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Möglichkeit der Einschulung in einen zumutbaren Verweisungsberuf schließt Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus

KrisztinaJuhasz

Der 1969 geborene Kl hat den Beruf des Zimmerers erlernt und diese Tätigkeit überwiegend ausgeübt. Mit Bescheid der Bekl wurde dem Kl das Rehabilitationsgeld gewährt. Im Gewährungsbescheid vom 19.7.2016 erachtete die Bekl berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht als zweckmäßig.

Mit Bescheid vom 23.3.2021 wurde dem Kl das Rehabilitationsgeld wieder entzogen, weil vorübergehende Invalidität nicht mehr vorliege. Im Vergleich zum Gewährungszeitpunkt lag eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes vor. Der Kl ist aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, seinen Beruf auszuüben. Er ist aber noch in der Lage, als Fachmarktberater in den Bereichen Tischlerei-Holzbedarf, Innenausbauer, Schalungstechnik und Wärmedämmung, sowie als Verkäufer im Innendienst und Kundenberater in Sägewerken und im Holzhandel zu arbeiten. Für diese Tätigkeiten sind EDV-Grundkenntnisse 113 und kaufmännische Grundkenntnisse notwendig, die der Kl nur betriebsextern erwerben kann. Diese Grundkenntnisse werden kostenlos durch das Arbeitsmarktservice (AMS) angeboten und dauern ein bis vier Wochen (EDV-Grundkenntnisse) bzw 24 Unterrichtseinheiten (kaufmännische Grundkenntnisse; dies entspricht drei Kurstagen). Der Besuch der Schulungen ist für den Kl zweckmäßig, der Erwerb derartiger Grundkenntnisse ist ihm auch zumutbar. Soweit der Erwerb der EDV-Grundkenntnisse dem Kl nicht kostenlos vom AMS angeboten wird, übernimmt die Bekl diese Kosten.

Dieser Bescheid wurde vom Kl angefochten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rehabilitationsgeld sei gem § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit cc ASVG auch dann zu entziehen, wenn berufliche Maßnahmen der Rehabilitation zweckmäßig und zumutbar seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung zurück. Auf den Entziehungsgrund des § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit cc ASVG könne sich die Bekl nicht stützen, weil sie nicht die Übernahme der Kosten für den Kurs zur Vermittlung kaufmännischer Grundkenntnisse angeboten habe. Der Entziehungsgrund des § 99 Abs 1 und Abs 3 Z 1 lit b sublit aa ASVG könne aber verwirklicht sein, dazu sei das Verfahren jedoch ergänzungsbedürftig, weil nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden könne, ob dem Kl die Ausübung der festgestellten Verweisungsberufe aufgrund seiner Leistungseinschränkungen möglich ist.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Kl. Dieser war nicht zulässig.

Der Revisionswerber macht geltend, dass der betriebsexterne Erwerb von EDV-Grundkenntnissen und kaufmännischen Grundkenntnissen berufliche Maßnahmen der Rehabilitation seien und nicht bloße Nachschulung.

Der OGH führt dazu aus, dass, sollte für die Verweisung eines Facharbeiters eine Schulungsmaßnahme erforderlich sein, diese Schulung dem Versicherten aufgrund seines Leistungskalküls möglich sein muss und gewisse zeitliche Grenzen nicht überschreiten darf. Nachschulungszeiten, die das Ausmaß von sechs Monaten übersteigen, sind als nicht mehr zumutbar anzusehen. Die Rechtsfrage der Zumutbarkeit ist im Einzelfall unter Zugrundelegung der konkreten Situation des betroffenen Versicherten (persönliche, geistige, und psychische Eignung sowie bisherige Berufslaufbahn) individuell zu beurteilen. Das Berufungsgericht hat diese Judikatur nach Ansicht des OGH entsprechend beachtet.

Der OGH hat ferner bereits ausgesprochen, dass externe Umschulungen, die mit Kosten verbunden sind und mit denen das Verweisungsfeld verlassen wird, berufliche Maßnahmen der Rehabilitation sind (29.7.2021, 10 ObS 91/21m). Von einer solchen Umschulung ist jedoch die bloße Einschulung (Nachschulung) zu unterscheiden, die grundsätzlich kein Verweisungshindernis ist. Auch wenn es sich bei einer bloßen Nachschulung nicht um eine berufliche Maßnahme der Rehabilitation iSd Verlassens des Verweisungsfelds handelt, müssen die von § 253e ASVG für den Anspruch auf berufliche Rehabilitation aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sein. Das ist hier der Fall, weil die für die Verweisung des Kl erforderlichen Nachschulungen zweckmäßig, ausreichend, möglich und zumutbar sind. Die Nachschulungen sind auch geeignet, eine Wiedereingliederung des Kl in den Arbeitsmarkt zu bewirken, sodass ein Verweisungshindernis nicht vorliegt.

Der Kl brachte darüber hinaus vor, dass die Bekl die Übernahme der Kosten eines EDV-Kurses erst in der Verhandlung vom 1.3.2023 angeboten habe, bis zu diesem Zeitpunkt, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz somit Invalidität weiterbestehe, weil dem Kl eine angemessene Frist für den Erwerb dieser Kenntnisse zur Verfügung stehen müsse.

Dem hielt der OGH entgegen, dass im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Gewährung des Rehabilitationsgeldes ein Anspruch auf Invaliditätspension nach § 254 Abs 1 ASVG nur mehr dann bestand, wenn Invalidität (§ 255 ASVG) aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustands voraussichtlich dauerhaft vorlag und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bezogen auf das Berufsfeld nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar waren. Bezogen auf den Entziehungszeitpunkt änderte sich an dieser Rechtslage nur, dass es nach § 254 Abs 1 Z 2 ASVG idF SVÄG 2016 (in Geltung seit 1.1.2017) darauf ankommt, dass kein Rechtsanspruch auf zumutbare und zweckmäßige berufliche Maßnahmen der Rehabilitation iSd § 253e ASVG besteht. Stellt sich erst im sozialgerichtlichen Verfahren die dauernde Invalidität heraus, muss das Sozialgericht das Vorliegen der negativen Anspruchsvoraussetzung nach § 254 Abs 1 Z 2 ASVG prüfen. Durch das SVÄG 2017 wurde klargestellt, dass § 253e ASVG auch für vorübergehend invalide Personen gilt. Hat sich daher, wie im vorliegenden Fall, der Zustand des Kl wieder soweit gebessert, dass er nach einer Nachschulung innerhalb seines Verweisungsfeldes noch verweisbar ist, so fehlt es an den Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung einer Invaliditätspension oder – wie hier – für die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf Rehabilitationsgeld (§ 255b ASVG iVm § 253e ASVG).

Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden, so kann der OGH – der nicht Tatsacheninstanz ist – nicht überprüfen, ob die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist. Die Revision des Kl wurde somit zurückgewiesen. 114