Fuchs/Schuster (Hrsg)Arbeitsrecht im Konzern

Linde Verlag, Wien 2020, XIV, 201 Seiten, kartoniert, € 48,–

LINDAKREIL (WIEN/WIENER NEUSTADT)

Mit ihrem Werk haben die beiden Herausgeber gemeinsam mit elf durchwegs aus Anwaltskanzleien oder dem Personalwesen kommenden Autor:innen erstmals seit fast 25 Jahren ein österreichisches Buch zum Konzern arbeitsrecht vorgelegt. Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, dass sich seither einiges getan hat.

Mit ihrem Werk haben die beiden Herausgeber gemeinsam mit elf durchwegs aus Anwaltskanzleien oder dem Personalwesen kommenden Autor:innen erstmals seit fast 25 Jahren ein österreichisches Buch zum Konzern arbeitsrecht vorgelegt. Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, dass sich seither einiges getan hat.

Nach einem einführenden Beitrag von Kisser (Konzernbegriff und Arbeitgebereigenschaft des Konzerns 1 ff) behandelt Bogensberger unter dem allgemein gehaltenen Titel „Arbeitsrecht im Konzern“ ua das kaum beachtete Weisungsrecht im Konzern (vgl aber neuerdings auch Vinzenz, Arbeitsrechtliche Qualifikation und Behandlung von Matrixstrukturen, ZAS 2022, 4). Der Autorin ist darin zuzustimmen, dass das arbeitsrechtliche Weisungsrecht durch Bevollmächtigung an Führungskräfte anderer Konzernunternehmen delegiert werden kann (28). Zu ergänzen wäre mE, dass die in der Praxis recht häufigen Konzernrichtlinien nicht nur (wie die Autorin auf S 25 insoweit zutreffend ausführt) als (Konzern-)Betriebsvereinbarungen oder Betriebsübung in Geltung stehen können: Sofern sie sich mit Anordnungen direkt an die AN wenden, können sie als generelle Weisungen (vgl Rebhahn in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 [2018] § 1151 ABGB Rz 58/1) angesehen werden. Über die Zulässigkeit der konkreten Anordnung ist damit freilich noch nichts ausgesagt. Hier dürfte im internationalen Konzernmanagement mitunter ein Problembewusstsein für die Unterschiedlichkeit der einzelnen Rechtsordnungen fehlen.

Sodann beschäftigen sich Fuchs (31 ff) mit der Arbeitskräfteüberlassung, Waidmann (47 ff) mit der Versetzung und Disarò (61 ff) mit der AN-Vertretung im Konzern. In diesen Beiträgen wird leider übergangen, dass der von Disarò auf S 63 nur kurz und allgemein angesprochene Betriebsbegriff im Konzern, namentlich bei der Abgrenzung von Betrieben in unternehmensübergreifenden Strukturen, erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. Bereits in den 1990er-Jahren gab es im Gefolge einer zu einem damals bekannten Zeitungsunternehmer ergangenen OGH-E eine breite Diskussion dazu (OGH9 ObA 311/93

[Gahleitner]; ausführlich Kreil, Die Belegschaftsorganisation im Konzern, ZAS 2014, 52 ff mwN). Durch moderne Konzernstrukturen ist das Problem nicht gerade kleiner geworden (vgl zur Matrixorganisation Schubert, Konzernstrukturen und Arbeitsrecht, ; OGH8 ObA 22/13pDRdA 2014/43 [Jabornegg]= ZAS 2014/52 [Kreil]; Haberer/Peschek, Arbeitsrecht, in Haberer/Krejci, Konzernrecht [2016] Rz 18.74 ff).

Unbehandelt bleibt die ebenfalls wichtige Frage, ob die Versetzung von AN zwischen den Betrieben verschiedener Konzernunternehmen ein Fall für den betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsschutz ist. Die Anwendbarkeit des § 101 ArbVG auf Versetzungen zwischen verschiedenen Betrieben ein und desselben Unternehmens vorausgesetzt (befürwortend Schrammel in Tomandl, ArbVG-Kommentar § 101 Rz 44; ablehnend Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II [2017] 70), ist dies mE zu bejahen. Bei einer Versetzung innerhalb des „gemeinsamen“ Betriebs mehrerer Konzernunternehmen gilt der Versetzungsschutz ohnehin in seinem Kernbereich, ist also unproblematisch.

Es folgen die nicht wirklich konzernbezogenen, gleichwohl für die Praxis interessanten Beiträge „Grenzüberschreitende Personaleinsätze“ (Lambacher 75 ff) und „Fallstricke in der Personalverrechnung“ (Schuster 113 ff). Die Themen Gleichbehandlung und Kündigungsschutz werden wiederum von Bogensberger behandelt. Die Autorin weist zutreffend darauf hin, dass die soziale Gestaltungspflicht iZm dem allgemeinen Kündigungsschutz den AG nur ausnahmsweise dazu verpflichtet, Einsatzmöglichkeiten in anderen Betrieben des Unternehmens oder des Konzerns zu prüfen (144). Sie vertritt dazu allerdings – neben anderen Einschränkungen – die These, dass „eine vereinbarte, aber nicht gelebte Konzernversetzungsklausel alleine nicht zu einer konzernweiten Weiterbeschäftigungspflicht führen sollte“.

Hier sind Zweifel anzumelden, würde dies doch eine sittenwidrigkeitsverdächtige Schieflage begründen: Einerseits setzt sich die AG-Seite im Wege der Vertragsgestaltung über die Trennung der einzelnen Gesellschaften (also das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip) hinweg und hält sich die Option konzernweiter Versetzungen offen, was an sich erlaubt ist. Andererseits besteht sie sehr wohl auf genau dieser Trennung, sobald die Nicht-Trennung für die AN-Seite zum Vorteil gereichen könnte. Auch stellt die Konzernversetzungsklausel, selbst wenn von ihr im Laufe des Arbeitsverhältnisses nicht Gebrauch gemacht werden sollte, stets einen Unsicherheitsfaktor für den AN dar: Es könnte ja doch noch zur Konzernversetzung kommen. Somit tendiere ich nach wie vor zur Meinung, dass eine Erweiterung des Kündigungsschutzes Platz greifen sollte, sobald der Einsatz eines AN über die Unternehmensgrenzen hinweg vertraglich vereinbart ist (Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern [1996] 222). Näherer Untersuchung bedürfte allerdings die rechtliche Umsetzbarkeit (einen Kontrahierungszwang als Mittel ablehnend Jabornegg, Arbeitsvertragsrecht im Konzern [Schluss], DRdA 2002, 118, 129).

Bevor das Werk mit den Themen „Compliance“ (Huber/Schwab 165 ff) und „Social Media“ (Samitsch/Behrus-Kiennast 185 ff) ausklingt, widmen sich Lohberger und Graf den Einsichtsrechten des BR in Gehaltsdaten und Personalakten aus arbeits- und datenschutzrechtlicher Perspektive (147 ff). Hierbei geht es ua um die Frage, ob der BR Verantwortlicher iSv Art 4 Nr 7 DSGVO ist. Die beiden Autoren verraten im Kapitel 7.1 ihres (ansonsten informativen) Beitrags, welche Argumente dafür, und im Kapitel 7.2, welche dagegen sprechen, ohne sich zu einer gemeinsamen Meinung oder wenigstens einem abschließend erklärenden Satz durchzuringen. Das kann beim schnellen Nachschlagen zu groben Missverständnissen führen.

Inhaltlich ist die Frage in der Tat nicht leicht zu entscheiden. Goricnik (ecolex 2019, 796 f; anders Salcher, ecolex 2019, 616 ff) hat mE überzeugend argumentiert, den BR, sofern er Datenverarbeitung iSd DSGVO betreibt, als Verantwortlichen iSv Art 4 Nr 7 DSGVO anzusehen. Inzwischen wurde dies auch von der Datenschutzbehörde bejaht (4.12.2019, DSB-D084.1389/0001-DSB/2019, Dako 2020/12, 19; Leitsatz bei Jahnel, Kommentar zur 616 DSGVO [2021] 60; aktuell Goricnik, Datenverarbeitung durch den Betriebsrat, Dako 2022/3, 4 f).

Dass einerseits die datenschutzrechtliche Stellung des BR auf breitem Raum abgehandelt und andererseits die konzernweit operierende HR-Abteilung völlig ausgeblendet wird, überrascht. Werden die Konzern-Personalagenda von der Muttergesellschaft wahrgenommen oder in eine eigene Tochter ausgegliedert, so ist die Weitergabe von Personaldaten an diese zweifellos eine Datenübermittlung iSd DSGVO. Die DSGVO kennt, wie Lohberger/Graf (163) festhalten, kein echtes Konzernprivileg (wenngleich das Interesse am konzerninternen Datenaustausch als ein berechtigtes iSv Art 6 DSGVO anerkannt wird).

Problematisch wird das alles, wenn das für das Konzernpersonal zuständige Unternehmen im EU-Ausland, namentlich in den USA, situiert ist. Seit der – wohl erst während der Drucklegung des Buches bekannt gewordenen – EuGH-E „Schrems II“ bildet das so genannte „Privacy Shield“-Abkommen keine Basis mehr für einen (Personal-)Datentransfer in die USA. Doch da dessen Vorgänger, das „Safe Harbour-Abkommen“, dasselbe Schicksal bereits 2015 ereilt hatte, sollte die Problematik grundsätzlich bekannt sein (ausführlich zB Jahnel, DSGVO Art 45 Rz 10 ff; Warter, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz, DRdA 2022, 179, 185 f). Datenschutzkonforme Lösungen müssen somit über Art 46 („andere geeignete Garantien“, insb Standarddatenschutzklauseln) oder über Art 47 DSGVO („Binding Corporate Rules“, BCR) und die damit einhergehenden Erfordernisse führen (eingehend Leitinger, DSGVO-konforme Datenübermittlung in die USA, ecolex 2021, 589 ff).

Die Herausgeber haben also angesichts mancherorts augenfälliger Lücken (auch in der Verarbeitung von Literatur und Rsp) gut daran getan, schon im Vorwort darauf hinzuweisen, dass das Werk „keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und erheben kann“. Wenn eine Frage einigermaßen rechtssicher zu klären ist, sollte daher auf weitere Recherchen nicht verzichtet werden. Auch wer einen vertieften, kritischen Problemaufriss sucht, wird hier kaum fündig werden.

Gleichwohl stellt das Buch einen sehr nützlichen Arbeitsbehelf dar, dies vor allem für Personalist:innen in internationalen Konzernen, die sich nicht nur über den Konzern, sondern auch über die österreichische Rechtslage zu den typischen Fragen des Konzernalltags informieren wollen. Auch Betriebsräten kann es mE in diesen Belangen gute Dienste leisten.