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Kein „Opting-Out“ aus der gesetzlichen Mitversicherung möglich

MaximilianWielander

Solange der Ehegatte (eingetragene Partnerin) weder kraft Gesetzes krankenversichert ist, noch von einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlichen DG betreut wird, besteht auch die Beitragspflicht nach § 51d ASVG und kommt eine „Abmeldung“ von dieser nicht in Betracht. Zum Ende der Mitversicherung kommt es dadurch, dass der oder die Angehörige eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder eine Selbstversicherung in der KV eingeht.

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte ist gesetzlich krankenversichert und lebt seit 24.8.2019 in einer eingetragenen Partnerschaft. Seine eingetragene Partnerin verfügt im Zeitraum 28.8.2019 bis 28.8.2020 über einen Aufenthaltstitel als Familienangehörige. Ab Juni 2019 hielt sich die eingetragene Partnerin in Österreich auf – abgesehen von einem Auslandsaufenthalt von Dezember 2019 bis Jänner 2020. Sie war von 15.1. bis 17.3.2020 sowie ab 2.4.2020 aufgrund einer Beschäftigung selbst in der KV nach dem ASVG pflichtversichert. Am 13.1.2020 übermittelte der Mitbeteiligte an die revisionswerbende Partei (Österreichische Gesundheitskasse [ÖGK]) das Formular „Prüfung der Anspruchsberechtigung für Angehörige gem § 123 ASVG“ unter Nennung seiner eingetragenen Partnerin als Angehörige.

Mit Schreiben vom 28.2.2020 teilte der Mitbeteiligte der Revisionswerberin mit, dass er mit der Mitversicherung der Partnerin nicht einverstanden sei und seinen „Antrag“ wieder stornieren wolle. Am 23.3.2020 beantragte er schließlich die Feststellung, dass im Jahr 2019 sowie von Jänner bis April 2020 keine Mitversicherung seiner Angehörigen bestanden habe. Die Partnerin habe sich von Dezember 2019 bis 15.1.2020 im Ausland aufgehalten und habe über eine private KV verfügt.

Mit Bescheid vom 18.6.2020 stellte die Revisionswerberin fest, dass für die eingetragene Partnerin des Mitbeteiligten seit 24.8.2019 eine Anspruchsberechtigung gem § 123 ASVG bestehe. Der Antrag auf Beendigung der Anspruchsberechtigung ab 28.2.2020 wurde im Bescheid abgewiesen. Die Revisionswerberin begründete dies mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ab dem Tag der Begründung der eingetragenen Partnerschaft am 24.8.2019. Die Verpflichtung zur Leistung des Zusatzbeitrag nach § 51d ASVG für den Mitbeteiligten bestehe somit seit diesem Tag, ausgenommen jene Zeiträume, in denen die Angehörige selbst aufgrund einer Beschäftigung in der KV pflichtversichert war.

Verfahren und Entscheidung

Das BVwG gab der Beschwerde teilweise Folge und stellte fest, dass der Anspruch auf Leistungen aus der KV gem § 123 ASVG für die Angehörige mit 28.2.2020 ende und der Mitbeteiligte somit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr der Beitragspflicht gem § 51d ASVG unterliege. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde ab.

Begründend führte das BVwG aus, dass der Anspruch auf Leistungen aus der KV gem § 123 ASVG unabhängig von einer gesonderten Antragstellung vorliege, wenn eingetragene Partner (als Angehörige) ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätten und nicht einer anderen gesetzlichen KV unterlägen. Das Bestehen einer privaten KV habe keinen Einfluss auf die Begründung der Angehörigeneigenschaft und der damit verbundenen Anspruchsberechtigung.

Die ÖGK verkenne jedoch die Rechtslage, soweit sie den „Antrag“ des Mitbeteiligten auf Beendigung der Anspruchsberechtigung ab 28.2.2020 abgewiesen 106 habe. Das BVwG verweist hierbei auf die Entscheidungen des VwGH (vom 14.12.2020, Ra 2017/08/0137) als auch des VfGH (B 998/01 VfSlg 16.381) worin klargestellt sei, dass eine „Mitversicherung“ nach § 123 ASVG keine Pflichtversicherung begründe. Diese (bloße) Anspruchsberechtigung auf Leistungen im Rahmen der KV beruhe auf Freiwilligkeit und sei für die Inanspruchnahme durch den Versicherten daher auch nicht zwingend. Es stehe dem Versicherten frei, dem zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden, dass er für seinen Angehörigen die Leistungen der gesetzlichen KV nicht in Anspruch nehmen möchte. Die Mitteilung des Mitbeteiligten vom 28.2.2020 stelle eine solche Mitteilung gem § 52 Musterkrankenordnung 1999 dar. Es sei nicht anzunehmen, dass die Beitragspflicht nach § 51d ASVG unabhängig von der Inanspruchnahme der „Mitversicherung“ nach § 123 ASVG weiterbestehe.

Das BVwG erklärte eine Revision für nicht zulässig. Die außerordentliche Revision der ÖGK ist laut VwGH aus dem darin geltend gemachten Grund, dass Rsp des VwGH zur Frage fehle, „ob eine Anspruchsberechtigung gem § 123 ASVG ex lege erlischt oder ob diese beliebig vom Versicherten jederzeit storniert, gekündigt bzw. abgemeldet werden kann“, zulässig und auch berechtigt.

Originalzitate aus der Entscheidung

[…]

[14] Der Spruch des Bescheides der ÖGK vom 18. Juni 2020 lautete wie folgt: „Für Frau S [Anm: die Partnerin des Mitbeteiligten], SVNR ..., wohnhaft in ..., besteht seit 24.08.2019 aus der Versicherung ihres eingetragenen Partners, [des Mitbeteiligten], SVNR ..., eine Anspruchsberechtigung gemäß § 123 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes. Der Antrag des [Mitbeteiligten], SVNR ..., auf Beendigung der Anspruchsberechtigung von Frau S, SVNR ..., ab dem 28.02.2020 wird abgewiesen.“

[15] Mit diesem – klar formulierten – Spruch wurde ausschließlich über den Bestand der Anspruchsberechtigung aus der Pflichtversicherung des Mitbeteiligten, nicht aber über eine Beitragspflicht entschieden. […]

[17] Zutreffend bringt die revisionswerbende ÖGK in diesem Zusammenhang somit vor, dass die Beitragspflicht des Mitbeteiligten nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides war. Soweit der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses die Entscheidung enthält, dass der Mitbeteiligte ab dem 28. Februar 2020 „unabhängig vom Zutreffen der Voraussetzungen des § 51d Abs. 3 ASVG – nicht mehr der Beitragspflicht gemäß § 51d ASVG unterliegt“, hat das Bundesverwaltungsgericht sohin die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten und das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

[18] Das angefochtene Erkenntnis entspricht aber auch im übrigen Umfang nicht dem Gesetz. […]

[22] Zutreffend sind sowohl die ÖGK als auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Anspruchsberechtigung gem § 123 ASVG bei Vorliegen der in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen ex lege eintritt, ohne dass es hiefür eines Antrags o.ä. bedürfte.

[23] Das Bundesverwaltungsgericht vertrat aber darüber hinaus die Auffassung, dass die Anspruchsberechtigung durch eine Willenserklärung des Mitbeteiligten am 28. Februar 2020 beendet wurde. Es begründete dies zum einen damit, dass der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 14. Dezember 2020, Ra 2017/08/0137, „klargestellt“ habe, dass eine „Mitversicherung“ nach § 123 ASVG „keine Pflichtversicherung“ begründe, und stützte sich zum anderen auf Ausführungen im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2001, B 998/01 (VfSlg. 16.381).

[24] Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss lediglich zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Anspruchsberechtigung nach § 123 ASVG erlischt, sobald der Angehörige von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich – bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (etwa nach § 16 oder nach § 19a ASVG) – in der Krankenversicherung selbst zu versichern. Unter Bezugnahme darauf führte er aus, dass eine Anspruchsberechtigung nach § 123 ASVG „einer gesetzlichen Pflichtversicherung nicht gleichzusetzen“ ist und folglich „das Eingehen einer Selbstversicherung“ nicht ausschließt. Dass die Anspruchsberechtigung (oder die daraus entstehenden Rechtsfolgen) – wie vom Bundesverwaltungsgericht angenommen – durch eine bloße Willenserklärung beendet werden könne, geht aus diesem Beschluss hingegen nicht hervor.

[25] Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann Derartiges auch nicht aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2001, B 998/01 (VfSlg. 16.381), abgeleitet werden. Dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erging zu einer von einem Versicherten gegen die Vorschreibung eines Zusatzbeitrags für seine Ehefrau gemäß § 51d ASVG erhobenen Beschwerde, in der unter anderem geltend gemacht wurde, dass sich die Regelung des § 51d ASVG nicht auf den Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ stützen könne, weil Anknüpfungspunkt der Pflichtversicherung die Erwerbstätigkeit sei und eine „Versicherungspflicht für nicht erwerbstätige Ehegatten“ daher jenseits dieses Kompetenztatbestandes liege. Der Verfassungsgerichtshof trat den in der Beschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht bei. […]

[26] Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich den aus diesem Erkenntnis abgeleiteten Schlussfolgerungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht an. Bedenken, dass der Gesetzgeber mit § 123 ASVG eine von der Erwerbstätigkeit „losgelöste Pflichtversicherung“ normiert hätte, welche die Grenzen des Kompetenztatbestandes Sozialversicherungswesen (Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG) überschreitet, hegt der Verwaltungsgerichtshof ebenso wenig wie der Verfassungsgerichtshof. 107 Die Unbedenklichkeit der genannten Regelung hängt aber nicht davon ab, dass sie (gemäß dem vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Verständnis) im Sinn der Möglichkeit eines „Opting-Out“ mittels Willenserklärung des Versicherten ausgelegt wird, für welche der Normtext des ASVG keine Anhaltspunkte bietet. Der zitierte Kompetenztatbestand beschränkt sich nämlich nicht auf die Regelung der Sozialversicherung von Personen, die selbst erwerbstätig sind (oder waren), sondern lässt darüber hinaus Regelungen für einen personellen Geltungsbereich insofern zu, als zumindest ein mittelbarer Bezug zur Erwerbstätigkeit gegeben ist, wie im Fall der Einbeziehung von Angehörigen in den Schutz der Sozialversicherung (vgl. Pfeil in Kneihs/Lienbacher [Hg], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG Tz 13). Kompetenzrechtlich gedeckt ist die Regelung somit auch insofern, als der Bestand und das Enden der Anspruchsberechtigung für Familienangehörige des Versicherten nach § 123 ASVG ex lege und unabhängig von etwaigen Willenserklärungen des Versicherten gegenüber der ÖGK eintreten. Wie Tomandl in seiner Besprechung des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes (ZAS 2002, 54) zutreffend ausgeführt hat, hängt der Versicherungsschutz nicht von einer Meldung nach § 52 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Musterkrankenordnung ab (nunmehr § 64 Abs. 1 Z 3 der vom Hauptverband [nunmehr: Dachverband] der österreichischen Sozialversicherungsträger verlautbarten Musterkrankenordnung 2016, verlautbart unter avsv Nr. 67/2016), zumal diese keine Abmeldung, sondern nur die Meldung von Änderungen (die dann freilich zu einem Ende der Mitversicherung führen können) vorsieht. Solange der Ehegatte (hier: die eingetragene Partnerin) weder kraft Gesetzes krankenversichert ist noch von einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers betreut wird, besteht auch die Beitragspflicht nach § 51d ASVG und kommt eine „Abmeldung“ von dieser nicht in Betracht. Zum Ende einer Mitversicherung kommt es dadurch, dass der oder die Angehörige eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung eingeht.

[27] Im Übrigen genügt die Mitversicherung nach § 123 ASVG, um die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG zu erfüllen (vgl. VwGH 20.7.2016, Ro 2015/22/0030; 18.4.1997, 96/19/0196), mag der Mitbeteiligte auch – wie er in der Revisionsbeantwortung vorbringt – mangelhaft aufgeklärt worden sein.

[28] Das angefochtene Erkenntnis war daher in Ansehung des Abspruchs über die Beitragspflicht wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG und im Übrigen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. […]

Erläuterung

In der vorliegenden E beschäftigte sich der VwGH mit einem Erkenntnis des BVwG zur Möglichkeit, den gesetzlich bestimmten Anspruch auf (Sach-)Leistungen aus der KV für bestimmte Angehörige gem § 123 ASVG mittels Willenserklärung des Versicherten zu beenden – trotz weiteren Vorliegens aller gesetzlichen Voraussetzungen.

Diese Anspruchsberechtigung nach § 123 ASVG – in der Praxis meist „Mitversicherung“ genannt – tritt ex lege, dh automatisch bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, ein und bedarf keines Antrags. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind – neben dem Vorliegen einer in § 123 Abs 2 angeführten Angehörigeneigenschaft – der gewöhnliche Aufenthalt im Inland sowie das Fehlen einer eigenen gesetzlichen KV (bzw einer Krankenfürsorge durch einen öffentlich-rechtlichen DG).

Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen empfiehlt sich jedoch in der Praxis die Kontaktaufnahme mit dem Krankenversicherungsträger, im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zu diesem Zweck ein eigenes Formular zur Verfügung gestellt. Hauptanwendungsfälle dieser Mitversicherung sind minderjährige Kinder, volljährige Kinder in Ausbildung und Ehegatten sowie eingetragene Partner:innen. Für die letzten beiden Angehörigen ist gem § 51d ASVG (mit gewissen Ausnahmen) ein Zusatzbeitrag von 3,4 % vom Versicherten, im vorliegenden Fall eben vom Mitbeteiligten, einzuheben.

Zum einen stelle der VwGH fest, dass das BVwG durch die Absprache über den Zusatzbeitrag nach § 51d ASVG, der nicht Inhalt des Spruchs des bekämpften Bescheides war, seine Kompetenz überschritt.

Zum anderen bestätigte der VwGH, dass es sich um eine gesetzlich geregelte Anspruchsberechtigung und eines damit verbundenen Zusatzbeitrags handle, die nicht durch eine „Abmeldung“ durch den Versicherten beendet werden kann. Die Meldung gem § 64 Abs 1 Z 3 der Krankenordnung (sowohl in der Muster-Krankenordnung des Dachverbands 2016 als auch in jener der belangten ÖGK aus dem Jahr 2020) umfasst nur die Meldung einer Änderung der Anspruchsvoraussetzung und kann nicht selbst das Ende des Anspruchs begründen. Parallel zur fehlenden Antragsbedürftigkeit der sogenannten „Mitversicherung“ bedarf es zu deren Beendigung des Wegfallens zumindest einer der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen. Eine dem Willen des Versicherten bzw der Anspruchsberechtigten unterworfene „Abmeldung“ von diesem Leistungsanspruch sowie der damit zusammenhängenden Beitragspflicht ist gesetzlich nicht vorgesehen und daher nicht möglich. Der Leistungsanspruch der Angehörigen endet daher nur durch Eingehen einer eigenen KV (Pflichtversicherung oder freiwillige Selbstversicherung) oder durch Wegfall des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland, der im gegenständlichen Fall nicht gegeben war. 108