den Zeitraum vom 15.5.2019 bis 16.3.2020 für das Beschäftigungsverhältnis zur W* GmbH und für den Zeitraum vom 27.3.2019 bis 24.3.2020 für das Beschäftigungsverhältnis zur B* GmbH ausbezahlt. Seit 1.4.2020 bezieht die Kl Rehabilitationsgeld.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl lehnte mit Bescheid vom 24.7.2020 den Antrag der Kl ab, ihr ab 1.4.2020 ein höheres Rehabilitationsgeld als täglich € 35,80 brutto zu zahlen. Mit der Klage begehrte die Kl einen Anspruch auf Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes aus beiden Dienstverhältnissen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge, hob das Urteil mit Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Dazu führte es aus, dass beide Beschäftigungsverhältnisse zu berücksichtigen seien, da beide als „letzte Erwerbstätigkeit“ iSd § 143a Abs 2 ASVG zu qualifizieren seien. Das Verfahren sei jedoch ergänzungsbedürftig, weil Feststellungen zur Berechnung der Höhe des Anspruchs der Kl fehlten. Dagegen legte die Bekl Rekurs ein, mit dem sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Der Rekurs war zur Klarstellung der Rechtsfrage zulässig, jedoch nicht berechtigt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war die Rechtssache nicht entscheidungsreif, weil der von der Bekl erst im Rechtsmittelverfahren geltend gemachte rechtliche Aspekt der Frage des Erlöschens des Krankengeldanspruchs der Kl aus ihrem Dienstverhältnis zur B* GmbH im Verfahren erster Instanz bisher nicht erörtert wurde.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[11] 1.1 Gemäß § 143a Abs 2 Satz 1 erster Halbsatz ASVG gebührt das Rehabilitationsgeld im 171Ausmaß des Krankengeldes [...], das aus der letzten eine Versicherung nach dem ASVG oder nach dem B-KUVG begründenden Erwerbstätigkeit gebührt hätte.

[12] 1.2 Obwohl § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG seinem Wortlaut nach für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes auf „die letzte eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründete Erwerbstätigkeit“ abstellt, daher nach dem Wortlaut von der Ausübung nur einer einzigen Erwerbstätigkeit ausgeht, sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei Eintreten der Arbeitsunfähigkeit in zwei parallelen Beschäftigungsverhältnissen für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes beide Beschäftigungsverhältnisse zu berücksichtigen, sofern diese eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG oder B-KUVG begründet haben. Nicht erforderlich ist, dass eine Pflichtversicherung in beiden Beschäftigungsverhältnissen noch im Zeitpunkt der Zuerkennung von Rehabilitationsgeld besteht oder die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung im Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes infolge des Bezugs von Krankengeld in einem der beiden Versicherungsverhältnisse bereits beendet war [...]. Auf die gleichzeitige Beendigung der beiden Dienstverhältnisse kommt es nicht an [...].

[13] 1.3 Weitere Voraussetzung für die Berücksichtigung mehrerer Dienstverhältnisse bei der Bemessung des Rehabilitationsgeldes ist das Eintreten der Arbeitsunfähigkeit in jedem dieser Dienstverhältnisse [...]. […]

[15] 2.2 Die Rekurswerberin macht geltend, dass weitere Voraussetzung für die Berücksichtigung beider Dienstverhältnisse der Klägerin zur Bemessung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld sei, dass im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld aus beiden Beschäftigungsverhältnissen bestehen müsse. Hier sei der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld aus ihrem Dienstverhältnis zur B* GmbH am 24.3.2020, daher vor Beginn des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld, erschöpft gewesen. Maßgeblich für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes sei daher allein das Dienstverhältnis zur W* GmbH, in dem die Pflichtversicherung später beendet worden sei. Dem kommt Berechtigung zu.

[16] 3.1 Das Rehabilitationsgeld verfolgt einerseits den Zweck, einen Ersatz für die weggefallene befristete Invaliditätspension zu schaffen. Dies zeigt sich etwa darin, dass es – anders als das Krankengeld – ohne (bestimmte) zeitliche Begrenzung gewährt wird. [...]

[17] 3.2 Das Rehabilitationsgeld ist grundsätzlich als eine dem Krankengeld ähnliche Leistung konzipiert. Dies zeigt sich in den Regelungen über seine Bemessung in § 143a ASVG. Ebenso wie mit dem Krankengeld verfolgt der Gesetzgeber mit dem Rehabilitationsgeld die Intention, den Einkommensausfall des Versicherten während der Dauer einer vorübergehenden Erwerbsunfähigkeit auszugleichen. [...] Funktional ist der Bezug des Rehabilitationsgeldes daher eine „Fortsetzung“ des Krankengeldbezugs [...]. […]

[19] 5.1 Die zentrale Begründung dafür, dass bei Vorliegen zweier paralleler Dienstverhältnisse unter bestimmten Voraussetzungen – und ungeachtet des Wortlauts des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG – beide Beschäftigungsverhältnisse als „letzte Erwerbstätigkeit“ anzusehen sind, liegt darin, dass bei mehrfacher Krankenversicherung auch das Krankengeld als Barleistung aus jeder der in Betracht kommenden Versicherungen gebührt (§ 128 Abs 2 ASVG), weil das Krankengeld Einkommensersatzfunktion hat. Parallel nebeneinander ausgeübte Erwerbstätigkeiten bzw Beschäftigungsverhältnisse sollen nicht zum Nachteil des Versicherten für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes allein deshalb ausgeschlossen werden, weil zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes (infolge Krankengeldbezugs nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs) keine aufrechte Pflichtversicherung in der Krankenversicherung besteht. Die gegenteilige Argumentation führt zu unsachlichen und zufälligen Ergebnissen, was etwa in jenem Fall besonders deutlich wird, in dem der Entgeltfortzahlungsanspruch aus zwei parallel laufenden Beschäftigungsverhältnissen zum selben Zeitpunkt endet und danach aus beiden Versicherungsverhältnissen Krankengeld bezogen wird. In diesem Fall ließe sich eine (einzelne) „letzte“ Erwerbstätigkeit mit Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung nicht finden [...].

[20] 5.2 Die Bemessungsgrundlage für das Rehabilitationsgeld richtet sich nicht nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Abzustellen ist vielmehr auf den letzten Arbeitsverdienst [...]. Es kommt – worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat – nicht auf den tatsächlichen Bezug von Krankengeld aus einem Dienstverhältnis an, sondern darauf, in welcher Höhe ein solches – ausgehend vom letzten Arbeitsverdienst – „gebührt hätte“. Für die Beurteilung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld ist daher nicht relevant, in welcher Höhe oder Dauer Krankengeld aus einem Dienstverhältnis tatsächlich bezogen wurde. [...]

[21] 5.3 Anders verhält sich dies jedoch dann, wenn ein Anspruch auf Krankengeld infolge Erreichens der Höchstdauer erlischt. Bezieht ein Versicherter aus zwei parallelen Dienstverhältnissen Krankengeld und erlischt einer dieser Ansprüche, so fällt dessen Einkommensersatzfunktion auch dann weg, wenn die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit weiter bestehen sollte. Diese Grundsätze müssen auch für den Bezug von Rehabilitationsgeld gelten, das ja eine „Fortsetzung“ des Krankengeldanspruchs ist und wie dieses Einkommensersatzfunktion hat. Erlischt daher der Anspruch auf Krankengeld aus einem von zwei parallelen Dienstverhältnissen vor dem Zeitpunkt des Beginns des Rehabilitationsgeldbezugs, so 172fällt die sachliche Begründung weg, auch dieses Dienstverhältnis – über den Wortlaut des Gesetzes hinweg – als „letzte Erwerbstätigkeit“ im Sinn des § 143 Abs 2 Satz 1 ASVG anzusehen. Andernfalls wäre der Bezieher von Rehabilitationsgeld besser gestellt als ein Versicherter in derselben Situation, bei dem keine vorübergehende Invalidität (Berufsunfähigkeit) vorliegt. Daran ändert aus den dargestellten Gründen der rechtspolitische Hintergrund des Rehabilitationsgeldes, die weggefallene befristete Invaliditätspension zu ersetzen, nichts.

[22] 5.4 Dem Argument der Klägerin in der Rekursbeantwortung, es komme für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an, kommt wie ausgeführt schon nach dem Gesetzeswortlaut keine Berechtigung zu. Rehabilitationsgeld gebührt zwar erst ab dem durch den Antrag auf Zuerkennung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit in der Pensionsversicherung ausgelösten Stichtag (§ 143a Abs 1, § 223 Abs 2 ASVG). Rehabilitationsgeld ist dennoch aus der Krankenversicherung zu leisten, und zwar – ebenso wie das Krankengeld – aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (§ 117 Z 3 ASVG). Der Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ist daher zwar – wie ausgeführt – relevant für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt vom Vorliegen zweier „paralleler“ Dienstverhältnisse als „letzte Erwerbstätigkeit“ im Sinn des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG ausgegangen werden kann. Er spielt jedoch keine Rolle für die Bemessung der Höhe des Rehabilitationsgeldes.

[23] 5.5 Ist daher der Anspruch auf Krankengeld aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit in einem von mehreren Dienstverhältnissen erloschen, besteht keine sachliche Rechtfertigung mehr dafür, ungeachtet des Wortlauts des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG auch dieses Dienstverhältnis in die Bemessung für das Rehabilitationsgeld aus demselben Versicherungsfall einzubeziehen. Jedenfalls bleibt nach dieser Bestimmung – was ja auch der Regelfall ist – zumindest eine letzte Erwerbstätigkeit für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes relevant. Ob aus diesem Dienstverhältnis – der „letzten Erwerbstätigkeit“ im Sinn des § 143a Abs 2 Satz 1 ASVG – noch ein Krankengeldanspruch aufrecht besteht, ist für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes nicht maßgeblich. Um den Versicherten dessen ungeachtet eine ausreichende Existenzgrundlage zu gewährleisten, gebührt Rehabilitationsgeld gemäß § 143a Abs 2 ASVG jedenfalls in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes. [...]

[24] 5.6 Ergebnis: Bei Eintreten der Arbeitsunfähigkeit in zwei parallelen Beschäftigungsverhältnissen, die eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG oder B-KUVG begründet haben, sind für die Bemessung des Rehabilitationsgeldes dann nicht (mehr) beide Beschäftigungsverhältnisse zu berücksichtigen, wenn in einem dieser Beschäftigungsverhältnisse der Anspruch auf Krankengeld zum Zeitpunkt des Beginns des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld bereits infolge Erreichens der Höchstdauer (§ 139 ASVG) erloschen war. [...]“

ERLÄUTERUNG

Gem § 143a Abs 2 Satz 1 gebührt das Rehabilitationsgeld im Ausmaß des Krankengeldes, das aus der letzten eine Pflichtversicherung in der KV nach dem ASVG oder B-KUVG begründende Erwerbstätigkeit gebührt hätte. Das Rehabilitationsgeld ist somit als Fortsetzung des Krankengeldes konzipiert. Die Bemessungsgrundlage für das Krankengeld und daher auch für das Rehabilitationsgeld ist gem § 125 Abs 1 ASVG der zur Beitragsermittlung heranzuziehende auf einen Kalendertag entfallene Arbeitsverdienst, der dem Versicherten im Kalendermonat (vgl § 44 Abs 2 ASVG), der dem Ende des vollen Entgeltanspruchs voranging, gebührt hat. Bei mehrfacher KV gebühren gem § 128 2. Satz ASVG Geldleistungen aus jeder der in Betracht kommenden Versicherungen. Die Leistungen haben daher eine Einkommensersatzfunktion und sollen zumindest einen gewissen Prozentsatz des ausfallenden Einkommens des Versicherten abdecken.

Bemerkenswert an dieser E des OGH ist, dass er damit seine bisherige (versichertenfreundliche) Rechtsauslegung (OGH 24.11.2020, 10 ObS 136/20b; OGH 15.12.2020, 10 ObS 147/20w; OGH 26.2.2021, 10 ObS 11/21x) trotz der Wortfolge „aus der letzten eine Pflichtversicherung [...] begründeten Erwerbstätigkeit“, die Bemessung des Rehabilitationsgeldes aus zwei Beschäftigungsverhältnissen zu berücksichtigen, einschränkt. Der Unterschied zu den genannten Entscheidungen liegt darin, dass in keinem dieser Fälle das Krankengeld aus einem der Beschäftigungsverhältnisse wegen Erreichens der Höchstdauer erloschen war.

Der OGH begründet seine Entscheidung ua anhand der Einkommensersatzfunktion des Krankengeldes bzw Rehabilitationsgeldes. Er argumentiert, dass es mit Ablauf der Höchstdauer des Krankengeldes aus einer zusätzlichen Beschäftigung keine sachliche Rechtfertigung mehr gibt, auch diese Tätigkeit als „letzte Erwerbstätigkeit“ zu qualifizieren. Um Versicherten dennoch eine ausreichende Existenzgrundlage zu gewährleisten, gebühre Rehabilitationsgeld zumindest in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes.

In der OGH-E 10 ObS 136/20b findet sich, natürlich mit anderem Sachverhalt, hingegen noch folgende Begründung: „Wollte man lediglich eines von mehreren Beschäftigungsverhältnissen he173ranziehen, aus denen der Versicherte bisher sein Einkommen bezogen hat, wäre der Absicht des Gesetzgebers, eine finanzielle Absicherung während der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten, nicht erfüllt. Diesem Zweck wird auch nicht dadurch Genüge getan, dass das Rehabilitationsgeld in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende gebührt (§ 143a Abs 2 Satz 3 ASVG), weil es sich dabei der Sache nach um eine Maßnahme der Mindestsicherung bzw Sozialhilfe handelt (Födermayr in SV-Komm [249. Lfg] § 143a ASVG Rz 15).“