135

Dauerhafte soziale Unverträglichkeit und Minderleistungen sind bei personenbedingter Kündigung beachtlich

LYNNROTHFISCHER

Im Rahmen eines Kündigungsanfechtungsverfahrens ua wegen Sozialwidrigkeit legte das Berufungsgericht – ausgehend von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt – dem Kl zur Last, dass seine bis zur Kündigung andauernde ,,soziale Unverträglichkeit“ und Minderleistung eine nicht zu tolerierende und die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung rechtfertigende Situation dargestellt hätte. Obwohl die Bekl jahrelang versucht habe, den Kl in den Arbeitsalltag zu integrieren, habe dies nichts am Verhalten des Kl geändert. Dies trotz unmissverständlicher Hinweise der AG auf die Notwendigkeit einer Verbesserung. Bei objektiver Betrachtung ließe dies eine Weiterbeschäftigung für die AG in einem erheblichen Ausmaß als nachteilig erscheinen, sodass die Kündigung des Kl unausweichlich gewesen sei.293

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts erhob die Bekl ein als außerordentliche Revision bezeichnetes Rechtsmittel. Das Berufungsgericht habe sich mit den von ihm in der Berufung geltend gemachten rechtlichen Feststellungsmängeln zur Frage seiner wesentlichen Interessenbeeinträchtigung durch die Kündigung der Bekl nicht auseinandergesetzt.

Der OGH bestätigte die Berufungsentscheidung und wies die außerordentliche Revision des Kl mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück:

Nach stRsp kann die Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht überprüft werden, es sei denn, das Berufungsgericht hätte sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht auseinandergesetzt. Das Berufungsgericht ist gehalten, sich mit der Beweisrüge überhaupt auseinanderzusetzen und seine Überlegungen dazu in seinem Urteil festzuhalten. Dabei ist es aber nicht verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen. Im Ergebnis kommt es also nicht darauf an, dass das Berufungsgericht sich besonders ausführlich mit den beweiswürdigenden Erwägungen auseinandersetzt, sondern darauf, dass es sich mit den Kernargumenten des Rechtsmittelwerbers inhaltlich befasst und sich in logisch nachvollziehbarer Weise dazu äußert. Dies ist hier der Fall.

Das Berufungsgericht hat sich mit den von ihm in der Berufung geltend gemachten rechtlichen Feststellungsmängeln zur Frage seiner wesentlichen Interessenbeeinträchtigung durch die Kündigung der Bekl deshalb nicht auseinandergesetzt, weil das Berufungsgericht selbst unter Zugrundelegung der vom Kl behaupteten wesentlichen Interessenbeeinträchtigung die Sozialwidrigkeit der Kündigung nach einer Interessenabwägung mit dem Vorliegen personenbezogener Kündigungsgründe verneint hat. Diese Abwägung der Interessen kann naturgemäß nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls erfolgen und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar.

Nach stRsp müssen die in der Person des AN gelegenen Gründe, die der AG zur Rechtfertigung der Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG geltend machen kann, nicht so gravierend sein, dass sie die Weiterbeschäftigung des AN über den Kündigungstermin hinaus unzumutbar machen oder gar das Gewicht eines Entlassungsgrundes erreichen. Sie müssen aber die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen. Werden die betrieblichen Interessen in erheblichem Maße berührt, überwiegen sie das (wesentliche) Interesse des AN an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses.

Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen des den Gerichten bei einer solchen Abwägung eingeräumten Beurteilungsspielraums. Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Kl zurückzuweisen.