83Familienzeitbonus bei Krankenhausaufenthalt der Mutter im Beisein des Kindes – gemeinsamer Haushalt und Familienzeit bestehen weiter
Familienzeitbonus bei Krankenhausaufenthalt der Mutter im Beisein des Kindes – gemeinsamer Haushalt und Familienzeit bestehen weiter
Im Fall eines unvorhersehbaren, medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthalts des „anderen Elternteils“ während der Familienzeit des Vaters liegt […] weiterhin ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 3, Abs 3 FamZeitbG vor. Die Definition der Familienzeit stellt ausschließlich auf die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch den Vater […], die von ihm bezogenen Leistungen sowie darauf ab, dass er sich im relevanten Zeitraum ausschließlich der Familie widmet. Ob auch der andere Elternteil […] Betreuungsleistungen erbringt [und ob der Vater oder die Mutter jede einzelne Pflegeverrichtung persönlich durchführen], ist für das Vorliegen von Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG irrelevant.
Die Tochter des Kl und seiner Ehegattin ist am 4.9.2019 zur Welt gekommen. Nach der Entlassung der Mutter und des Kindes aus dem Krankenhaus am 9.9.2019 lebte die ganze Familie zusammen in einer Wohnung an der Familienwohnadresse. Die Ehegattin des Kl wurde von 12.9. bis 15.9.2019 mit Verdacht auf Bluthochdruckkrise stationär im Krankenhaus aufgenommen. Da sie die gesunde Tochter stillte, wurde diese mit ihrer Mutter ins Krankenhaus aufgenommen. Dort pflegte der Kl das Kind im Ausmaß von deutlich mehr als vier Stunden täglich. Die Mitarbeiter:innen des Krankenhauses kümmerten sich nicht um die Tochter, da dies der Kl übernahm. Die Mutter pflegte und betreute das Kind während des Krankenhausaufenthalts weniger als vier Stunden täglich.
Der Kl beantragte Familienzeitbonus für den Zeitraum von 9.9. bis 9.10.2019. Die bekl Österreichische Gesundheitskasse wies den Antrag mit Bescheid vom 11.11.2019 mit der Begründung ab, während des stationären Krankenhausaufenthalts der Ehegattin des Kl habe kein gemeinsamer Haushalt iSd FamZeitbG bestanden, wogegen sich die Klage auf Gewährung des Familienzeitbonus richtet.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ auch die Revision nicht zu, weil sich seine Entscheidung an der höchstgerichtlichen Rsp orientiere.
Rechtlich erörterte das Berufungsgericht, während des stationären Aufenthalts von Mutter und Kind sei kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG vorgelegen. Die Voraussetzungen des § 2 Abs 3a FamZeitbG seien nicht erfüllt, weil der Krankenhausaufenthalt des Kindes nicht medizinisch indiziert gewesen sei.
Mit der außerordentlichen Revision strebt der Kl die Abänderung sowie Klagestattgebung an und vertritt zusammengefasst, der Zweck der Familienzeit sei im vorliegenden Fall erfüllt.
Der OGH hielt die außerordentliche Revision für zulässig, weil die Vorinstanzen von der E 10 ObS 147/19v vom 21.1.2020 abgewichen sind, und iSd Klagebegehrens für berechtigt. Er gab der Revision Folge.
„[…]
2. Zum Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts
2.1. Gemäß § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG setzt der Anspruch auf Familien[zeit]bonus unter anderem voraus, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben. Dieser liegt gemäß § 2 Abs 3 FamZeitbG vor, wenn alle drei Personen in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind.
2.2. Der Oberste Gerichtshof hat das Vorliegen einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ – als Teil der Definition des gemeinsamen Haushalts gemäß § 2 Abs 3 FamZeitbG – bereits für Fälle bejaht, in denen eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen (10 ObS 50/19d SSV-NF 33/68; 10 ObS 147/19v). […]
2.4. Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass zu Beginn des Antragszeitraums – 9.9.2019 – ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Kl, seiner Ehefrau und dem Kind bestand, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ihre Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an dieser Wohnadresse nicht auf Dauer ausgerichtet war (vgl 10 ObS 50/19d SSV-NF 33/68; 10 ObS 147/19v). Die hauptwohnsitzliche Meldung an der Familienwohnadresse war im Verfahren nicht 179strittig. Entscheidend ist hier die Beurteilung, ob der gemeinsame Haushalt während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind vom [1]2.9.2019 bis 15.9.2019 weiter bestand oder wegfiel.
2.5. Der Oberste Gerichtshof nahm bereits in der Entscheidung 10 ObS 147/19v zu den Auswirkungen des Krankenhausaufenthalts der Mutter auf das Weiterbestehen eines gemeinsamen Haushalts iSd FamZeitbG Stellung. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass während eines zeitlich begrenzten stationären Aufenthalts zwar die tatsächliche Wohngemeinschaft der Eltern an der Familienwohnadresse aufgehoben ist, aber das für die Annahme einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ wesentliche Element der Absicht, diese auf Dauer zu führen, nicht wegfällt. Ebenso wenig ist das gemeinsame Wirtschaften beendet, ändert doch ein vorübergehender Krankenhausaufenthalt nichts an der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines auf drei Personen ausgelegten Haushalts (10 ObS 147/19v). Im Fall eines unvorhersehbaren, medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthalts des „anderen Elternteils“ während der Familienzeit des Vaters liegt daher weiterhin ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 3, Abs 3 FamZeitbG vor (RS0133015 = 10 ObS 147/19v). […]
2.7. Im vorliegenden Fall ist im Weiteren zu beurteilen, ob der Umstand, dass das Kind gemeinsam mit seiner Mutter ins Krankenhaus aufgenommen wurde, den gemeinsamen Haushalt für die Dauer seiner Abwesenheit zum Erlöschen brachte.
2.8. Dazu ist zunächst klarzustellen, dass § 2 Abs 3a FamZeitbG hier nicht anzuwenden ist. Diese Bestimmung ist nach ihrem Wortlaut nur auf medizinisch indizierte Krankenhausaufenthalte des Kindes anzuwenden, setzt also voraus, dass ein Grund für den Krankenhausaufenthalt in der Person des Kindes vorliegt. […]
2.9. Da im vorliegenden Fall keine medizinische Indikation für den Krankenhausaufenthalt des Kindes bestand, sondern das Kind aufgenommen wurde, um das Stillen zu ermöglichen, kommt die Sonderregel des § 2 Abs 3a FamZeitbG nicht zur Anwendung. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Ehegattin des Klägers das Kind während des Krankenhausaufenthalts im Mindestmaß von durchschnittlich vier Stunden täglich pflegte und betreute. Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts ist vielmehr nach der generellen Regel des § 2 Abs 3 FamZeitbG zu prüfen.
2.10. Dabei kommen auch hinsichtlich des Kindes die bereits oben ausgeführten Erwägungen zum Tragen. Auch mit dem Kind bestand ein gemeinsamer Haushalt an der Familienwohnadresse. Die durch die Erkrankung der Mutter und das nachvollziehbare Bestreben, das Stillen möglichst zu unterstützen, begründete zeitliche begrenzte Abwesenheit von der gemeinsamen Wohnung beendete die auf Dauer angelegte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, die auch von einem Willenselement der Eltern getragen ist, nicht. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass der Kl das räumliche und persönliche Naheverhältnis der Familienmitglieder durch seine ausgedehnte Anwesenheit im Krankenhaus innerhalb der Möglichkeiten des Spitalsbetriebs aufrecht erhielt. […]
3. Zum Vorliegen von Familienzeit
3.1. Der Anspruch auf Familienzeitbonus setzt neben dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile und des Kindes voraus, dass sich der Vater im gesamten Anspruchszeitraum in Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG). […]
3.3. Die Definition der Familienzeit stellt ausschließlich auf die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch den Vater (bzw den beziehenden Elternteil), die von ihm bezogenen Leistungen sowie darauf ab, dass er sich im relevanten Zeitraum ausschließlich der Familie widmet. Ob auch der andere Elternteil (die Mutter) Betreuungsleistungen erbringt, ist für das Vorliegen von Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG irrelevant (10 ObS 147/19v). […]
3.4. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für das Vorliegen von Familienzeit des Kl auch während des Krankenhausaufenthalts des Kindes erfüllt. Der Kläger trug – aufgrund der Abwesenheit der Mutter – nicht nur die alleinige Verantwortung für die Führung des Haushalts an der Familienwohnadresse, sondern betreute das Kind auch im Spital, sodass sich das Krankenhauspersonal nach den Feststellungen „nicht um die Tochter des Kl kümmerte“. Ob – wie das Berufungsgericht mutmaßt – vom Krankenhauspersonal allenfalls während einer Nacht Betreuungsleistungen für das Kind erbracht wurden, ist nicht entscheidend. Für das Vorliegen von Familienzeit kommt es nicht darauf an, dass der Vater oder die Mutter jede einzelne Pflegeverrichtung persönlich durchführen, sondern darauf, dass der Vater seine Erwerbstätigkeit unterbricht und sich seiner Familie widmet. Diese Voraussetzungen hat der Kl im vorliegenden Fall auch während des Krankenhausaufenthalts seiner Ehegattin und des Kindes erfüllt.“
Der Familienzeitbonus verfolgt das Ziel, Väter zu ermutigen, sich unmittelbar nach der Geburt ausschließlich der Familie zu widmen und dazu ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen (Vorblatt und WFA ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 4 f). Damit das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbaut und dieser seine unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, bei Behördenwegen, bei Haushaltsarbeiten etc bestmöglich unterstützen kann, wird eine solche Familienzeit für einen Zeitraum von 28 bis 31 Tagen in den ersten 91 Tagen ab der Geburt finanziell unterstützt (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1).
Neben den übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienzeitbonus gem § 2 Abs 1 Fam180ZeitbG muss ein gemeinsamer Haushalt des Vaters mit dem Kind und dem anderen Elternteil gegeben sein, wobei sich dieser aus einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft und einer hauptwohnsitzlichen Meldung aller drei Personen an derselben Adresse zusammensetzt (§ 2 Abs 3 FamZeitbG). Insb in Verbindung mit stationären Krankenhausaufenthalten des Kindes und/oder der Mutter können hier Probleme auftreten.
Mit der Novelle BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 wurde auf diese Probleme reagiert, indem mit § 2 Abs 3a FamZeitbG eine Ausnahmeregelung für die Voraussetzung des gemeinsamen Haushaltes geschaffen wurde: Bei medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalten des Kindes wird dieser angenommen, wenn beide Elternteile sich jeweils mindestens durchschnittlich vier Stunden täglich der Pflege und Betreuung des Kindes widmen.
Konstellationen, bei denen – wie im vorliegenden Fall – der Krankenhausaufenthalt anders begründet ist, werden von dieser Regelung nicht umfasst. Es ist daher der gemeinsame Haushalt anhand von § 2 Abs 3 FamZeitbG zu prüfen, wobei weder vom Vater noch von der Mutter eine tägliche Mindeststundenanzahl der Pflege und Betreuung des Kindes zu erfüllen ist.
Im gegenständlichen Fall bestand vor dem Krankenhausaufenthalt bereits ein gemeinsamer Haushalt des Kl mit dem Kind und der Kindesmutter, weshalb der OGH sowohl hinsichtlich der Mutter als auch hinsichtlich des Kindes prüfte, ob dieser weiterbestand oder wegfiel. Der OGH bezieht sich im Ergebnis auf seine Vorentscheidung 10 ObS 147/19v, bei der er einen ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden hatte, in dem die Mutter stationäre Krankenhausaufenthalte absolvierte, jedoch ohne dass das Kind sich mit ihr in der Krankenanstalt aufhielt. Die dabei herangezogenen Erwägungen wendet der OGH nun auch auf die Frage des Weiterbestehens des gemeinsamen Haushaltes des Vaters mit dem Kind, das sich zur Unterstützung des Stillens bei der Mutter im Krankenhaus aufhält, an.
Für die Erfüllung der Voraussetzung der Familienzeit gem § 2 Abs 4 FamZeitbG verweist der OGH erneut auf seine E zu 10 ObS 147/19v und betont, dass die Erbringung von Betreuungsleistungen durch die Mutter hierfür irrelevant ist. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass jede einzelne Pflegeverrichtung persönlich durch die Eltern durchgeführt wird, solange der Vater seine Erwerbstätigkeit unterbricht und sich der Familie widmet.
Zusammenfassend geht ein bereits bestehender gemeinsamer Haushalt nicht verloren, wenn die Mutter einen unvorhersehbaren, medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthalt absolviert und das Kind sich aus nachvollziehbaren Gründen für diese Zeit bei der Mutter aufhält. Die Anforderungen für die Annahme eines gemeinsamen Haushaltes gem § 2 Abs 3a FamZeitbG müssen dabei nicht erfüllt werden. Auch bezüglich der Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG sind in solchen Fällen keine besonderen zusätzlichen Voraussetzungen zu erfüllen.