Sanktionen im Arbeitslosenversicherungsrecht – Verwaltungspraxis ohne gesetzliche Grundlage

Kevin FredyHinterbergerBirgitSdoutz

Die schwarz-grüne Regierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm 2020-2024 zum Ziel gesetzt, die AlV zu reformieren. Diese Reform ist gescheitert* und war offenbar Anlass dafür, die Überlegungen zur Verschärfung der Sanktionen zumindest in einer Weisung des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) mit dem Titel „Durchführungsweisung zu § 10 AlVG: Verbesserung der Wirkung von Sanktionen“ umzusetzen.* Mit der Durchführungsweisung soll die derzeitige Verwaltungspraxis geändert werden. Insb soll der Anspruchsverlust nach § 10 AlVG zeitnah nach einer Pflichtverletzung eintreten und sollen mit der Durchführungsweisung parallele Sanktionen während eines Leistungsausschlusses und Kontrollmeldetermine möglich sein. Weiters soll die Ausschlussfrist aufgrund nicht im Gesetz festgelegter Tatbestände unterbrochen werden können.

1..
Allgemeines zu Sanktionen

Eine Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist die Arbeitswilligkeit, welche in § 9 AlVG definiert wird und Kriterien für die Bestimmungen der Zumutbarkeit einer durch das Arbeitsmarktservice (AMS) vermittelten Beschäftigung bzw Nach- und Umschulung oder Wiedereingliederungsmaßnahme enthält. § 10 AlVG sanktioniert durch einen befristeten Leistungsausschluss das Verhalten der arbeitslosen Person, die die Beendigung des Zustandes der Arbeitslosigkeit schuldhaft vereitelt oder die Arbeitsaufnahme verweigert. Der befristete Verlust 126 des Leistungsanspruches tritt gem § 10 Abs 1 Z 1-4 AlVG ein,

  • wenn sich die arbeitslose Person weigert, eine ihr von der regionalen AMS-Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder

  • die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt oder

  • sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach- oder Umschulung zu entsprechen oder

  • durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach- oder Umschulung vereitelt oder

  • ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt,

  • oder auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen.

Jedes gem § 10 AlVG sanktionierbare Verhalten verlangt, dass die arbeitslose Person vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht. Ein bloß fahrlässiges Handeln, dh das Außerachtlassen der pflichtgemäßen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht aus.*

1.1..
Weigerung

Eine Weigerung liegt vor, wenn die arbeitslose Person ausdrücklich oder schlüssig erklärt, eine zugewiesene zumutbare Beschäftigung nicht anzunehmen bzw an einer Nach- oder Umschulung nicht teilzunehmen.*

1.2..
Vereitelung

Setzt die arbeitslose Person ein Verhalten, das für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung bzw des Erfolges einer Nach- oder Umschulung ursächlich ist und ist das Verhalten auf den Eintritt dieser Wirkung gerichtet, liegt eine Vereitelung vor. Die arbeitslose Person muss den Eintritt der Wirkung zumindest in Kauf nehmen und das Verhalten muss kausal für das Nichtzustandekommen sein.

2..
Befristeter Leistungsausschluss

Liegt ein Sanktionstatbestand gem § 10 Abs 1 Z 1-4 AlVG vor, so verliert die arbeitslose Person für einen zeitlich begrenzten Zeitraum den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe.

2.1..
Dauer des Leistungsausschlusses

Die Dauer des Leistungsausschlusses beträgt bei der ersten Sperre sechs Wochen. Die Mindestdauer des Leistungsausschlusses erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung auf acht Wochen und gilt diese Erhöhung bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft.* Weiters ist der gesetzlichen Regelung ausdrücklich zu entnehmen, dass Zeiten des Anspruchsverlustes sich um Zeiten des Krankengeldbezuges verlängern.* Ein weiterer Verlängerungsgrund ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

2.2..
Wiederaufleben des Leistungsanspruches nach dem Sanktionszeitraum

Durch den Leistungsausschluss verkürzt sich die zuerkannte Bezugsdauer. Nach Ende des Arbeitslosengeldbezuges erstreckt sich der Leistungsausschluss auch auf die Notstandshilfe, wenn dies neuerlich gesondert mittels Bescheids festgestellt wird. Nach Ablauf des Leistungsausschlusses lebt der Leistungsanspruch nach der hier vertretenen Meinung ohne Geltendmachung durch die arbeitslose Person wieder auf. Eine andere Ansicht vertritt Julcher, wonach die arbeitslose Person erst wieder ab ihrer neuerlichen Meldung zur Vermittlungsvormerkung als arbeitsbereit gilt.* Das Gesetz sieht 29.2.2024 aber weder in § 10 AlVG noch in § 46 AlVG eine Verpflichtung zur Wiedermeldung bzw Geltendmachung des Leistungsanspruches nach einer Sanktion vor.

2.3..
Dauer des Leistungsausschlusses

Während des Leistungsausschlusses besteht gem § 10 AlVG keine ausdrücklich im Gesetz verankerte Verpflichtung, sich auf zugewiesene Beschäftigungen zu bewerben. Diesbezüglich stellt sich auch die Frage, ob ein Verhalten sanktionierbar ist, welches im Sanktionszeitraum gesetzt wurde. Dem AlVG sind keine expliziten Regelungen dahingehend zu entnehmen, die Verpflichtungen wie Verfügbarkeit, Arbeitswilligkeit oder Meldepflichten während des Leistungsausschlusses normieren. In diesem Zusammenhang ist auch relevant, dass das AMS laut VwGH während eines Ruhenszeitraumes gem § 16 Abs 1 AlVG berechtigt und verpflichtet ist, der arbeitslosen Person Beschäftigungen zuzuweisen, die nach dem Ablauf des Ruhenszeitraumes beginnen. Solche sind als Zuweisungen iSd § 10 Abs 1 AlVG zu qualifizieren.* Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass der Ruhenszeitraum keinen Leistungsausschluss darstellt und eine Bezugsdauer nicht verkürzt. 127

2.4..
Förderleistungen während des Leistungsausschlusses

Laut Bundesrichtlinie Aus- und Weiterbildungsbeihilfe (BEMO)* gebühren für eine Aus- und Weiterbildung oder Wiedereingliederungsmaßnahme im Sanktionszeitraum weder eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes noch Kursnebenkosten. Es handelt sich bei den Beihilfen um Förderungen ohne Rechtsanspruch. Im Falle einer Sanktion gem § 10 AlVG hat die arbeitslose Person, die sich bereits in der Kursmaßnahme befindet, laut Bundesrichtlinie die Wahlmöglichkeit, den Kurs weiterhin zu besuchen. Der arbeitslosen Person wird es somit freigestellt, ob der zugewiesene Kurs im Sanktionszeitraum weiter besucht wird. Entscheidet sich die arbeitslose Person, die aufgrund der Sanktion keinen Anspruch auf eine Leistung hat, für den Weiterbesuch, gebührt aber dennoch keine Förderung. Bei Maßnahmen, für die ausschließlich die Kurskosten gefördert werden, besteht diese Wahlmöglichkeit nicht.

Da Eingliederungsbeihilfe und Kombilohnbeihilfe nur mit einer Beschäftigungsaufnahme möglich sind, darf eine Sanktion auch keine Auswirkungen auf eine der beiden Förderungen haben.

3..
Umsetzung der Durchführungsweisung zu § 10 AlVG

In der Folge wird die Durchführungsweisung zu § 10 AlVG im Detail vorgestellt. Diese trifft Regelungen, die die Verwaltungspraxis ändert.

3.1..
Wirkung der Sanktion

Die Durchführungsweisung legt fest, dass die Ausschlussfrist nicht mehr unmittelbar auf die pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung der arbeitslosen Person folgen und mit dem potenziell möglichen Beschäftigungsbeginn beginnen soll, sondern mit jenem Zeitpunkt, ab dem das AMS von der Pflichtverletzung Kenntnis erlangt. Nicht nur der Bezug von Krankengeld verlängert die Ausschlussfrist, sondern auch ein Auslandsaufenthalt oder die Abmeldung vom Leistungsbezug ohne triftigen Grund.

3.2..
Auslandsaufenthalt

Begibt sich die Person während einer Ausschlussfrist nach § 10 AlVG ins Ausland, wird für die Unterbrechung des Leistungsausschlusses unterschieden, ob ein berücksichtigungswürdiger Grund vorliegt. Liegt ein berücksichtigungswürdiger Nachsichtsgrund gem § 16 Abs 3 AlVG vor, bleibt der Auslandsaufenthalt für die Festlegung des Ausschlussfristzeitraumes ohne Auswirkung. Liegt hingegen kein Nachsichtsgrund vor, so wird der Zeitraum der Ausschlussfrist durch den Auslandsaufenthalt unterbrochen, da die betreffende Person in dieser Zeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht und sich der Sanktionszeitraum auf Zeiträume erstrecken soll, für die andernfalls eine Leistung gebühren würde. Nach der Rückkehr bzw Wiedermeldung wirkt die Sanktion nach § 10 AlVG für die restliche verbleibende Dauer des Arbeitslosengeldanspruches weiter, sofern zwischenzeitlich nicht ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden ist. Eine gesetzliche Regelung dahingehend ist dem AlVG nicht zu entnehmen, da § 10 AlVG ausschließlich die Unterbrechung des Leistungsausschlusszeitraumes und deren Verlängerung durch das Krankengeld normiert.

3.3..
Abmeldungen vom Leistungsbezug

Für die Dauer einer Abmeldung vom Leistungsbezug hat keine Vermittlung zu erfolgen. Im Falle einer Wiederanmeldung zum Leistungsbezug wirkt die Sanktion nach § 10 AlVG für die restliche verbleibende Dauer ebenfalls weiter, sofern zwischenzeitlich nicht ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden ist. Auch diese Vorgabe in der Durchführungsweisung findet keine ausdrückliche Deckung im Gesetz.

3.4..
Dienstverhältnis

Liegt bereits am Tag der Kenntnis von der Pflichtverletzung eine die Arbeitslosigkeit ausschließende (selbstständige oder unselbstständige) Beschäftigung vor oder erfolgt die Aufnahme einer derartigen Beschäftigung noch vor Ende der Ausschlussfrist, ist zu unterscheiden:

  • Dauert die Beschäftigung zumindest vier Wochen, so ist infolge des Vorliegens eines Nachsichtsgrundes keine Sanktion nach § 10 AlVG auszusprechen, da dies einer gänzlichen Nachsicht gleichkommt.

  • Dauert die Beschäftigung weniger als vier Wochen, ist im Ausmaß der Beschäftigungsdauer Nachsicht nach § 10 Abs 3 AlVG vom Anspruchsverlust zu gewähren. Sofern die Beschäftigung für zumindest vier Wochen vereinbart war und ohne Verschulden des DN vorzeitig beendet wird, ist ebenfalls eine gänzliche Nachsicht zu erteilen.

Dabei sind Zeiträume einer Urlaubsersatzleistung bzw Kündigungsentschädigung wie Zeiträume einer Beschäftigung zu behandeln.

3.5..
Verpflichtungen während der Ausschlussfrist (Vermittlung, etc)

In Abkehr von der bislang ausgeübten Verwaltungspraxis müssen nach Rechtsmeinung des BMAW arbeitslose Personen der Arbeitsvermittlung nunmehr auch während einer Ausschlussfrist nach § 10 AlVG zur Verfügung stehen und sind verpflichtet, 128eine angebotene zumutbare Beschäftigung bzw ein erforderliches Kursangebot anzunehmen. Im Falle einer Weigerung oder Vereitelung ist ein weiterer, die bereits verhängte Sperre dann teilweise überlagernder, Anspruchsverlust auszusprechen, sofern aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nicht schon die Annahme genereller Arbeitsunwilligkeit gerechtfertigt ist.*

Auch während eines Zeitraumes nach §§ 11 oder 49 AlVG kann eine Sperre gem § 10 Abs 1 AlVG verhängt werden, wenn eine entsprechende Pflichtverletzung vorliegt.

Sich überlagernde Zeiträume eines Anspruchsverlusts nach §§ 10 oder 49 AlVG sind in allen Fällen bei der Verminderung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nur einmal zu berücksichtigen.

4..
Verwaltungspraxis ohne gesetzliche Grundlage rechtswidrig

Nachdem der Inhalt der Durchführungsweisung erläutert wurde, wird diese nunmehr dahingehend überprüft, ob sie mit den gesetzlichen Regelungen im Einklang steht. Wie sich zeigen wird, findet die in der Durchführungsweisung festgelegte Verwaltungspraxis keine ausdrückliche Deckung im AlVG und ist daher rechtswidrig.

Bei der Durchführungsweisung des Arbeitsministeriums handelt es sich um eine Weisung iSd Art 20 Abs 1 B-VG. Weisungen wirken im Innenverhältnis, da es sich dabei um eine Anordnung an eine untergeordnete Behörde handelt.* In diesem Fall geht die Weisung vom Arbeitsministerium in der Hierarchiekette an das AMS. Eine Weisung stellt jedoch keine taugliche Rechtsgrundlage für einen weiteren Verwaltungsakt wie einen Bescheid dar.* Dies hält der VwGH in seiner stRsp fest: „Ein allfälliger Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie stellt keine verbindliche Rechtsquelle für den VwGH oder das VwG dar“.*„[E]in Bescheid, der sich allein auf einen solchen Erlass stützt, entbehrt daher einer tauglichen Rechtsgrundlage. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides nicht an einem (behauptetermaßen nicht befolgten) Erlass zu messen, auf dessen Befolgung den Parteien kein subjektives Recht zusteht. Einem allfälligen Erlass als Verwaltungsverordnung kommt somit bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angeordneten Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof keine Relevanz zu.“*

Folglich ist ein Bescheid, der sich auf die Durchführungsweisung in Punkten stützt, die gesetzlich nicht gedeckt sind, mit Rechtswidrigkeit belastet. Dies kann im Rechtsmittelweg aufgegriffen werden und ein solcher Bescheid ist vom BVwG aufzuheben.

Grundsätzlich ist die Durchführungsweisung – bzw die darauf aufbauende Bundesrichtlinie* des AMS – von den AMS-Mitarbeiter:innen zu vollziehen, da es sich um eine Weisung iSd Art 20 Abs 1 B-VG handelt und sie daran gebunden sind.* Eine Ausnahme hiervon würde nur bestehen, wenn die Weisung von einem unzuständigen Organ erlassen wurde, gegen Strafgesetze verstoßen würde oder „willkürlich“ ist.* In einem solchen Fall könnte der:die Mitarbeiter:in von seinem:ihrem „Remonstrationsrecht“* Gebrauch machen. „Rechtswidrigkeit aus anderem Grund begründet kein Ablehnungsrecht.“* Die vorliegende Durchführungsweisung normiert Rechtswidrigkeiten aus anderem Grund, weshalb die Durchführungsweisung von den Mitarbeiter:innen zu vollziehen ist.* Sollten die AMS-Mitarbeiter:innen dennoch Bescheide erlassen, die punktuell gegen die Weisung verstoßen,* wären diese aber grundsätzlich rechtmäßig.

4.1..
Keine Kontrollmeldungen während der Sperrfrist

Für diese Frage ist ein 1957 vom VwGH entschiedener Fall maßgeblich, der die Abweisung eines Antrags auf Arbeitslosengeld behandelt hat. Der Antrag auf Arbeitslosengeld wurde von der damals zuständigen Behörde zunächst mangels Anwartschaft abgewiesen. Im Rechtsmittelweg hat die betroffene Person vom VwGH Recht bekommen, dass die Anwartschaft sehr wohl erfüllt wurde. Anschließend hat die zuständige Behörde erneut über den Arbeitslosengeldanspruch entschieden. Die damals zuständige Behörde hatte dabei neben den anderen Anspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld verlangt (§ 6 AlVG 1949 bzw § 7 AlVG 1958)*, dass die betroffene Person die zweimal wöchentlichen Kontrollmeldungen nach § 44 AlVG 1949 bzw § 49 AlVG 1958 auch während jenes Zeitraums erfüllen muss, während dessen die Behörde der Ansicht war, dass der betroffenen Person überhaupt kein Anspruch gebührt. Der Antrag auf Arbeitslosengeld wurde anfangs – wie erläutert – abgewiesen. Diese 129 Ansicht hat der VwGH verworfen und festgestellt, dass der arbeitslosen Person keine Nachteile dadurch entstehen dürfen, wenn Sie während eines Zeitraums AlVG-Verpflichtungen – in diesem Fall Kontrollmeldungen – nicht erfüllt, weil sie keinen Anspruch auf eine Leistung nach dem AlVG hatte oder die Behörde der Ansicht war, dass die Person keinen Anspruch hat.* Diese Rechtsansicht hat der VwGH in zwei weiteren Erkenntnissen aus den Jahren 2002 und 2007 bestätigt.*

Daraus lässt sich Folgendes für das geltende AlVG ableiten: Hat eine Person Anspruch auf Arbeitslosengeld, muss diese alle Voraussetzungen gem § 7 AlVG erfüllen und auch die daraus resultierenden Verpflichtungen. Hat eine Person keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, muss die Person die sich aus dem AlVG ergebenden Verpflichtungen gerade nicht erfüllen. Folglich muss eine Person während einer Sperrfrist nach § 10 AlVG mangels Leistungsbezugs auch keine Kontrollmeldetermine einhalten.* Ein versäumter Kontrollmeldetermin während einer Sperrfrist darf somit keinesfalls zu nachteiligen Rechtsfolgen führen.* Dies gilt nach dem VwGH sogar, wenn die Sperre nachträglich aufgehoben wird. In einem Größenschluss muss dies ebenso für § 11 AlVG (Nachsicht) und § 16 AlVG (Ruhen) gelten. Folglich ist die Verwaltungspraxis, dass während einer Sperrfrist Kontrollmeldetermine vergeben werden, rechtswidrig.

4.2..
Keine Sanktion während einer bestehenden Sanktion

Die Sanktion gem § 10 AlVG führt dazu, dass die Leistung für einen festgelegten Zeitraum verloren geht, sodass sich der zuerkannte Leistungszeitraum um den Sanktionszeitraum verkürzt. § 7 Abs 1 AlVG normiert ua für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, dass Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen müssen. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf sowie arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist. Gem § 9 Abs 1 AlVG ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch das AMS oder von beauftragten Dienstleister:innen zugewiesene zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, sich nach- und umschulen zu lassen, an einer Maßnahme der Wiedereingliederung teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch macht bzw von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung der Beschäftigung unternimmt. Für die Arbeitswilligkeit und den damit verbundenen Leistungsanspruch müssen daher alle diese Beurteilungskriterien erfüllt sein. Eine Sanktion gem § 10 AlVG wird ausgesprochen, wenn ein Verhalten der arbeitslosen Person dazu führt, dass eine der Voraussetzungen für die Arbeitswilligkeit nicht erfüllt ist, zB eine arbeitslose Person eine zumutbare Beschäftigung nicht angenommen hat. Den gesetzlichen Regelungen kann nicht entnommen werden, dass die Arbeitswilligkeit auch während des Leistungsausschlusses, der als Sanktion für die fehlende Arbeitswilligkeit gesehen wird, weiterhin aufrecht sein muss. Mit einer Sperre gem § 10 Abs 1 AlVG wird festgestellt, dass für den Sanktionszeitraum der Leistungsanspruch gerade wegen der fehlenden Voraussetzungen für den Leistungsbezug verloren geht. Damit sind aber die oben angeführten Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 AlVG gemeint. E contrario muss daher gelten, dass arbeitslose Personen der Vermittlung nicht zur Verfügung stehen müssen, wenn diese Voraussetzungen (temporär) nicht erfüllt sind. Mit der neuen Verwaltungspraxis wird aber verlangt, dass die Arbeitswilligkeit weiterhin nachgewiesen werden muss, obwohl dies nach § 7 Abs 1 AlVG e contrario mangels Leistungsanspruchs nicht verlangt werden darf.

Ein zusätzliches Argument, das gegen eine weitere Sanktion innerhalb der Leistungssperre spricht, ist dass der Sanktionszeitraum nicht bestimmbar ist. Die Mindestdauer der Sperre erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung um weitere zwei Wochen auf acht Wochen und gilt diese Erhöhung bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Laut VwGH ist dies aber nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides feststeht, dass es sich um eine weitere Pflichtverletzung iSd § 10 Abs 1 AlVG handelt. Das bedeutet, die Pflichtverletzung muss rechtskräftig festgestellt sein, andernfalls ist ein Bescheid rechtswidrig, der eine Sanktion vor Rechtskraft einer bestehenden Sanktion festlegt.* Schon aus diesem Grund ist eine Leistungssperre während einer bestehenden Sanktion ausgeschlossen.

4.3..
Rechtsfolgen der Sperre dürfen nicht nachwirken

Basierend auf der Durchführungsweisung werden bereits AMS-Bescheide ausgestellt. Das AMS führt im Spruch dieser Bescheide aus, dass die Ausschlussfrist unterbrochen wird, sofern aus einem anderen Grund als wegen eines Ausschlusses gem §§ 10 und 49 AlVG kein Leistungsanspruch besteht. Weiters führt das AMS im Spruch aus, dass während 130 eines Ausschlusses gem § 10 AlVG weiterhin alle gegenüber dem AMS bestehenden Verpflichtungen (Verfügbarkeit, Arbeitswilligkeit, Meldepflichten etc) bestehen. Obwohl die angeführten gesetzlichen Regelungen dem AlVG nicht zu entnehmen sind, werden diese im Spruch dieser Bescheide angeführt. Ausschließlich der Krankengeldbezug wird im Gesetz angeführt und dass dieser die Ausschlussfrist verlängert. Dem Gesetz ist aber nicht zu entnehmen, dass die Leistungssperre unterbrochen wird, wenn aus einem anderen Grund als wegen eines Ausschlusses gem §§ 10 und 49 AlVG kein Leistungsanspruch besteht. Da der Spruch des Bescheides Regelungen enthält, die dem Gesetz nicht zu entnehmen sind, ist der Bescheid – wie oben ausgeführt – rechtswidrig.

4.4..
Vermittlung innerhalb der Ausschlussfrist

Die Zulässigkeit einer Vermittlung während des Leistungsausschlusses unter Sanktionsdrohung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Verfügbarkeit, Arbeitswilligkeit oder Meldepflichten sind aufgrund der gesetzlichen Regelungen in § 7 Abs 1 AlVG Voraussetzung für den Leistungsanspruch. Besteht ein solcher Leistungsanspruch nicht, können aus dem Gesetz keine ausdrücklichen Regelungen dahingehend entnommen werden, die darauf hinweisen, dass Verpflichtungen auch während des Sanktionszeitraumes bestehen.

Eine Vermittlung kann ebenso in eine Kursmaßnahme erfolgen. Eine Kursmaßnahme bedeutet für arbeitslose Personen zusätzliche Ausgaben, für die entsprechende Beihilfen zur Existenzsicherung geschaffen wurden (siehe oben 2.4.). Wird nun aber eine Person im Sanktionszeitraum zu einer Kursmaßnahme zugewiesen, ist dem Gesetz keine Wahlmöglichkeit zu entnehmen. Folglich ist man aufgrund der neuen Verwaltungspraxis dazu gezwungen, im Sanktionszeitraum ohne Beihilfe am Kurs teilzunehmen, anderenfalls droht eine weitere Leistungssperre im Sanktionszeitraum. Gebührt keine Leistung aus der AlV wegen einer Sanktion, gebührt auch keine Beihilfe. Diese Verwaltungspraxis ist daher mangels gesetzlicher Grundlage ebenfalls rechtswidrig.

5..
Fazit

Die Durchführungsweisung des BMAW zu § 10 AlVG verstößt in einigen relevanten Punkten gegen das AlVG und führt daher zur Rechtswidrigkeit von AMS-Bescheiden, die sich darauf stützen. Folglich ist die derzeitige Verwaltungspraxis des AMS – basierend auf der Durchführungsweisung – in diesen Punkten rechtswidrig:

  • Keine Kontrollmeldungen während Sperrfrist;

  • Keine Sanktion während einer bestehenden Sanktion;

  • Rechtsfolgen der Sperre dürfen nicht nachwirken;

  • Vermittlung innerhalb der Ausschlussfrist.

Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist diese gesetzwidrige Verwaltungspraxis schnellstmöglich zu beheben.131