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Keine Rückzahlungspflicht des Urlaubszuschusses bei Verbrauch eines Urlaubs aus dem Vorjahr

FLORIAN G.BURGER (INNSBRUCK)
Abschnitt XVI KollVArbeitskräfteüberlassung
  1. Nach Abschnitt XVI KollV-Arbeitskräfteüberlassung steht der Urlaubszuschuss auch dann zu, wenn der AN den Urlaub nicht verbraucht. Der im Vorjahr ausbezahlte Urlaubszuschuss hat nicht die Funktion, einen im heurigen Jahr konsumierten Urlaub zu finanzieren.

  2. Abschnitt XVI Pkt 3 S 1 KollV-Arbeitskräfteüberlassung differenziert nicht zwischen Urlaubsansprüchen aus vergangenen Urlaubsjahren und jenem des aktuellen Urlaubsjahres. Tritt im heurigen Jahr der AN einen Urlaub an, so wird bereits durch diesen Urlaubsantritt der Urlaubszuschuss fällig.

  3. Auch Abschnitt XVI Pkt 5 S 1 KollV-Arbeitskräfteüberlassung differenziert nicht zwischen Urlaubsansprüchen aus vergangenen Urlaubsjahren und jenem des aktuellen Urlaubsjahres.

  4. Abschnitt XVI Pkt 5 S 2 KollV-Arbeitskräfteüberlassung muss dahin ausgelegt werden, dass keine Rückzahlungsverpflichtung besteht, wenn im laufenden Jahr zumindest Urlaub im Ausmaß des jährlichen Urlaubsanspruchs konsumiert wurde. Dabei ist nicht nach dem Entstehungsjahr des in Anspruch genommenen Urlaubs zu differenzieren.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 1.531,46 EUR samt 4 % Zinsen ab 1. August 2021 zu bezahlen.Das auf Zahlung weiterer Zinsen in Höhe von 4,58 % ab 1. August 2021 gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen. [...]“

[1] Die Kl war bei der Bekl von 1.11.2019 bis 31.7.2021 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) anzuwenden. Dessen Abschnitt XVI lautet auszugsweise:

„3. Der Urlaubszuschuss ist bei Antritt des Urlaubes fällig. Bei Teilung des Urlaubes gebührt nur der entsprechende Teil des Urlaubszuschusses. [...]In allen Fällen ist der Urlaubszuschuss jedoch spätestens mit der Abrechnung des Monats Juni eines jeden Jahres fällig. Bei Eintritt nach dem 30. Juni eines Jahres gilt hinsichtlich der Fälligkeit Pkt 4.4. Arbeitnehmer erhalten im Eintrittsjahr den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je Woche 1/52). Wird bei Eintritten nach dem 30. Juni eines Jahres ein Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres nicht angetreten, wird dieser aliquote Urlaubszuschuss mit der Abrechnung für Dezember ausbezahlt.5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Verbrauch eines Urlaubes und Erhalt des Urlaubszuschusses, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben den auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteil des Urlaubszuschusses zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungsverpflichtung des bereits erhaltenen Urlaubszuschusses ist eingeschränkt auf den Teil des Urlaubszuschusses, der dem noch nicht verbrauchten Teil des Urlaubs entspricht.“

[2] Das Dienstverhältnis endete infolge Pensionsantritt der Kl. Anlässlich der Lohnabrechnung Mai 2021 erhielt sie den gesamten Urlaubszuschuss für das Jahr 2021 von 3.653,49 € brutto ausbezahlt. Bis zu ihrem Pensionsantritt hat die Kl im Zeitraum Mai bis Juli 2021 nach entsprechender Vereinbarung insgesamt 41 Urlaubstage verbraucht, davon entfielen 27,18 Arbeitstage auf den Urlaubssaldo 466 von Ende 2020 und 13,82 Arbeitstage auf den Urlaub für das Kalenderjahr 2021; der noch offene Urlaub für 2021 bei Pensionsantritt hätte 11,18 Arbeitstage betragen.

[3] Bei Beendigung des Dienstverhältnisses nahm die Bekl aufgrund ihrer Auslegung von Pkt XVI.5 KVAÜ und davon ausgehend, dass die Kl bei Ende des Dienstverhältnisses am 31.7.2021 von 25 Urlaubstagen des Jahres 2021 14,52 Urlaubstage verbraucht habe, den Standpunkt ein, die Kl hätte ihr für 10,48 Urlaubstage (= 25 – 14,52) den Urlaubszuschuss zurückzuzahlen, somit einen Betrag von 1.531,54 € (3.653,49 € : 25 Urlaubstage = 146,14 € Urlaubszuschuss pro Tag; 10,48 Urlaubstage x 146,14 € = 1.531,54 €). Die Bekl rechnete diesen Betrag gegen die noch offenen Entgeltforderungen der Kl auf.

[4] Die Kl begehrt mit ihrer Klage 1.531,54 € samt 8,58 % Zinsen ab 1.8.2021. Sie vertritt im Wesentlichen – unter Berufung auf die Ausführungen von Schindler zur Auslegung der genannten Vorschriften des KVAÜ – den Standpunkt, sie unterliege keiner Rückzahlungsverpflichtung, weil sie in den Monaten Mai bis Juli 2021 mehr als einen Jahresurlaub verbraucht habe.

[5] Die Bekl beantragte die Abweisung der Klage. Sie vertritt im Wesentlichen – unter Berufung auf die Ausführungen von Rothe zur Auslegung der genannten Vorschriften des KVAÜ – den Standpunkt, der Verbrauch von Alturlaub sei außer Betracht zu lassen, weshalb die Kl zur Rückzahlung eines Teils des Urlaubszuschusses verpflichtet gewesen sei.

[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Einschränkung der Rückzahlungsverpflichtung nach Pkt XVI.5 S 2 KVAÜ beziehe sich lediglich auf jene 25 Urlaubstage, die dem Kalenderjahr des Austritts zuzuordnen sind. [...]

[7] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es vermöge sich nicht der Ansicht Schindlers anzuschließen, dass es zur Beurteilung der Rückzahlungspflicht nicht darauf ankomme, in welchem Urlaubsjahr der Anspruch auf Erholungsurlaub entstand, sondern nur, ob im fraglichen Kalenderjahr 25 bzw 30 Arbeitstage Erholungsurlaub verbraucht wurden oder weniger. [...]

[12] Die Revision ist – abgesehen vom Zinsenpunkt – auch berechtigt.

[13] Der normative Teil eines KollV ist gem §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Eine über die Wortinterpretation hinausgehende Auslegung ist (nur) dann erforderlich, wenn die Formulierung mehrdeutig, missverständlich oder unvollständig ist, wobei der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung bildet (RS0010084 [T38]). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RS0008828).

[14] Der KVAÜ sieht in den Regelungen der Abschnitte XVI und XVII für jedes Kalenderjahr einen einheitlichen Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgelts auf einer näher definierten Basis vor. Entsprechend dem Zweck dieser Sonderzahlungen, dem AN die Finanzierung der Mehrkosten zu erleichtern, die anlässlich des Erholungsurlaubs bzw des Weihnachtsfestes typischerweise auftreten, ist der Urlaubszuschuss grundsätzlich bei Urlaubsantritt fällig, spätestens jedoch mit der Juniabrechnung, und die Weihnachtsremuneration spätestens am Ende jener Arbeitswoche, in die der 1.12. fällt (9 ObA 120/16m; 9 ObA 22/21g [Rz 19]; 9 ObA 25/21y [Rz 19] = DRdA 2022/9 [Melzer]).

[16] In 8 ObS 6/17s sprach der Senat zu einer Pkt XVI.4 KVAÜ teilweise ähnlichen Bestimmung aus, es verkenne das Wesen des Urlaubszuschusses, wenn argumentiert werde, die Bezahlung des Urlaubszuschusses in den Vorjahren rechtfertigte es, dass trotz tatsächlichen Urlaubskonsums im Folgekalenderjahr der laufende Urlaubszuschuss erst mit der nächsten Dezemberabrechnung fällig werde, wenn es sich um Resturlaub aus Vorjahren handle. Die Herstellung einer inhaltlichen Verknüpfung des Urlaubszuschusses als einer pro Kalenderjahr gebührenden Sonderzahlung mit dem in jedem Urlaubsjahr entstehenden Urlaubsanspruch entbehrte nach damaliger Beurteilung des Senats einer Grundlage. [...]

[20] Der Urlaubszuschuss ist Entgelt (vgl 8 ObA 11/08p mwN; RS0102516). Er steht dem AN auch dann zu, wenn er den Urlaub nicht verbraucht (8 ObS 3/17z [Pkt 2.]). Der im Vorjahr ausbezahlte Urlaubszuschuss hat nicht die Funktion, einen im 467 heurigen Jahr konsumierten Urlaub zu finanzieren. Vielmehr ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass bei Nichtantritt eines Urlaubs im Vorjahr der ausbezahlte Urlaubszuschuss vom AN bereits für anderweitige Ausgaben herangezogen wurde.

[21] Tritt im heurigen Jahr der AN einen Urlaub an, so wird bereits durch diesen Urlaubsantritt der Urlaubszuschuss fällig. Pkt XVI.3 S 1 KVAÜ differenziert nicht zwischen Urlaubsansprüchen aus vergangenen Urlaubsjahren und jenem des aktuellen Urlaubsjahres. Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner Entscheidung 8 ObS 6/17s abzugehen. Der Urlaubszuschuss wird daher für das laufende Kalenderjahr nicht erst fällig, wenn der AN mit dem Verbrauch des ihm für dieses Jahr gebührenden Urlaubs beginnt. Vielmehr hat ein AN, der zB im Jänner einen mehrwöchigen Urlaub antritt, ein anzuerkennendes Interesse auf Auszahlung des Urlaubszuschusses, gleichgültig ob noch Alt- oder bereits Neuurlaub verbraucht wird. Ein im vergangenen Jahr ausbezahlter Urlaubszuschuss wird wohl regelmäßig bereits anderweitig verbraucht sein.

[22] Auch Pkt XVI.5 S 1 KVAÜ spricht vom Verbrauch „eines“ Urlaubs, differenziert also nicht zwischen Urlaubsansprüchen aus vergangenen Urlaubsjahren und jenem des aktuellen Urlaubsjahres. Der gesamte Abschnitt XVI enthält keinen Hinweis darauf, dass der Anspruch auf Urlaubszuschuss einem (aliquoten) Urlaubsanspruch aus einem bestimmten (allenfalls schon vergangenen) Urlaubsjahr zuzuordnen ist, sondern bindet den Sonderzahlungsanspruch nur an das jeweilige Kalenderjahr, was seinen bloßen Entgeltcharakter verstärkt.

[23] Nach Pkt XVI.5 S 2 KVAÜ ist die Verpflichtung zur Rückzahlung des bereits erhaltenen, aber wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Kalenderjahres überproportionalen Urlaubszuschusses „eingeschränkt auf den Teil des Urlaubszuschusses, der dem noch nicht verbrauchten Teil des Urlaubs entspricht“. Die Regelung beruht auf dem Gedanken, dass bei gänzlichem Verbrauch des Urlaubs wohl auch der gesamte Urlaubszuschuss verbraucht wurde und es deshalb dem AN unzumutbar ist, diesen aliquot zurückzuzahlen, wenn sein Dienstverhältnis vorzeitig endet, sodass ihm an sich aliquot weniger Urlaubszuschuss zugestanden wäre. Zumal der Urlaubszuschuss der Finanzierung des aktuellen Urlaubs dient (vgl 8 ObS 6/17s), muss Pkt XVI.5 S 2 KVAÜ dahin ausgelegt werden, dass keine Rückzahlungsverpflichtung besteht, wenn im laufenden Jahr zumindest Urlaub im Ausmaß des jährlichen Urlaubsanspruchs (25 bzw 30 Tage) konsumiert wurde, ist doch davon auszugehen, dass der aktuelle Urlaubszuschuss für diesen Urlaub verbraucht wurde.

[24] Die von der Bekl – im Einklang mit Rothe – befürwortete Auslegung setzte eine entsprechende Differenzierung nach dem Entstehungsjahr des im Austrittsjahr in Anspruch genommenen Urlaubs im Normtext voraus. Eine solche ist aber nicht vorhanden. Dass Pkt XVI.5 S 1 KVAÜ von der Verpflichtung zur Rückzahlung des auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteils des Urlaubszuschusses spricht, tut dieser Beurteilung keinen Abbruch, weil zwischen dem sich nach dem Kalenderjahr richtenden Urlaubszuschuss Anspruch (S 1) und dem die Fälligkeit des Urlaubszuschusses auslösenden Verbrauch von Erholungsurlaub unabhängig von dessen Entstehungsjahr (S 2 iVm Pkt XVI.3 S 1) zu unterscheiden ist. Insoweit dem Urlaubszuschuss-Anspruch auch der Verbrauch „eines“ Urlaubs in der Dauer von zumindest 25 (bzw 30) Tagen gegenübersteht, entfällt die Rückzahlungsverpflichtung. [...]

[26] Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren folglich im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Als zutreffend erweist sich aber der bereits in erster Instanz erhobene Einwand der Bekl, dass ihre Rechtsansicht iSd § 49a S 2 ASGG vertretbar war. Es waren daher der Kl nur Zinsen nach bürgerlichem Recht zuzusprechen; ihr Zinsenmehrbegehren war abzuweisen. [...]

ANMERKUNG
1.
Urlaubszuschuss

In der vorliegenden E hatte der OGH den KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) bezüglich der Regelung des Urlaubszuschusses auszulegen. Die AN hatte Ende 2020 einen noch offenen Urlaubsanspruch von 27,18 Arbeitstagen. Ehe das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.7.2021 endete, verbrauchte sie im Jahr 2021 noch 41 Urlaubstage. Der Urlaubszuschuss für das Kalenderjahr 2021 wurde ihr im Mai zur Gänze ausbezahlt. Abschnitt XVI Pkt 5 KVAÜ sieht im Falle einer unterjährigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Aliquotierung des jährlich gebührenden Urlaubszuschusses vor. Darauf stützend rechnete ihr AG in der Endabrechnung einen Teil des Urlaubszuschusses mit noch offenen Entgeltansprüchen der AN auf. Diesen vorenthaltenen Betrag klagte die AN ein. Während sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht ihr Begehren abwiesen, gab der OGH der Kl Recht, sprach ihr aber nur 4 % Zinsen zu, weil die Rechtsansicht des bekl AG vertretbar iSd § 49a S 2 ASGG war. Immerhin gibt es auch in der Literatur unterschiedliche Ansichten, wie Abschnitt XVI Pkt 5 KVAÜ auszulegen ist.

An sich könnte es einfach sein: Der Urlaubszuschuss als kollektivvertragliche Sonderzahlung heißt nur mehr historisch so, hat aber mit dem Urlaubsanspruch an sich nichts zu tun, sondern ist ein zusätzliches Entgelt für die Arbeitsleistung mit der Besonderheit, dass es nicht monatlich, sondern jährlich fällig wird. Entsprechend wird der Urlaubszuschuss aliquotiert, wenn das Arbeitsverhältnis unterjährig beginnt und auch unterjährig endet (Anwartschaftsprinzip; vgl Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] Rz 6/170). Weil die Sonderzahlung damit einzig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt, ist ihr gesamtes Ausmaß für alle AN identisch, unabhängig davon, in welchem Kalendermonat der Arbeitsvertrag beginnt oder endet, soweit nur die Beschäftigungsdauer identisch ist.

Der KVAÜ folgt grundsätzlich diesem Konzept und sieht in Abschnitt XVI Pkt 4 für das Eintrittsjahr eine Aliquotierung des kalenderjährlich – AN 468 haben gem Pkt 2 leg cit „in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuss“ – zustehenden Urlaubszuschusses vor (OGH9 ObA 22/21g Arb 13.737 = DRdA-infas 2021/175, 379 [Haslinger]; OGH9 ObA 25/21yDRdA 2022/9, 220 [Melzer]).

2.
Fälligkeit des Urlaubszuschusses

Auch der Fälligkeitszeitpunkt könnte einfach festgelegt sein: Der Urlaubszuschuss ist unabhängig von einem Urlaubsverbrauch jedenfalls mit Abrechnung des Monats Juni fällig; für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis erst in der zweiten Jahreshälfte beginnt und daher keine Juni-Abrechnung zu erstellen ist, wird mit der Abrechnung für Dezember auch ohne Urlaubsverbrauch der Urlaubszuschuss fällig. Dies sieht Abschnitt XVI Pkt 3 KVAÜ auch so vor, jedoch mit folgender Ergänzung: Wird ein Urlaub schon vor diesem Fälligkeitstermin verbraucht, wird der Urlaubszuschuss bei Antritt des Urlaubs fällig, bei Teilung des Urlaubs gebührt nur der entsprechende Teil des Urlaubszuschusses. Dies entspricht seinem Zweck, dem AN die Finanzierung der Mehrkosten zu erleichtern, die anlässlich des Erholungsurlaubs typischerweise auftreten (OGH9 ObA 120/16m Arb 13.357; OGH9 ObA 25/21yDRdA 2022/9, 220 [Melzer]), der AN soll im Urlaub über seinen Urlaubszuschuss jedenfalls verfügen können. Gleiches ist gem § 6 Abs 6 UrlG ja auch für das Urlaubsentgelt – bei Antritt des Urlaubs und nicht erst am Ende des Monats, in dem der Antritt fällt (vgl Drs, Urlaubsrecht11 [2019] § 6 Rz 40; Gerhartl, Urlaubsrecht [2015] § 6 Rz 44) – vorgesehen, wenngleich dies in der Praxis nicht häufig beachtet wird. Mit dieser Fälligkeitsvorverlegung wird nicht nur dem Günstigkeitsvergleich zu allen Beschäftiger-Kollektivverträgen bzw ausnahmsweise beachtlichen betrieblichen Regelungen gem § 10 Abs 1 AÜG möglichst standgehalten (Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV5 [2022] 378), sondern es wird auch mehrheitlich vertreten, dass § 6 Abs 6 UrlG die Sonderzahlungen miterfasst und deren Fälligkeit ebenfalls vorverlegt (vgl Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zell- Komm3 [2018] § 6 UrlG Rz 21; Drs, Urlaubsrecht11 § 6 Rz 42; Gerhartl, Urlaubsrecht § 6 Rz 11 ff), allerdings nur im Verhältnis der Urlaubsdauer zum gesamten Jahr und nicht zum gesamten Jahresurlaub (vgl Jabornegg, Urlaubsentgelt und Sonderzahlungen [EAnm],

).

Der fixe Fälligkeitstermin der Juni-Lohnabrechnung führt aber dazu, dass dem AN der kalenderjährige Urlaubszuschuss auch dann ausbezahlt wird, wenn er im betreffenden Kalenderjahr gar keinen Urlaub verbraucht und die Sonderzahlung zu anderen Zwecken als zur Erholung verwendet. Urlaubszuschuss und Urlaubsverbrauch sind damit entkoppelt, einzig in der Vorverlegung des Fälligkeitstermins auf den tatsächlichen Antritt eines Urlaubs in der ersten Kalenderjahreshälfte – und auch nur im Ausmaß der entsprechenden Dauer dieses Urlaubs – besteht noch eine Verbindung; und selbst diese erlaubt Abschnitt XVI Pkt 3 S 3 KVAÜ mittels einer BV zu kappen, indem darin generell und unabhängig von einem Urlaubsantritt ein früherer Fälligkeitstermin als die Juni-Lohnabrechnung vereinbart wird.

Wenn aber Urlaubszuschuss und Urlaubsverbrauch auseinanderfallen, steigt die Frage auf, ob für die Vorverlegung der Fälligkeit ein Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr verbraucht werden muss oder ob auch der Verbrauch eines im vergangenen Jahr entstandenen Urlaubsanspruchs die Vorfälligkeit auszulösen vermag. Ist es maW möglich, den Urlaub des Jahres 2020 aufzusparen, mit der Lohnabrechnung für Juni 2020 jedenfalls den Urlaubszuschuss des Jahres 2020 zu erhalten, im Mai 2021 einen fünfwöchigen Urlaub aus dem angehäuften Urlaubsguthaben anzutreten und damit gleichzeitig den Urlaubszuschuss des Jahres 2021 zu erhalten? Oder muss erst der Urlaubsanspruch aus den vergangenen Jahren konsumiert worden sein, damit die Vorfälligkeitsregel greift?

Rohte, Arbeiter- und Angestellten-KV Arbeitskräfteüberlassung5 (2023) Abschnitt XVI/XVII Rz 27 (ähnlich und noch vorsichtiger [„theoretisch“] auch Rothe, KollV für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe [2020] 412 FN 46), weist darauf hin, dass sich eine Antwort darauf nicht zwingend aus dem Text des KVAÜ ergebe und sich der Standpunkt vertreten lasse, „dass jene Urlaubsteile, die fiktiv auf ein altes Kalenderjahr entfallen und die im neuen Kalenderjahr verbraucht werden, eine Zuschuss-Zahlung nicht auslösen, da der Urlaubszuschuss für diesen Urlaubsteil schon im alten Kalenderjahr bezahlt wurde“. Insofern werde der Urlaubszuschuss, der jedenfalls mit der Juni-Abrechnung fällig wird, bezüglich eines späteren Urlaubsverbrauchs nur bevorschusst. Dieser Standpunkt stößt aber auf zwei argumentative Hindernisse: Zum einen weicht das Urlaubsjahr gewöhnlich vom Kalenderjahr ab, weil AN gem § 2 Abs 1 UrlG für jedes – vom Kalenderjahr regelmäßig verschobenes – Arbeitsjahr ein bezahlter Urlaub gebührt, sodass es notwendig wird, den Urlaubsanspruch des laufenden Urlaubsjahres einem von zwei möglichen Kalenderjahren zuzuweisen. Wenn das Arbeitsverhältnis zB an einem 1.8. beginnt, entsteht ab dem 2. Arbeitsjahr immer am 1.8. der neue Urlaubsanspruch von 30 Werktagen.

Für welche Urlaubstage gebührt dann aber der Urlaubszuschuss, der jedenfalls mit der Juni-Abrechnung fällig wird? Für den erst heuer mit 1.8. oder für jenen mit 1.8. des Vorjahres entstandenen Urlaubsanspruch? Wenn ersteres (weil im selben Kalenderjahr entstanden), gilt dies auch für Urlaubsjahre, die zB am 15.12. beginnen und daher im Kalenderjahr des Entstehens ein ungeteilter Urlaubsverbrauch gar nicht mehr möglich ist? Wenn zweiteres (weil Urlaubszuschuss nur für schon entstandene Urlaubsansprüche zusteht), gilt dies auch für Urlaubsjahre, die zB am 15.1. beginnen? Oder ist flexibel der Urlaubszuschuss jenem Kalenderjahr zuzuordnen, das mehrheitlich mit dem Urlaubsjahr übereinstimmt? Oder ist er gar zu aliquotieren, weil bei Beginn des Arbeitsverhältnisses auch nur ein aliquoter Urlaubszuschuss zusteht, obwohl im ersten Urlaubsjahr ein voller Urlaubsanspruch – zwar gem § 2 Abs 2 S 1 UrlG zeitlich verzögert, aber doch – entsteht, sodass bei einem Beschäftigungsbeginn 469 am 15.12. – bis zum Ende des Kalenderjahres stehen 2/52 Urlaubszuschuss zu – und einem fünfwöchigen Urlaubsverbrauch in der darauffolgenden ersten Kalenderjahreshälfte nur 50/52 des Urlaubszuschusses des laufenden Kalenderjahres gebührt und die restlichen 2/52 mit der Juni-Lohnabrechnung? Abgesehen davon, dass den Kollektivvertragsparteien unterstellt werden kann, eine praktisch durchführbare Regelung schaffen zu wollen, bietet der Text des KVAÜ noch weniger Ansatzpunkte für diese Auslegung. Zum anderen – und darauf weist der OGH in Rz 20 hin – wird bei lebensnaher Betrachtung der Urlaubszuschuss bei Nichtantritt eines Urlaubs für anderweitige Ausgaben herangezogen, was mit dem Gedanken einer Bevorschussung unverträglich ist. Bereits zum KollV für Angestellte im Bäckereigewerbe hat der OGH in8 ObS 6/17s (DRdA-infas 2018/44, 92 [Mader]) entschieden, dass es weder mit dem Wortlaut der Fälligkeitsregelung („bei Antritt eines Urlaubs“) noch mit ihrem Zweck vereinbar sei, denjenigen Angestellten, die im laufenden Kalenderjahr noch Urlaub aus einem früheren Urlaubsjahr offen haben und verbrauchen, den Urlaubszuschuss bei Antritt vorzuenthalten. Auch im vergleichbaren KollV für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe ist keine Rede davon, dass es sich um den Verbrauch eines Urlaubs aus einem bestimmten Urlaubsjahr handeln müsse (OGH8 ObS 3/17z SSV-NF 31/62 = ARD 6602/5/2018 [Sabara]). Wenngleich Abschnitt XVI Pkt 3 KVAÜ einen etwas anderen Wortlaut besitzt („Antritt des Urlaubes“), liegt allen Fälligkeitsregelungen doch derselbe Zweck zugrunde. Entsprechend sieht der OGH auch in Bezug auf den KVAÜ keine Veranlassung, von seiner E 8 ObS 6/17s abzurücken (Rz 21). Mit Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV5 384, ist es daher gleichgültig, „ob der angetretene Urlaub auf einem Urlaubsanspruch aus einem Vorjahr, dem laufenden Jahr oder einem Urlaubsvorgriff beruht“.

3.
Rückzahlungsverpflichtung

Mit dieser Vorfälligkeitsregelung, die auch bei Antritt eines Urlaubs gilt, dessen Anspruch im vergangenen Kalenderjahr entstanden ist, hat der Sachverhalt der vorliegenden E nur indirekt zu tun. Die AN hat im laufenden Kalenderjahr Urlaub im Mai bis Juli 2021 verbraucht und dafür anlässlich der Lohnabrechnung im Mai den gesamten Urlaubszuschuss erhalten, noch bevor das Arbeitsverhältnis mit Ende Juli 2021 endete. Für das Kalenderjahr der Beendigung wird nun im KVAÜ unterschieden, ob ein Urlaub schon verbraucht wurde (dann Abschnitt XVI Pkt 5 KVAÜ) oder nicht (dann Abschnitt XVI Pkt 6 KVAÜ). Hier bleibt der KVAÜ seinem eingangs dargelegten Grundkonzept treu und sieht in beiden Bestimmungen für das Rumpfkalenderjahr nur einen aliquoten Anspruch auf den Urlaubszuschuss vor; zu viel erhaltener Urlaubszuschuss ist zurückzuzahlen.

Nach Abschnitt XVI Pkt 5 S 2 KVAÜ, also im Falle eines bereits verbrauchten Urlaubs, ist aber diese Rückzahlungsverpflichtung „eingeschränkt auf den Teil des Urlaubszuschusses, der dem noch nicht verbrauchten Teil des Urlaubs entspricht“. Damit sollen – ganz dem Zweck des Urlaubszuschusses folgend – dem AN auch tatsächlich Mehrausgaben anlässlich seines Erholungsurlaubs ermöglicht werden ohne Gefahr zu laufen, die Mehrausgaben nachträglich anderweitig finanzieren zu müssen; es müsse eben nicht – wie das Berufungsgericht meinte – der AN „darüber im klaren sein, dass ihm dieser Betrag unter der entsprechenden Zweckwidmung nur zustehe, wenn das Arbeitsverhältnis das ganze Jahr dauere“. Nun ist auch hier wie bei der Vorfälligkeit die entscheidende Frage, an der sich der Rechtsstreit schließlich entzündete, ob nur der Verbrauch des heuer entstandenen Urlaubsanspruchs die Rückzahlungsverpflichtung ausschließt oder auch der Verbrauch eines Urlaubsguthabens, welches in vergangenen Kalenderjahren entstanden ist und noch nicht konsumiert wurde. So wie aber schon bei Antritt eines Urlaubs, der dem AN bereits im vergangenen Kalenderjahr gebührte, der heurige Urlaubszuschuss vorfällig wird, so muss er diesen erhaltenen Urlaubszuschuss auch nicht zurückzahlen. Auch in Bezug auf die Rückzahlungsverpflichtung ist es egal, aus welchem Urlaubsjahr die im Kalenderjahr verbrauchten Urlaubstage stammen (Kurzböck, Der NEUE Arbeiter-Kollektivvertrag in der Arbeitskräfteüberlassung, LVaktuell Sonderheft 2012, 75; ebenso Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV5 388). Der OGH schloss sich ausdrücklich deren Sichtweise an (Rz 25) und die Bekl durfte keinen zu viel bezahlten Urlaubszuschuss aufrechnen, wenn die Kl 25 Urlaubstage im laufenden Kalenderjahr verbraucht hat, selbst wenn dies nur dem Abbau ihres Urlaubsguthabens aus früheren Jahren diente.

Führt dies aber – wie das Erstgericht meint – nun zu einer sachlich nicht begründbaren Schlechterstellung jener AN, die den alten Urlaub bereits zur Gänze verbraucht haben und im Austrittsjahr nur maximal jenen Urlaubsanteil verbrauchen, der der restlichen Dauer des Dienstverhältnisses entspricht? Nicht, wenn Gleiches mit Gleichem verglichen wird: Würde auch bei einem Urlaubsguthaben aus vergangenen Jahren der AN im letzten Kalenderjahr nur jenen Teil eines Jahresurlaubs verbrauchen, der der restlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses entsprochen hätte, so habe dieser den gleichen Betrag an – mit der Juni-Lohnabrechnung – zu viel erhaltenen Urlaubszuschuss zurückzuzahlen. Und sollte, was grundsätzlich § 2 Abs 2 UrlG entspricht, weil der volle Anspruch auf Urlaub bereits zu Beginn des Arbeitsjahres gebührt, der AN ohne offene Urlaubsguthaben aus der Vergangenheit einen vollen Jahresurlaub im Kalenderjahr der Beendigung mit Zustimmung seines AG verbrauchen, so müsste er genauso wenig einen Teil seines zu viel erhaltenen Urlaubszuschusses zurückzahlen, wie die Kl im vorliegenden Fall. Eine Schlechterstellung tritt daher nicht ein.

4.
Fazit

In der Begründung und im Ergebnis ist dem OGH zuzustimmen. Im Übrigen verschließt sich auch Rothe nicht dieser Auslegung, sondern bietet lediglich zwei vertretbare Lösungsansätze, von denen der OGH den zutreffenden vorzog. 470