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Keine Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens trotz nachfolgender, abweichender Entscheidung der Bundes-Gleichbehandlungskommission

FRANKHUSSMANN

Im Verfahren vor dem Erstgericht wurde die von der Kl mit einer Diskriminierung aufgrund ihres Alters und ihrer Weltanschauung begründete Klage mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 25.1.2022 abgewiesen, weil das Erstgericht keine Diskriminierung der Kl feststellen konnte.

In diesem Verfahren hatte die Kl im Rahmen ihrer Vernehmung als Partei angegeben, parallel zur (damaligen) Klage eine Beschwerde bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK) eingebracht zu haben. Das „Gutachten“ der B-GBK hatte zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Urteils des Erstgerichts aber noch nicht vorgelegen.

In der auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützten Wiederaufnahmeklage beim Erstgericht behauptete die Kl, dass seit 28.11.2022 das Gutachten der B-GBK vorliege und dass sie zufolge desselben sehr wohl aufgrund ihres Alters diskriminiert worden sei.

Mit der angefochtenen Entscheidung bestätigte das Rekursgericht die Zurückweisung der Wiederaufnahmeklage durch das Erstgericht im Vorprüfungsverfahren (§ 538 ZPO) und ließ eine ordentliche Revision gegen diesen Beschluss nicht zu. Trotz der gesetzlichen Bezeichnung handle es sich um kein „Gutachten“ iS eines Sachverständigengutachtens, sondern um die in dem im B-GlBG vorgesehenen Verfahren ergehende Entscheidung. Die Entscheidungen der B-GBK seien unverbindlich. Das Arbeitsgericht könne über die Frage einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots ohne Rücksicht darauf entscheiden, ob die B-GBK mit dieser Frage bereits befasst wurde. Nach der höchstgerichtlichen Rsp könne der Umstand, dass in einem anderen Verfahren die Beweise anders gewürdigt und deshalb vom wiederaufzunehmenden Verfahren abweichende Feststellungen getroffen wurden, den Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO von vornherein nicht verwirklichen.

Die Kl führt für die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses gegen die Entscheidung des Rekursgerichts ins Treffen, es sei zwar richtig, dass Gutachten der B-GBK keine Bindungswirkung in gerichtlichen Verfahren zukomme, es sei aber verfehlt, diesen jegliche Beweiskraft abzusprechen. Wenn die GBK zu einem anderen Ergebnis gelange, dränge sich die Frage auf, wieso der Sachverhalt unterschiedlich bewertet worden sei. Da es hier um den Schutzbereich des Art 14 MRK und des Art 7 B-VG – konkretisiert durch §§ 13 und 18 B-GlBG – gehe, sei es angebracht, zumindest in diesem Bereich neuerlich zu prüfen. Es frage sich, welche Existenzberechtigung die GBK mit ihrer Expertise im Bereich der Diskriminierung ansonsten hätte.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl zurück und stellte ergänzend zu den Erwägungen des Rekursgerichts fest, dass nach dem Gesetz sich in einem gerichtlichen Verfahren wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots das Gericht mit einem „Gutachten“ der B-GBK im Einzelfall zu befassen und ein davon abweichendes Ergebnis zu begründen hat (§ 61 GlBG und § 20 Abs 5a B-GlBG), sofern das Gutachten der GBK bereits existiert und es dem Gericht vorgelegt wurde. Dass bei Erstellung des „Gutachtens“ erst nach Beendigung des Gerichtsverfahrens dieses über Klage wiederaufzunehmen wäre, bedeutet laut OGH, dass es in der Gestaltungshoheit der GBK läge, die Voraussetzung zur Beseitigung eines Gerichtsurteils zu schaffen. Dass – abseits der besonders gesetzlich geregelten Fälle gerichtlicher Entscheidungen (§ 530 Abs 1 Z 1 bis 5 iVm § 534 Abs 2 Z 3 ZPO) – einer Verfahrenspartei der in einem Zivilprozess rechtskräftig erstrittene Erfolg durch eine Entscheidung einer anderen staatlichen Institution weggenommen werden könnte, verletzt nach Ansicht des OGH den Art 6 MRK, konkret den aus dem Recht auf ein faires Verfahren abzuleitenden Grundsatz der Rechtssicherheit. Im Ergebnis würde damit die aufgrund der Erwirkung einer der Gerichtsentscheidung nachfolgenden, von ihr abweichenden B-GBK-Entscheidung zustehende Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens eine verdeckte Rechtsmittelmöglichkeit darstellen, was sich nicht mit Art 6 MRK vereinbaren lässt.

Nach Ansicht des OGH schließt auch das Gebot der verfassungskonformen Interpretation aus, den § 530 Abs 1 Z 7 ZPO dahingehend auszulegen, dass es sich bei einem der Gerichtsentscheidung nachfolgenden, von ihr abweichenden B-GBK-Entscheidung um ein „Beweismittel“ iS dieser Vorschrift handelt.302