140

Auslandsdienststellen bilden gemeinsam mit der Zentrale in Österreich einen einzigen, einheitlichen Betrieb iSd § 34 ArbVG

MARTINACHLESTIL

Gem § 1 Abs 1 Entwicklungszusammenarbeitsgesetz (EZA-G) hat der Bund Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen seiner internationalen Entwicklungspolitik zu leisten. Dafür wurde nach § 6 EZA-G die Österreichische Gesellschaft für Entwicklungszusammenarbeit mbH mit dem Firmenwortlaut Austrian Development Agency – ADA, hier die Bekl, errichtet; alleiniger Gründer und Eigentümer der Bekl ist der Bund, Sitz der Bekl ist in Wien.

Die Bekl richtete zur Durchführung ihrer Aufgaben elf Koordinationsbüros im Ausland ein, die jeweils von einem vor Ort befindlichen Leiter geführt werden. Daneben gibt es im Ausland 13 für eine bestimmte Dauer oder ein bestimmtes Projekt eingerichtete Projektbüros, die dem jeweiligen Koordinationsbüro zugeordnet sind. Die Koordinations- und die Projektbüros werden gemeinsam als Auslandsdienststellen der Bekl bezeichnet. AG sämtlicher dort beschäftigter Personen ist die Bekl, wobei die Anstellung der Mitarbeiter vor Ort teilweise nach dem jeweils lokal geltenden Arbeitsrecht erfolgt.

Nach den Betriebsratswahlen 2012, 2016 und 2020 teilte die Geschäftsführung der Bekl dem kl BR mit, dass bei der Betriebsratswahl auch KoordinationsbüroleiterInnen sowie lokale Angestellte, die außerhalb der Zentrale der Bekl ihren Arbeitsort hätten, vom Wahlvorstand zur Betriebsratswahl zugelassen worden seien. Dies entspreche nicht der Rechtsansicht der Geschäftsführung, wonach die Zentrale der Bekl als ein Betrieb zu sehen sei und die Koordinationsbüros gemeinsam mit den Projektbüros als eigene Betriebe iSd § 34 ArbVG zu qualifizieren seien.

Der kl BR begehrt nun im vorliegenden Verfahren ua die Feststellung, dass die Bekl samt den ihr zugehörigen Auslandsdienststellen (Koordinationsbüros und Projektbüros) einen einzigen, einheitlichen und ungeteilten Betrieb iSd § 34 ArbVG darstellt.

Dem gab das Erstgericht nicht Folge: Schon aus § 14 Abs 4 EZA-G ergebe sich, dass die Bekl als Betrieb iSd § 34 ArbVG gelte; daraus sei aber nicht ableitbar, dass im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip auch im Ausland gelegene Dienststellen (Arbeitsstätten) dem österreichischen Betriebsbegriff unterlägen; vielmehr sei zu überprüfen, ob im Ausland tätige AN dem inländischen Betrieb zugehörig seien. Auch nach dem Berufungsgericht sage die gesetzliche Anordnung in § 14 Abs 4 Satz 2 EZA-G, wonach die Bekl als Betrieb iSd § 34 ArbVG gelte, nichts darüber aus, ob die Auslandsdienst300stellen der Bekl einen einheitlichen Betrieb mit der Zentrale bildeten; vielmehr diene die Bestimmung der Klarstellung, dass die Bekl nicht unter die Ausnahme des § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG falle; ob ein einheitlicher Betrieb vorliege, sei anhand der von der Rsp dazu aufgestellten Kriterien zu prüfen; auch im Ausland gelegene unselbständige Betriebsteile eines in Österreich gelegenen Betriebs blieben betriebsverfassungsrechtlich Bestandteil des österreichischen Betriebs.

Der OGH teilt die Rechtsauffassung des kl BR. Er stimmt dem Berufungsgericht zwar insofern zu, als der Wortlaut des Gesetzes (§ 14 Abs 4 Satz 2 EZA-G) allein keine klare Aussage darüber trifft, ob die Auslandsdienststellen der Bekl einen einheitlichen Betrieb mit der Zentrale bilden. Die Gesetzesauslegung darf aber nicht bei der Wortinterpretation stehen bleiben, insb wenn sich dadurch für einzelne Bestimmungen kein Anwendungsgebiet ergibt, sie also sinnlos blieben. Wenn der Wortlaut eines Gesetzes – wie hier – mehrere Auslegungen zulässt, dann ist, wenn möglich, der Wille des Gesetzgebers zu erforschen und allenfalls die Bestimmung in jenem Sinne auszulegen, der im Hinblick auf die übrige Rechtsordnung und, damit verbunden, auch auf die Zweckmäßigkeit sinnvoller erscheint.

Aus dem klaren Wortlaut des § 14 Abs 4 Satz 1 ArbVG folgt zunächst, dass für „alle Arbeitnehmer der ADA“ (Bekl als privater Rechtsträger) das ArbVG in der geltenden Fassung zur Anwendung kommt. § 14 Abs 4 Satz 2 ArbVG normiert ausdrücklich, dass die Bekl als Betrieb iSd § 34 ArbVG gilt, womit auch die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG (§ 33 Abs 1 ArbVG) für die Bekl gelten.

Dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „alle Arbeitnehmer der ADA“ auch die AN der Koordinationsbüros meint(e), folgt nicht nur aus der Systematik des Gesetzes, sondern auch der historischen Auslegung, wonach der Betrieb der (damals bestehenden) österreichischen EZA-Koordinationsbüros auf die Bekl überging (vgl ErläutRV 81 BlgNR 22. GP 3); damit in Einklang steht auch die Feststellung, wonach AG sämtlicher in den Auslandsdienststellen beschäftigter Personen die Bekl ist.

Aus den Erläuternden Bemerkungen kommt auch klar hervor, dass der Zweck der Bestimmung des § 14 Abs 4 EZA-G sein soll, dass alle AN der Bekl hinsichtlich ihrer AN-Rechte vom BR der Bekl (also von einem BR) vertreten werden (ErläutRV 81 BlgNR 22. GP 14). Damit soll erkennbar die Bildung einer großen Anzahl von Betriebsratskollegien verhindert werden, was bei einem weit verstreuten Netz von Arbeitsstätten, wie hier vor allem durch die bei Errichtung der Bekl bereits bestehenden 14 EZA-Koordinationsbüros, der Fall sein könnte. Dahinter steht der AN-Schutzgedanke, der sich gerade für die sich im Ausland befindlichen AN stellt.

Bestimmt schon § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G, dass das ArbVG für alle AN der Bekl zur Anwendung gelangt, kann aber der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden, die Bestimmung des § 14 Abs 4 EZA-G in ihrer Gesamtheit diene lediglich der Klarstellung, dass die Bekl nicht unter die Ausnahme des § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG falle, nach der die Behörden, Ämter und sonstigen Verwaltungsstellen des Bundes, der Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden vom Geltungsbereich des II. Teils des ArbVG ausgenommen sind. Hätte doch bei dieser Ansicht jedenfalls der zweite Satz des § 14 Abs 4 EZA-G keine weitere inhaltliche Bedeutung, weil sich die Bekl gerade dadurch auszeichnet, dass sie neben der Zentrale in Wien zahlreiche Koordinationsbüros im Ausland unterhält. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, eine überflüssige und damit inhaltslose Regelung getroffen zu haben. Die Bestimmung des § 14 Abs 4 EZA-G ist daher vielmehr als Gesamtregelung anzusehen. Bedingung für die Annahme eines einheitlichen Betriebs iSd § 34 ArbVG ist, dass der Anwendungsbereich (sachlich und räumlich) des ArbVG für alle AN (im In- und Ausland) überhaupt eröffnet ist. Diese Vorfrage löste der Gesetzgeber bereits durch die Erklärung der Anwendbarkeit des ArbVG für alle AN der Bekl, sodass eine gesonderte Prüfung des sachlichen (und auch räumlichen) Geltungsbereichs iSd § 33 ArbVG nicht mehr stattzufinden hat. Der zweite Satz des § 14 Abs 4 EZA-G bezieht sich auf die Bestimmung des § 34 ArbVG, der im ArbVG den Betriebsbegriff definiert.

Dieses Ergebnis führt, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, auch nicht zu einer Verletzung des dem II. Teil des ArbVG innewohnenden Territorialitätsprinzips. Richtig ist zwar, dass grundsätzlich die Bestimmungen des II. Teils des ArbVG (nur) auf alle in Österreich liegenden Betriebe anzuwenden sind. § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G statuiert für den vorliegenden Fall aber – erkennbar aus einem öffentlich-rechtlichen AN-Schutzgedanken heraus (vgl §§ 38, 39 Abs 1 ArbVG) – (auch) die (räumliche) Anwendbarkeit des II. Teils des ArbVG auf alle AN der Bekl.

Eine vergleichbare Regelung zu § 14 EZA-G findet sich in § 135 Abs 1 und 2 UG 2002. Auch § 135 Abs 1 UG 2002 – ähnlich mit § 14 Abs 4 Satz 1 EZA-G – wird als betriebsverfassungsrechtliche Norm verstanden, die eine vom allgemeinen System des ArbVG abweichende Regelung enthält, nach der die Universität betriebsverfassungsrechtlich mit sämtlichen (im In- und Ausland befindlichen) Universitätseinrichtungen und Dienststätten als einheitlicher Betrieb gilt.

Zusammengefasst gilt die gem § 6 Abs 1 EZA-G errichtete Österreichische Gesellschaft für Entwicklungszusammenarbeit mit beschränkter Haftung (ADA) mit ihren im Ausland eingerichteten Koordinationsbüros und diesen zugeordneten Projektbüros als einheitlicher Betrieb iSd § 34 Abs 1 ArbVG.301

Da nach dem OGH somit kein Raum für eine Überprüfung der zu § 34 ArbVG judizierten Kriterien verbleibt, ist der Rekurs des kl BR zulässig und dem Feststellungsbegehren in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen stattzugeben.