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Dienstnehmereigenschaft eines LKW-Fahrers: Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt

KRISZTINAJUHASZ

Der Erstmitbeteiligte, ein serbischer Staatsangehöriger mit Hauptwohnsitz in Vorarlberg, vereinbarte mit der revisionswerbenden S-GmbH, dass er als LKW-Fahrer Transporte auf einer bestimmten Linie durchführen sollte. Gegenstand des Verfahrens war, ob der Erstmitbeteiligte auf Grund dieser Tätigkeit als LKW-Fahrer für die S-GmbH (als DG) der Pflichtversicherung als DN gem § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG unterlag.

Das BVwG traf folgende Feststellungen:

Der Geschäftszweig der S-GmbH lautete auf „Transportunternehmen“. Die S-GmbH hat mit dem Erstmitbeteiligten vereinbart, dass dieser für sie Transporte durchführt. Der Erstmitbeteiligte hat zu diesem Zweck Anteile einer GmbH nach bulgarischem Recht mit Sitz in Bulgarien gekauft. Diese Gesellschaft verfügte zwar über eine Transportlizenz, übte aber in Bulgarien keine Tätigkeit aus. Es handelte sich um eine reine Sitzgesellschaft. Die Gesellschaft hat über keine eigenen LKW verfügt, vermittelte für die Revisionswerberin nur Fahrer. Dabei hat sich der Erstmitbeteiligte mit der Revisionswerberin über eine bestimmte, stets gleichbleibende Linie über die zu fahrenden Zeiten und den Pauschalpreis der Fahrten geeinigt. Für die durchgeführten Fahrten hat die Gesellschaft der revisionswerbenden Partei monatsweise nachträglich Rechnungen ausgestellt.

Die Fahrer waren vom Erstmitbeteiligten für die Gesellschaft angestellt und in Bulgarien zur SV angemeldet. Der Erstmitbeteiligte war in den Zeiträumen der festgestellten Pflichtversicherung ausschließlich für die revisionswerbende Partei gefahren. Die Fahrten waren zeitlich und streckenmäßig genau von der revisionswerbenden Partei organisiert. Bei der Durchführung der Touren hat kein Gestaltungsspielraum für den Erstmitbeteiligten bestanden. Der Erstmitbeteiligte bzw die Gesellschaft hatten ausschließlich mit Betriebsmitteln der revisionswerbenden Partei gearbeitet. Alle Schäden an Fahrzeugen wurden umgehend der S-GmbH gemeldet, diese hat dann die Reparaturen veranlasst. Die Gesellschaft selbst verfügte über keine eigene betriebliche Struktur. Laufende, mit dem Betrieb des LKW verbundene Kosten für Treibstoff, Maut, Instandhaltung und dergleichen wurden von der revisionswerbenden Partei beglichen. Die aufgezeichneten Daten in den LKWs konnte ausschließlich die revisionswerbende Partei auslesen. Die Revisionswerberin habe genau wissen wollen, welcher Fahrer der Gesellschaft die Fahrt vornimmt. Wenn der Fahrer erkrankt war, hat ein anderer Fahrer nur dann eingesetzt werden können, nachdem die Revisionswerberin informiert wurde. Es hat keine Möglichkeit gegeben, dass ein Fahrer von sich aus nicht mehr fährt oder einen anderen Fahrer schickt. Es war der Gesellschaft auch nicht möglich, Aufträge der revisionswerbenden Partei auszuschlagen. Sie habe auch keine Dispositionsmöglichkeiten gehabt, Aufträge von anderen Auftraggebern anzunehmen.

Das BVwG kam auf Basis dieser Feststellung zur rechtlichen Beurteilung, dass beim Erstmitbeteiligten nach dem Gesamtbild des zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnisses iSd wahren wirtschaftlichen Gehalts gem § 539a ASVG die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen der persönlichen Unabhängigkeit überwogen haben. Der Gesellschaft fehle es an jeglichem „unternehmerischen Gehalt“, sie sei mangels eigener betrieblicher Strukturen vollkommen von der revisionswerbenden Partei abhängig. Mit der gewählten Konstruktion der Zwischenschaltung der bulgarischen Gesellschaft hätten die Beteiligten versucht, einen Sachverhalt zu konstruieren, der von den Tatbeständen der §§ 4 und 35 ASVG nicht erfasst sei. Es liege eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Gestaltungsmöglichkeiten vor, weil der einzige erkennbare Grund für die vorgenommene Gestaltung der Vertragsbeziehungen darin bestanden habe, gesetzliche Vorschriften des ASVG zu umgehen. Die gewählte rechtliche Konstruktion erweise sich somit als bedeutungslos. Die Arbeitsverhältnisse, die die Gesellschaft eingegangen sei, seien nicht der Gesellschaft, sondern der Revisionswerberin zuzurechnen. Diese sei DG des Erstmitbeteiligten iSd § 35 Abs 1 ASVG.

Der VwGH wies die außerordentliche Revision zurück. Zu den Ausführungen des Revisionswerbers zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision hält der VwGH ua fest:

Es entspricht der stRsp des VwGH, dass die Vereinbarung eines zeitbezogenen (Pauschal-)Entgelts (von 307dem im vorliegenden Fall jedenfalls in der ersten Phase, in der eine Bezahlung pro Nacht vereinbart war, auszugehen war) für das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit spricht (vgl etwa VwGH 3.4.2019, Ro 2019/08/0003, Rn 67, mwN). Im Übrigen handelt es sich dabei bloß um ein Nebenkriterium, welches nur dann eine entscheidende Rolle spielt, wenn im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit erlaubt (vgl etwa VwGH 20.2.2020, Ra 2019/08/0171, Rn 21, mwN). Schon deswegen wird mit dem im weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision gerügten Fehlen einer expliziten Feststellung, dass das vereinbarte Pauschalentgelt pro Tour erfolgsunabhängig gewesen sei, ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Die Beurteilung des BVwG, dass bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten die Merkmale persönlicher Abhängigkeit überwogen hätten, war nämlich bereits auf Basis der übrigen dafür herangezogenen Feststellungen – Einsatz vergleichbar einem Zusteller, Bindung an Ordnungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht, Einbindung in den Betrieb der revisionswerbenden Partei mit einer von dieser determinierten Ablauforganisation, Durchführung einer einfachen manuellen Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit – jedenfalls nicht unvertretbar.

Schließlich behauptet die Revision noch das Fehlen von Rsp des VwGH zur Frage, „ob, jeweils für sich genommen, die Vereinbarung eines pauschalen Fuhrlohns für eine Fuhre und das Eigentum an einem eigenen LKW die Dienstnehmereigenschaft eines Auftragnehmers ausschließt bzw ausschließen, auch wenn dieser nur für einen Auftraggeber tätig ist“. Dabei handelt es sich aber um eine bloß einzelfallbezogene Beurteilung, die das BVwG hier in jedenfalls nicht unvertretbarer Weise vorgenommen hat.

In der Revision wurden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Diese war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.