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Qualifizierung von Umkleide- und Duschzeiten

ANDRÉFLATSCHER /JOHANNESWARTER (SALZBURG)
  1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, der Kl seien die Umkleidezeiten samt Wegezeiten, nicht aber diese Duschzeiten abzugelten, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp.

  2. Es war die freie Entscheidung der Kl, sich nicht sogleich anzuziehen und nach Hause zu gehen, sondern noch zu duschen. Mangels jeglicher Fremdbestimmung musste das Entgeltverlangen der Kl für diese jeweils 15 Minuten scheitern.

Die Kl arbeitete als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin in Krankenanstalten des Bekl. Sie musste Anstaltskleidung tragen, die sie nicht nach Hause mitnehmen durfte. Nach ihrem Dienst duschte sie sich für gewöhnlich wie auch einige, aber nicht alle Kollegen in der Krankenanstalt, bevor sie die Privatkleidung anlegte und den Arbeitsort verließ. Dieses Duschen war weder angeordnet noch aus hygienischen Gründen erforderlich. Es erfolgte allein aufgrund der persönlichen Hygienestandards der Kl. Die Kl benötigte für das Duschen jeweils rund 15 Minuten.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, der Kl seien die Umkleidezeiten samt Wegezeiten, nicht aber diese Duschzeiten abzugelten, hält sich – wie bereits im Berufungsurteil unter Hinweis auf die Entscheidungen des OGH zu 9 ObA 29/18g und 9 ObA 13/20g und des EuGH in der Rs C-266/14, Tyco, eingehend dargelegt – im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp. Es war die freie Entscheidung der Kl, sich nicht sogleich anzuziehen und nach Hause zu gehen, sondern noch zu duschen. Mangels jeglicher Fremdbestimmung musste das Entgeltverlangen der Kl für diese jeweils 15 Minuten scheitern.

ANMERKUNG

Bei der vorliegenden E des OGH handelt es sich um einen Beschluss, mit dem die außerordentliche Revision der Kl zurückgewiesen wird. Die E des OGH ist inhaltlich zutreffend, die Begründung nachvollziehbar und auch in ihrer Kürze ausreichend. Zudem sollte die schnelle Erledigung (das OLG Innsbruck entschied erst zwei Monate zuvor) positiv hervorgehoben werden. Die Besprechung dieser E beschränkt sich deshalb auf die Einordnung des vorliegenden Beschlusses in die bisherige Rsp des OGH sowie Überlegungen und Ableitungen zu weiteren Fallkonstellationen. Insb zur arbeitszeitrechtlichen Einordnung von Duschzeiten werden Überlegungen angestellt, da diesbezüglich Literatur und Judikatur fehlen. Zuvor wird noch die zivilprozessuale Zurückweisung der außerordentlichen Revision angesprochen.

1.
(K)Eine fehlende Rsp gem § 502 Abs 1 ZPO betreffend Duschzeiten?

Gem § 502 Abs 1 ZPO ist eine Revision ua zulässig, wenn eine Rsp des OGH zur betreffenden Rechtsfrage fehlt (vgl § 502 Abs 1 ZPO). Während diese Zurückweisung im Fall der Umkleidezeiten nachvollziehbar ist, immerhin hat sich hierzu in den letzten Jahren eine gesicherte Rsp entwickelt (vgl nur RIS-Justiz RS0132154), könnte die Zurückweisung hinsichtlich der Duschzeiten prima facie mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass es zur arbeitszeitrechtlichen Einordnung von Dusch- oder Waschzeiten bislang keine Judikatur des OGH gibt.

In diesem Zusammenhang ist allerdings daran zu erinnern, dass das bloße Fehlen einer höchstgerichtlichen E zu einem gleichartigen oder hinreichend ähnlichen Sachverhalt für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht ausreicht. Wäre es anders, würde man das Revisionszulassungssystem ad absurdum führen, weil der OGH dann in vielen Fällen die Sachentscheidung selbst fällen müsste, obgleich die Revision in Wahrheit keine erhebliche Rechtsfrage, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufwirft (vgl RIS-Justiz RS0122015; zust Lovrek in Fasching/Konecny [Hrsg], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen IV/13 § 502 ZPO Rz 51).

Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht im Rahmen der bestehenden höchstgerichtlichen Auslegungskriterien zum Arbeitszeitbegriff (insb zur Fremdbestimmtheit) bewegt, weshalb das Rechtsmittel zu Recht zurückzuweisen war.

2.
Umkleidezeiten

Die Qualifikation von Zeiträumen als Arbeits- oder Ruhezeit wirft vor allem in Randbereichen, wie etwa bei Wegzeiten, Reisezeiten, Ruhepausen, aber eben auch bei Umkleide- oder Waschzeiten Abgrenzungsprobleme auf. Hinsichtlich der Umkleidezeiten handelt es sich beim vorliegenden Beschluss nunmehr um die vierte höchstgerichtliche E zur arbeitszeitrechtlichen Beurteilung von Umkleidezeiten (nach OGH 4.9.2002, 9 ObA 89/02g, 9 ObA 133/02b; OGH 17.5.2018, 9 ObA 29/18g; OGH 25.5.2020, 9 ObA 13/20g). Inhaltlich ist der vorliegende Sachverhalt jenem der OGH-E 9 ObA 29/18g nicht unähnlich. Auch dort ging es um Umkleidezeiten in einer Krankenanstalt, die vom AG angeordnet waren, der Umkleidevorgang hatte verpflichtend im Betrieb stattzufinden und durfte die Anstaltskleidung aus hygienischen und rechtlichen Gründen nicht mit nach Hause genommen werden.

Aufgrund der bestehenden Rsp des OGH (vgl wiederum RIS-Justiz RS0132154) war es wenig überraschend, dass einerseits beide Vorinstanzen die Umkleidezeiten (samt Wegezeiten) als Arbeitszeit einstuften und andererseits der OGH eine Berichtigung dieser Rechtsansicht für nicht notwendig erachtete. Ohne große Diskussion bestätigt der OGH seine bisherige (völlig überzeugende) Rsp, wonach verpflichtendes Umkleiden im Betrieb Arbeitszeit darstellt. Offene Fragestellungen zur arbeitszeitrechtlichen Beurteilung von Umkleidezeiten 602 verbleiben deshalb lediglich in anderen Fallkonstellationen, etwa wenn den AN der Umkleideort freisteht (vgl hierzu etwa Auer-Mayer, Zur arbeitszeitrechtlichen Qualifikation von Umkleidezeiten, DRdA 2019/3, 256 [260]). Die vorliegende E leistet für diese weitergehenden Fragen zur Umkleidezeit allerdings keine Hilfestellung.

3.
Dusch- und Waschzeiten

Während die Ausführungen des OGH zu den Umkleidezeiten die bisherige Rsp bestätigen, darüber hinaus aber wenig neue Schlüsse zulassen, gilt anderes für die Dusch- und Waschzeiten. Hierzu gibt es bislang weder Judikatur noch Ausführungen in der Literatur, weshalb in diesem Zusammenhang nachfolgend einige Gedanken ausgeführt werden sollen.

Begründet wurde die Abweisung der außerordentlichen Revision hinsichtlich der Duschzeiten, weil diese „weder angeordnet noch aus hygienischen Gründen erforderlich“ waren. Das Duschen „[...] erfolgte allein aufgrund der persönlichen Hygienestandards der Klägerin“. Die Aussagen des OGH lassen aber den (Umkehr-)Schluss zu, dass Duschen und Waschen vor oder nach der eigentlichen Kernarbeitsleistung Arbeitszeit darstellen kann, nämlich dann, wenn es angeordnet wurde oder aus hygienischen Gründen erforderlich ist. Kernabgrenzungskriterium ist auch hier die Fremdbestimmtheit (arg „mangels jeglicher Fremdbestimmung“; vgl schon OGH 24.7.2018, 9 ObA 8/18v; OGH 25.5.2020, 9 ObA 13/20g).

3.1.
Wasch- und Duschzeiten als Arbeitszeit aufgrund einer Anordnung des AG

Wasch- und Duschzeiten sind als Arbeitszeit zu qualifizieren, wenn sie vom AG angeordnet werden. Das könnte in erster Linie einmal mehr auf AN in Krankenanstalten zutreffen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie konkret derartige Anordnungen des AG sein müssen. So ist etwa nach der Hygiene-Richtlinie 41 des AKH Wien, welche persönliche Verhaltensregeln für Krankenhauspersonal festlegt, zur Vermeidung von Infektionen, die strenge Einhaltung von Hygienemaßnahmen, ua regelmäßiges Waschen und Duschen, erforderlich (vgl 5.7 AKH-KHH-RL-041). Zwar handelt es sich hierbei wohl um eine Anordnung des AG, allerdings wird man aus dem Begriff „regelmäßig“ noch keine konkrete Verpflichtung zum Duschen und Waschen unmittelbar vor, während und nach Beginn eines Arbeitseinsatzes ableiten können. Die bloße Anweisung eines generell hygienischen Auftretens erreicht das für die Qualifikation als Arbeitszeit erforderliche Ausmaß der Fremdbestimmtheit uE nicht, zumal den AN die Zeit, der Ort, die Häufigkeit und die konkrete Hygienemaßnahme freisteht.

Eine konkrete Anordnung findet sich hingegen in der Hygienerichtlinie 23, welche im klinischen Betrieb des AKH Wien das Händewaschen vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende vorschreibt (5.2. AKH-KHH-RL-23). Derartige HygienevorHygienevorschriften bezwecken vor allem den Schutz der Patientinnen und Patienten vor Infektionen. Krankenanstalten (vgl nur § 8a KAKuG), aber auch Ärzte im niedergelassenen Bereich (vgl zB Hygiene-V 2014 idgF), sind schon aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen angehalten, für ausreichende Hygienestandards des eingesetzten Personals zu sorgen. Dass der Anordnung des AG eine öffentlich-rechtliche Rechtsvorschrift zugrunde liegt, unterstreicht aber nur, dass die Hygienemaßnahme primär in seinem Interesse liegt (vgl OGH 17.5.2018, 9 ObA 29/18g zur Umkleidezeit). Angeordnete Dusch- und Waschzeiten sind deshalb als primär im Auftrag und Interesse des AG gelegene arbeitsleistungsspezifische Tätigkeiten zu beurteilen und stellen dementsprechend Arbeitszeit dar. Denn obwohl die AN damit (noch) keine Kernarbeitsleistung (mehr) erbringen, stehen sie dem AG idS zur Verfügung, dass sie seiner Anordnung Folge leisten (so zur Umkleidezeit Auer-Mayer, DRdA 2019/3, 256 [261]).

3.2.
Wasch- und Duschzeiten als Arbeitszeit ohne Anordnung des AG

Sind Dusch- bzw Waschzeiten hingegen nicht vom AG angeordnet, können diese dennoch als Arbeitszeit zu qualifizieren sein, wenn sie aus hygienischen Gründen erforderlich sind. Auch dann ist von einer arbeitsleistungsspezifischen Tätigkeit oder Aufgabenerfüllung für den AG auszugehen, weil die AN in der Gestaltung der Zeit nicht autonom, sondern für den AG agieren. Die AN setzen dabei Handlungen, die nicht Ausfluss ihrer eigenen Gestaltung, sondern Ausfluss der Fremdbestimmung durch den AG sind (vgl zur Umkleidezeit schon Mazal, Umkleidezeit als Arbeitszeit, in Kietaibl/Mosler/Pacic [Hrsg], Liber Amicorum für Robert Rebhahn [2019] 63 [66 ff]; darauf abstellend auch OGH9 ObA 29/18g).

Wie der OGH zutreffend festhielt, liegt eine solche „Erforderlichkeit“ nicht vor, wenn die Hygienemaßnahmen lediglich zur Herstellung persönlicher Hygienestandards der AN dienen. Auf weitere Ausführungen wurde in der E verzichtet. Es stellt sich daher die Frage, wann Waschen oder Duschen aus hygienischen Gründen erforderlich sein kann, sodass sie insb als Vor- oder Nachbereitungshandlungen der Kernarbeitsleistung jenes erforderliche Maß an Intensität der Fremdbestimmung erreicht, dass nicht mehr von Freizeit, sondern von Arbeitszeit auszugehen ist.

3.2.1.
Erforderlichkeit von Hygienemaßnahmen zum Schutz vor Infektionen

Die erforderliche Intensität der Fremdbestimmung kann zunächst wiederum durch eine notwendige Gesundheitsprävention insb zum Schutz vor übertragbaren Krankheiten (Infektionsschutz) vorliegen. Das trifft vor allem auf jenes (Gesundheits-) Personal zu, das infektiöse Patientinnen und Patienten versorgt und deren Dusch- und Waschzeiten nicht schon aufgrund einer Anordnung des AG als Arbeitszeit zu qualifizieren ist. So wird bspw bei 603 AN, die aufgrund ihrer Tätigkeit mit Covid-19-infizierten Personen in Kontakt kommen, das Duschen oder Waschen vielfach aus hygienischen Gründen notwendig sein. Andernfalls wären neben dem Risiko der Ausbreitung einer Krankheit auch die Dispositionsmöglichkeiten der AN stark beschränkt, schließlich kann in solchen Fällen den AN, aber auch der Öffentlichkeit (wie etwa anderen Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel) nicht zugemutet werden, dass diese Personen vor der Reinigung zu Hause den Heimweg etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln antreten. In der Praxis werden ua in vielen Intensivstationen – sofern infektiöse Patientinnen und Patienten versorgt werden – die Duschzeiten bereits jetzt der Arbeitszeit angerechnet.

Einen Hinweis für die Identifizierung von Arbeitsverhältnissen, bei denen Hygienemaßnahmen zum Infektionsschutz erforderlich sind, können Infektionszulagen bieten. Solche Infektionszulagen finden sich in diversen Kollektivverträgen und werden idR als monatlicher Zuschlag dann ausbezahlt, wenn die AN in Ausübung ihrer Tätigkeit bspw mit Blut, Sputum, Harn, Stuhl, ätzenden oder giftigen Reagenzien oder infektiösem Material in Berührung kommen oder dem Risiko einer Tröpfcheninfektion ausgesetzt sind (vgl zB § 14 Z 2 Rahmen-KollV Arzt-Angestellte OÖ; Pkt XVIII. Z 2 Rahmen-KollV Arzt-Angestellte S.).

3.2.2.
Erforderlichkeit von Hygienemaßnahmen aufgrund starker Verschmutzung

Die Erforderlichkeit von Hygienemaßnahmen kann sich aber nicht nur aus dem Infektionsschutz ergeben, sondern auch aufgrund einer starken Verschmutzung von Körper und Bekleidung der AN, die bei Erbringung ihrer Arbeitstätigkeiten entstanden ist. Während in Österreich eine höchstgerichtliche E zur Kategorisierung von Duschund Waschzeiten bei Verschmutzung abzuwarten bleibt, hatte sich das deutsche Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits im Jahr 2000 mit dem Fall eines in einer Müllentsorgung beschäftigten AN zu befassen (BAG 11.10.2000, 5 AZR 122/99). Das BAG entschied dabei, dass bei Müllerwerkern das Duschen und Waschen nach Beendigung der geschuldeten Tätigkeit als Arbeitszeit zu qualifizieren sei. Es handle sich dabei nicht um Handlungen, die lediglich dem eigenen Bedürfnis der AN dienen und somit als Vorbereitung der Freizeit anzusehen seien, sondern um solche, die für die Wiederherstellung des Zustands vor der Tätigkeitsaufnahme notwendig sein sollen und damit lediglich dessen insgesamt fremdnützige Tätigkeit beenden würden (mangels weiterer Voraussetzungen wies das BAG den eingeklagten Entgeltanspruch aber dennoch ab).

Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Sie kann auch auf die österreichische Rechtslage übertragen werden. Hygienemaßnahme zur Entfernung einer durch die Arbeit entstandenen Verschmutzung sind Ausfluss der Kernarbeitsleistung. Freilich sind dabei nur solche Verschmutzungen erfasst, die über das übliche Maß hinausgehen. In Anlehnung an die Judikatur zu den Umkleidezeiten sind uE Dusch- und Waschzeiten dann als Arbeitszeit zu qualifizieren, wenn es dem AN objektiv gesehen nicht zumutbar ist, aufgrund der durch die Erbringung der Arbeitsleistung entstandenen Verschmutzung nach Arbeitsende den Heimweg ohne vorheriges Duschen/Waschen anzutreten.

Beispiele für Tätigkeiten, bei denen eine entsprechend starke Verschmutzung auftreten könnte und Waschzeiten aus hygienischen Gründen erforderlich sind, wären etwa Tätigkeiten im Straßenbau, im Schlachthof, im Bergbau, im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe oder im Entsorgungs- und Ressourcenmanagement. Ähnlich wie für die Erforderlichkeit des Wasch-/Duschvorgangs aufgrund einer Infektionsgefahr Infektionszulagen einen Anhaltspunkt liefern können, können bei Verschmutzungen Schmutzzulagen in Kollektivverträgen als Indikator herangezogen werden. Solche Schmutzzulagen werden für Arbeiten gewährt, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen zwangsläufig eine außerordentliche Verschmutzung von Körper und Bekleidung bewirken (vgl zB Abschnitt 7 Z 17 lit a Rahmen-KollV Elektro- und Elektronikindustrie; XIV. Zulagen und Zuschläge Z 1 Rahmen-KollV Bergbau; § 12 Anhang-KollV Fleischwarenindustrie). Auszuscheiden sind aber freilich jene Fälle, in denen sich die Schmutzzulage auf die Verschmutzung der Bekleidung bezieht. In diesem Fall sind Umkleidezeiten, nicht aber die Dusch- und Waschzeiten als Arbeitszeit zu beurteilen.

Eine weitere Hilfestellung bei der Festmachung der Unzumutbarkeit kann § 34 Abs 2 der Arbeitsstättenverordnung (BGBl II 1998/368) bieten: Demnach sind Duschen für jene AN zur Verfügung zu stellen, „deren Arbeitsbedingungen eine umfassendere Reinigung als die der Hände, der Arme und des Gesichts erforderlich machen, insbesondere wegen starker Verschmutzung oder Staubeinwirkung, wegen hoher körperlicher Belastung oder Hitzeeinwirkung oder wegen Hautkontakts mit gefährlichen Arbeitsstoffen“. Diese Kriterien können uE auch zur Feststellung unzumutbarer Verschmutzungen fruchtbar gemacht werden.

Aus diesem Grund wird leichtes Schwitzen das erforderliche Ausmaß jedenfalls nicht erreichen, schweißgebadet einen im Schutzanzug geleisteten Dienst auf einer Intensivstation zu beenden hingegen schon. Sofern – wie im vorliegenden Fall – bereits durch das Wechseln von Dienstkleidung zu Privatkleidung ein objektiv ausreichender Hygienestandard sichergestellt wird, ist dem AN der Weg nach Hause auch ohne vorherige Dusche zuzumuten.

Die Unzumutbarkeit ist nach objektiv-abstrakten Kriterien zu beurteilen. Subjektive Hygienestandards der AN sind dabei nicht zu berücksichtigen. Die konkrete Abgrenzung, ab welchem Grad von Verschmutzung die anschließenden Duschzeiten als Arbeitszeit zu qualifizieren sind, ist schwierig und muss unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall erfolgen (so auch LAG Düsseldorf 3.8.2015, 9 Sa 425/15).

Nicht zu berücksichtigen sind hingegen die in der Literatur (zur Umkleidezeit) vorgebrachten Einwände, 604 wonach bei Beurteilung bestimmter (kürzerer) Zeiträume als Arbeitszeit oder Ruhezeit eine Atomisierung des Arbeitszeitbegriffs zu befürchten sei (Resch, Umkleidezeit und Beginn der Arbeitszeit, RdW 2015, 109 [112]) sowie dass die Beliebigkeit der Dauer der Dusch- und Waschzeiten gegen die Wertung als Arbeitszeit spräche (vgl wiederum Resch, RdW 2015, 109 [112]). Diese hat der OGH schon in seinen bisherigen Entscheidungen entkräftet. Einerseits stellt die Dauer bestimmter Zeiträume bei der Einordnung als Arbeitszeit keine eigenständige Voraussetzung dar. Sie ist allerdings bei der Gesamtbeurteilung mit ins Kalkül zu ziehen (OGH 25.5.2020, 9 ObA 13/20g) Andererseits hat das Tempo einer Arbeitsleistung idR eine individuelle Komponente. „Trödeln“ ist grundsätzlich nicht mit der Disqualifikation der geleisteten Zeit als Arbeitszeit zu sanktionieren (OGH 17.5.2018, 9 ObA 29/18g; zustimmend Auer-Mayer, DRdA 2019/3, 256 [260]). Der hier zu besprechende Fall passt daher zur bisherigen Rsp, denn die laut Sachverhalt von der Kl für das Duschen benötigte Dauer von 15 Minuten findet sich nicht in den Entscheidungsgründen wieder und war somit für den Beschluss des OGH offenkundig nicht von Bedeutung.

3.2.3.
Zeit und Ort der Hygienemaßnahmen

In zeitlicher Hinsicht ist eine Differenzierung zwischen Umkleidezeiten auf der einen und Dusch- und Waschzeiten auf der anderen Seite erforderlich. Anders als das Umkleiden können Duschen und Waschen aufgrund von Verschmutzungen nämlich nur nach Erbringung der jeweiligen Tätigkeit als Arbeitszeit qualifiziert werden, da die Verschmutzung zumindest im weiteren Sinne auf die Tätigkeit zurückzuführen sein muss, um sie als Arbeitszeit zu werten. Die Reinigung von starken Verschmutzungen vor Arbeitsbeginn kann dem AG nicht zugerechnet werden und ist deshalb nicht als Arbeitszeit zu qualifizieren. Erscheint etwa ein AN stark verschmutzt zum Arbeitsantritt, wird es regelmäßig so sein, dass dieser nicht leistungsbereit ist. Allfällige Hygienemaßnahmen zur Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit des AN sind deshalb auch nicht der Arbeitszeit zuzuordnen.

In örtlicher Hinsicht stellt sich – ähnlich wie bei den Umkleidezeiten – die Frage, ob Dusch- und Waschzeiten auch dann als Arbeitszeit qualifiziert werden können, wenn sie nicht im Betrieb, sondern zu Hause durchgeführt werden. Zwar ist analog zur hM bei den Umkleidezeiten auch in Bezug auf Dusch- und Waschzeiten eine differenzierte Sichtweise angebracht. Nicht zutreffend sind deshalb pauschale Ansichten, wonach Wasch- und Duschzeiten am Wohnort des AN zwangsläufig nicht als Arbeitszeit zu qualifizieren sind. Der Ort der Handlung stellt zwar ein wichtiges Indiz für die Fremdbestimmtheit, aber kein Ausschlusskriterium dar (so zur Umkleidezeit zutr Auer-Mayer, DRdA 2019/3, 256 [261]; Gasteiger, Wenn die Arbeitskleidung für den Heimweg unzumutbar ist, DRdA 2021/14, 146 [151]). Die Problematik erscheint bei Dusch- oder Waschzeiten in der Praxis allerdings deutlich geringer zu sein. Das hat uE vor allem praktische Hintergründe. So kann ein wirksamer Infektionsschutz (nur) dann sicherstellt werden, wenn die angeordneten Hygienemaßnahmen unmittelbar vor Aufnahme bzw nach Beendigung der Arbeit und somit im Betrieb stattfinden. Andernfalls könnten Gesundheitserreger auf dem Weg zur Arbeit erneut aufgenommen oder auf dem Heimweg auf andere Personen übertragen werden. Ebenso ist im Falle von für die Qualifikation als Arbeitszeit notwendigen starken Verschmutzungen (siehe dazu oben) regelmäßig nicht davon auszugehen, dass AN bei Verfügbarkeit von Dusch- und Waschmöglichkeiten (siehe § 34 Arbeitsstättenverordnung) erst zu Hause die entsprechenden Hygienemaßnahmen durchführen und zuvor den unzumutbaren Arbeitsweg antreten. In Ausnahmefällen können sich aber freilich die gleichen oder zumindest ähnliche Fragestellungen wie zur Qualifikation der Umkleidezeit ergeben, weshalb an dieser Stelle auf die diesbezügliche Diskussion verwiesen werden kann (vgl insb Gasteiger, DRdA 2021/14, 146 [150 f]; Auer-Mayer, DRdA 2019/3, 256 [260 f]; Geiblinger, Und täglich grüßt die Umkleidezeit, ASoK 2020, 369 [371]).

4.
Fazit und Ausblick

Neben Umkleidezeiten können auch Dusch- und Waschzeiten als Arbeitszeit qualifiziert werden, wenn diese angeordnet oder aus hygienischen Gründen erforderlich sind. Die Abgrenzung hat im Rahmen einer Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls am Maßstab der Fremdbestimmung zu erfolgen. Aufgrund der damit verbundenen Rechtsunsicherheit ist in Zukunft mit weiteren Verfahren zum Arbeitszeitbegriff – insb betreffend Umkleide-, Wasch- und Duschzeiten – zu rechnen. 605