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Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung muss zwingend vor Beginn der Ausbildung abgeschlossen werden

JÖRGOBERGRUBER

Der Bekl, ein Angestellter, war bei der Kl von 15.1.2012 bis 31.7.2022 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch AN-Kündigung. Der Kl begann die Ausbildung am 3.9.2020. Die schriftliche Ausbildungskostenrück­ersatzvereinbarung schlossen die Streitteile erst am 16.9.2020 ab. Dem Bekl war vor Beginn der Ausbildung die Höhe der Ausbildungskosten sowie die zeitliche Lagerung der Ausbildung bekannt. Weiters war dem Bekl vor Beginn der Ausbildung bekannt, dass die Kl ihre Erklärung zur Übernahme der Ausbildungskosten an eine (erst abzuschließende) Vereinbarung über den Rückersatz dieser Kosten knüpft.

Die Kl begehrte den Rückersatz von Ausbildungskosten in Höhe von € 7.362,-.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Kl auf Ausbildungskostenrückersatz ab. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Der OGH begründete dies wie folgt:

Soll ein AN iSd § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG zum Rück­ersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, muss nach stRsp darüber noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung zwischen AG und AN geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht (RS0127499). Der OGH argumentierte mit dem Zweck des § 2d AVRAG, welcher darin liegt, Transparenz für den AN über die Bedingungen für den Rückersatz der Ausbildungskosten zu schaffen. Es soll ersichtlich sein, welche Verpflichtungen eine derartige Vereinbarung mit sich bringt, weil der AN nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde. Nur so kann eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit vermieden werden.

Weiters führt der OGH aus, dass völlige Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Ausbildungskosten für den Bekl vor Beginn der Ausbildung nicht gegeben war. Richtig ist zwar, dass dem Bekl die Höhe der Ausbildungskosten bekannt und die Ausbildung zeitlich fixiert war, die Modalitäten über den allfälligen Rückersatz legten die Streitteile aber erst in der nach Beginn der Ausbildung abgeschlossenen Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz fest. Das Gesetz selbst gibt in § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG nur einen Mindestrahmen für eine zwingende (§ 16 AVRAG) Aliquotierung vor. Der AN soll sich, auch nach bereits begonnener Ausbildung im aufrechten Arbeitsverhältnis, nicht mit einer vom AG zur Unterschrift vorgelegten Vereinbarung über die Rückforderbarkeit der bereits vom AG übernommenen Kosten konfrontiert sehen. Er könnte dadurch in eine Drucksituation geraten, die seinem schützenswerten Interesse, sich frei und sachlich für oder gegen die Teilnahme an einer Ausbildung entscheiden zu können, entgegensteht.

Diese enge Auslegung des § 2d Abs 2 AVRAG ist auch deshalb geboten, um den Arbeitsvertragsparteien im aufrechten Arbeitsverhältnis Klarheit über die Voraussetzung einer rechtswirksamen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung zu verschaffen und Streitigkeiten darüber, welches Detailwissen der AN vor Beginn der Ausbildung über eine erst danach abgeschlossene Vereinbarung hatte, zu vermeiden.

Nach der Rsp des OGH ist Rechtsmissbrauch nicht nur dann anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt. Durch die bloße Behauptung, der Bekl wolle eine geringfügige Verzögerung bei der Präzisierung der Rückerstattungsvereinbarung ausnützen, um die eindeutig vereinbarte Rückzahlungspflicht „auszuhebeln“, wird ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Bekl aber nicht ausreichend dargetan.