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Betriebsübergang: Kein Anspruch auf stichtagsabhängige Dienstalterszulage des Erwerberbetriebs für übernommene Arbeitnehmer:innen

CHRISTINA NEUNDLINGER

Der Kl war seit 21.9.1988 bei der A* GmbH beschäftigt. Diese wurde 2011 mit der Bekl verschmolzen, weshalb das Dienstverhältnis des Kl per 1.1.2011 auf die Bekl überging. Sämtliche Mitarbeiter:innen der A* GmbH unterlagen den Kollektivverträgen der Sparte der Chemischen Industrie, die keine Regelungen über eine Dienstalterszulage aufweisen. Die Bekl unterliegt dem KollV für DN der Versorgungsbetriebe und des zentralen Bereichs der H* GmbH (im Folgenden KollV-VSB). Dessen § 15 sieht für jeden/jede DN mit Eintritt vor dem 1.1.1999 nach einer ununterbrochenen Dienstzeit bei der Bekl in der Dauer von 20 Jahren einen Anspruch auf Dienstalterszulage vor. Dabei handelt es sich um eine Regelung für jene schon vor 1999 bei der Bekl beschäftigten DN, die nicht in das 1998 zwischen AG- und AN-Vertretern ausgehandelte neue (günstigere) Gehaltsschema gewechselt sind. Der Kl begehrt € 2.690,66 brutto an Entgeltdifferenz (Dienstalterszulage) für den Zeitraum 1.1. bis 31.12.2019 gem § 15 KollV-VSB. Da sein Dienstverhältnis auf die Bekl mit allen Rechten und Pflichten übergegangen sei und die Zeiten seiner Beschäftigung bei seiner vormaligen DG als Dienstzeiten bei der Erwerberin (der Bekl) zu betrachten seien, sei auch sein Anspruch auf Dienstalterszulage gegeben.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend ab. Der OGH wies die durch das Berufungsgericht zugelassene ordentliche Revision des Kl mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.

Mit Stichtagsregelungen werden für – in den Geltungsbereich einer alten Regelung fallende – AN bestimmte Ansprüche weiter aufrechterhalten. Stichtagsregelungen können als Fortwirken einer vormals abstrakt abgefassten begünstigenden Regelung verstanden werden und bewirken, dass die von ihnen betroffene AN-Gruppe bestimmbar und abgeschlossen ist. Die Zulässigkeit von Stichtagsregelungen wird nach stRsp bejaht, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz den/die AG nicht daran hindert, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren und Vergünstigungen ab einem bestimmten Zeitpunkt den in Betracht kommenden AN nicht mehr zu gewähren.

Die Ansicht, dass die AN der übernommenen Belegschaft dieses Regelungsziel der Aufrechterhaltung eines bisher zustehenden höheren Entgelts nicht für sich in Anspruch nehmen können, entspricht der bisherigen Rsp (OGH 26.1.2017, 9 ObA 145/16p mit Hinweisen auf OGH 11.5.2006, 8 ObA 19/06m und OGH 19.6.2006, 8 ObA 53/06m). Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind zwar auch im vorliegenden Fall die bei der Veräußerin verbrachten Dienstzeiten aufgrund des § 3 Abs 1 AVRAG so zu berücksichtigen, wie wenn sie bei der neuen AG verbracht worden wären. Davon zu unterscheiden ist aber, ob eine bestimmte Gruppe von AN im Rahmen der Neuordnung eines Gehaltsschemas eines KollV aus Gründen des Vertrauensschutzes mittels einer Stichtagsregelung bessergestellt werden kann („Stammarbeiter:in“) als neu eintretende AN. Die §§ 3 ff AVRAG sollen lediglich vor dem Verlust bestehender Ansprüche schützen, weshalb diese Regelungen und die dazu ergangene Rsp nicht erfolgreich zur Begründung eines Anspruchs herangezogen werden können, der dem Kl ohne Betriebsübergang im Betrieb der Veräußerin nicht zugestanden wäre.