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Kinderbetreuungsgeld: Finnische Kinderbetreuungsbeihilfe ist keine vergleichbare Familienleistung

KRISZTINAJUHASZ
Art 68 iVm Art 10 VO (EG) 883/2004; § 6 Abs 3 KBGG

Die Kl beantragte das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. Ihr Arbeitsverhältnis endete während des Wochengeldbezuges. Die Kl lebte im Bezugszeitraum mit ihrem Sohn und dem Vater des Kindes in Österreich.

Der Ehemann der Kl absolvierte ein Doktoratsstudium an einer finnischen Universität und gilt nach den finnischen Rechtsvorschriften als erwerbstätig. Er bezog das finnische Elternschaftsgeld („Vanhempainraha“). Die Anrechnung dieser Leistung auf das von der Kl begehrte Kinderbetreuungsgeld war im Verfahren nicht strittig. Im Anschluss daran bezog der Ehemann die finnische Kinderbetreuungsbeihilfe („Lasten kotihoidon tuki“). Mit ihrer (Säumnis-)Klage begehrte die Kl das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens ohne Anrechnung der finnischen Kinderbetreuungsbeihilfe.

Das Erstgericht stellte zwar eine Säumigkeit der Bekl fest, wies aber das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl Folge.

Gegenstand des Revisionsverfahrens war, ob eine vom Vater des Kindes bezogene finnische Kinderbetreuungsbeihilfe als vergleichbare Familienleistung anzurechnen ist.

Auch für Geburten ab dem 1.3.2017 gilt im Anwendungsbereich des § 6 Abs 3 KBGG (idF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53) für die Beurteilung der Anrechenbarkeit einer ausländischen Familienleistung auf das Kinderbetreuungsgeld das Erfordernis des Vorliegens von Leistungen gleicher Art. Nach der Rsp des EuGH ist es Aufgabe des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die finnische Kinderbetreuungsbeihilfe als Leistung gleicher Art angesehen werden kann und somit anrechenbar ist. Eine Gleichartigkeit wird angenommen, wenn die Leistungen einander in Funktion und Struktur im Wesentlichen entsprechen, wobei eine völlige Gleichheit nicht erforderlich ist.

Das österreichische Kinderbetreuungsgeld hat einerseits den Zweck, Eltern, die sich gezielt der Kindererziehung widmen, die Erziehung zu vergüten und auch andere Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen. Zusätzlich soll diese Leistung finanzielle Nachteile abmildern. Zudem dürfen für den Bezug bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Diese Einkommensersatzfunktion zeigt sich 184am stärksten beim Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens.

Die finnische Kinderbetreuungsbeihilfe wird unabhängig von der Bedürftigkeit der Familie bezahlt, das Einkommen ist irrelevant. Die Einkommensersatzfunktion dieser Leistung steht somit im Hintergrund. Einen Ausgleich für den Verzicht auf ein Erwerbseinkommen kann die finnische Kinderbetreuungsbeihilfe aufgrund ihrer geringen Höhe nicht leisten. Weiters unterscheidet sich die finnische Kinderbetreuungsbeihilfe vom österreichischen Kinderbetreuungsgeld dadurch, dass sie nicht gewährt wird, wenn die Familie die kommunale Tagesbetreuung in Anspruch nimmt.

Die Gleichartigkeit von finnischer Kinderbetreuungsbeihilfe und österreichischem Kinderbetreuungsgeld wurde daher verneint und der Revision der Bekl nicht Folge gegeben.