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Nichtweitergabe von Skontobeträgen an Belegschaftsangehörige durch Betriebsrätin begründet Vertrauensunwürdigkeit

KlausBachhofer

Das Betriebsratsmandat ist ein neben den Berufspflichten auszuübendes Ehrenamt, für dessen Ausübung grundsätzlich nur Barauslagenersatz aus dem Betriebsratsfonds beansprucht werden darf. Vorteile aus der Betriebsratstätigkeit dürfen auch von dritter Seite nicht angenommen werden.

Sachverhalt

Die 1965 geborene Kl war bei der Bekl, die ein Speditions- und Logistikunternehmen betreibt, seit 6.11.2004 als Angestellte beschäftigt. Sie war seit 2005 oder 2006 als Ersatzmitglied des Angestellten-BR gewählt. Kurz danach wurde sie vom BR zum ordentlichen Mitglied „hochgereiht“, um eine von der Bekl in der Zwischenzeit ausgesprochene Kündigung abzuwenden.

Die Kl war eine überaus engagierte BR, die regelmäßig durchs Haus ging, zu Anlässen kleine Geschenke verteilte, sich bei den Mitarbeitern nach allfälligen Problemen erkundigte und gegebenenfalls versuchte, Hilfe zu leisten. Bei Gesprächen lud sie Mitarbeiter fallweise auf Snacks oder Getränke ein, die sie teilweise selbst bezahlte. Sie scheute keine Konflikte mit dem DG und involvierte bei Bedarf die Gewerkschaft.

Der ehemalige Vorsitzende des Angestellten-BR hatte unter Mithilfe der Kl ein gemeinsames Medikamentenbestellsystem im Betrieb eingeführt. Mit einer Apotheke wurde auf Bestellungen des BR ein 20 %-iger Rabatt vereinbart. Zusätzlich gewährte die Apotheke 3 % Skonto bei Zahlung der vollen Rechnungssumme innerhalb von 30 Tagen. Bei verspäteter Zahlung wären 12 % Verzugszinsen fällig geworden. Den Mitarbeitern der Bekl wurde die Aktion in einer E-Mail so kommuniziert, dass sie bei Bestellungen 20 % Rabatt erhalten. Das zusätzliche Skonto wurde nicht kommuniziert und war den Mitarbeitern nicht bekannt.

Die Kl erhielt vom Vorsitzenden in bar den an die Apotheke zu überweisenden Betrag ohne Skonto, 85das bei ihm verblieb. Die Kl zahlte den erhaltenen Betrag zunächst auf ihr eigenes Konto ein und überwies ihn an die Apotheke weiter. Das Betriebsratskonto wollten beide für die Zahlungen nicht verwenden, um es nicht mit einem allfälligen Manko zu belasten und weil dafür eine Doppelzeichnungsberechtigung galt.

Nach dem Ausscheiden des bisherigen Betriebsratsvorsitzenden im Jahre 2014 übernahm die Kl das Medikamentenbestellsystem ganz. Sie führte das System unverändert fort, wobei sie nun das gesamte von den Mitarbeitern kassierte Bargeld auf ihr privates Konto einzahlte und die Skonti nach Überweisung der reduzierten Rechnungen daher bei ihr verblieben. In Summe beliefen sich die einbehaltenen Skontobeträge auf rund € 7.000,-, wovon rund € 3.200,- bis zu ihrem Ausscheiden bei der Kl verblieben.

Das Medikamentenbestellsystem war bei monatlich 40 bis 80 Mitarbeiterbestellungen für die Kl mit einem erheblichen organisatorischen Aufwand verbunden. Wenn Mitarbeiter ihre Bestellungen manchmal nicht innerhalb der 30-tägigen Zahlungsfrist abholten, trat sie für diese in Vorleistung, sodass nie Verzugszinsen fällig wurden. Manchmal kam es vor, dass Mitarbeiter die Abnahme trotz Bestellung verweigerten oder nicht mehr bei der Bekl beschäftigt waren. In diesen Fällen übernahm die Kl freiwillig den Ausfall. Der Aufwand dafür lag jedenfalls unter den Skontobeträgen.

Die Kl verrichtete die Arbeit für das Medikamentenbestellsystem teilweise in der Zeit ihrer Freistellung, teils auch in der Freizeit, etwa am Wochenende. Zumindest einmal erhielt sie dafür 1,95 Sonntagsüberstunden ausbezahlt. Für die Fahrten zur Apotheke verrechnete sie der Bekl Kilometergeld.

Sie machte sich keine Gedanken über die Zulässigkeit des Systems der Medikamentenbestellung und handelte nicht mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig durch die Skonti zu bereichern, obwohl sie 2015 bei der Bekl einen Kurs zum Thema Compliance absolvieren musste, der ua verbotene Zahlungen, Geschenkannahme und persönliche Zahlungen im Namen der Bekl zum Inhalt hatte.

Im Oktober 2018 erfuhr der Vorsitzende des Arbeiter-BR, dass die Kl Skonti für die Bestellungen für sich behielt und informierte ein Vorstandsmitglied der Bekl. Die Kl wurde in den Betrieb gerufen und mit dem Vorwurf konfrontiert. Sie verantwortete sich mit ihrer aufgewendeten Arbeitszeit, dem Risiko und Einladungen für Mitarbeiter. Die Kl wurde daraufhin dienstfrei gestellt und die Bekl brachte umgehend Klage auf Zustimmung zu ihrer Entlassung ein. Ein gegen die Kl über Betreiben des Arbeiter-BR eingeleitetes Strafverfahren wurde eingestellt.

Nachdem das Betriebsratsmandat der Kl noch während des anhängigen Verfahrens auf Zustimmung zur Entlassung geendet hatte, erhielt sie am 30.4.2019 ein Schreiben der Bekl, in dem sie ersucht wurde, am 2.5.2019 zu einem Gesprächstermin zu kommen. Die Bekl beabsichtigte, dabei die Entlassung auszusprechen. Nachdem die Kl telefonisch keine Auskunft über den Gesprächszweck bekommen hatte, schickte sie ein E-Mail an die Bekl, in dem sie erklärte, aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen zu können. Tatsächlich wäre ihr das Erscheinen gesundheitlich möglich gewesen. Letztlich wurde der Kl die Entlassungserklärung per Post übermittelt.

Die Bekl hatte die Kl in der Vergangenheit aufgrund ihrer Art der Ausübung des Betriebsratsmandats als lästig und teilweise sogar disziplinär empfunden, weshalb sie für allfällige Nachsicht weniger bereit war. Ausgesprochen wurde die Entlassung aber nicht wegen dieser Gründe, sondern wegen des Einbehalts der Skonti, was von der Bekl als unrechtmäßige Bereicherung zum Schaden der Mitarbeiter aufgefasst wurde. Die Bekl geht in solchen Fällen generell streng vor, da in der Logistikbranche Diebstähle unter Beteiligung von Mitarbeitern häufig verübt werden und deswegen besonderer Wert auf deren Integrität gelegt wird.

Die Kl verdiente bei der Bekl zuletzt € 2.550,-, 14x jährlich. Sie war bei Entlassung für eine damals maturierende Tochter sorgepflichtig, für die sie vom Kindesvater monatlich € 370,- Alimente bezog. An Miete hatte sie monatlich € 360,- zu zahlen, für allgemeine Lebenshaltungskosten und Freizeitaktivitäten rund € 700,- bis € 750,-. Weiters hatte sie damals Schulden aus einem Hauskauf in Höhe von € 37.000,-, die sie in Raten von € 370,- in der Folge abzahlte.

Nach der Entlassung bezog die Kl Arbeitslosengeld und zuletzt Notstandshilfe. Sie bewarb sich bis Februar 2020 auf insgesamt 55 Stellen, davon 35 auf eigene Initiative. Zweimal wurde sie zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, wobei sie die Beendigungsart ihres Dienstverhältnisses zur Bekl angab. Die Bewerbungen blieben erfolglos. Bei zeitintensiver persönlicher Arbeitssuche wie im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung wäre es der Kl innerhalb von 8 bis 10 Monaten ab Entlassungstag möglich gewesen, eine Stelle als Büro- oder Handelsangestellte mit einem Bruttomonatsgehalt von ca € 2.500,- zu erlangen. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Jahr 2022 war die Kl wegen mittlerweiliger Langzeitarbeitslosigkeit und aufgrund ihres Lebensalters de facto auf dem Arbeitsmarkt chancenlos.

Verfahren und Entscheidung

Mit ihrer Klage begehrte sie zuletzt, die Entlassung vom 3.5.2019 für unwirksam zu erklären, in eventu die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis weiter aufrecht sei. Sie habe keinen Entlassungsgrund verwirklicht. Die Beendigung sei wegen ihrer Betriebsrats86tätigkeit ausgesprochen worden und außerdem sozialwidrig.

Das Erstgericht wies das Klage- und Eventualbegehren ab. Die verheimlichte Einbehaltung der Skonti für die Medikamentenbestellungen erfülle den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit. Selbst wenn dem Verhalten nicht das Gewicht eines Entlassungsgrundes beigemessen würde, seien weder ein verpöntes Motiv noch Sozialwidrigkeit zu erkennen. Die Betriebsratstätigkeit der Kl sei für die Entlassung nicht kausal gewesen, sondern habe ihr nur die Gelegenheit zur Verwirklichung des Beendigungsgrundes geboten. Ihr Verhalten bilde zumindest einen ausreichenden personenbezogenen Kündigungsgrund, der die Auflösung des Dienstverhältnisses ungeachtet der festgestellten Interessenbeeinträchtigung rechtfertige.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Kl Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts iSd Stattgebung des Anfechtungsbegehrens ab. Es kam zu dem Ergebnis, es wäre der Bekl zumutbar gewesen, die Kl weiter zu beschäftigen und sie lediglich darüber aufzuklären, dass ihre Abwicklung der Medikamentenbestellungen nicht in Ordnung war und nicht weiter so gehandhabt werden dürfe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Kl die Medikamentenbestellungen nur als von ihrem Vorgänger übernommene Serviceleistung ohne ein Eigeninteresse abgewickelt habe und kein Zusammenhang mit ihrer Arbeitstätigkeit bestanden habe. Die Entlassung habe die Interessen der Kl angesichts einer erwartbaren Arbeitsplatzsuche von 8 bis 10 Monaten gröblich beeinträchtigt. Letztlich habe sie gar keine Arbeit gefunden und sei nunmehr auf dem Arbeitsmarkt chancenlos. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts wiege diese Beeinträchtigung schwerer als die Interessen der Bekl an einer Beendigung des Dienstverhältnisses.

Der OGH erkannte die von der Bekl erhobene Revision als zulässig und auch als berechtigt.

Originalzitate aus der Entscheidung

„[32] Angesichts der Feststellung, dass die Klägerin ihre Medikamentenbestellungen zumindest überwiegend in der von der Beklagten bezahlten Arbeitszeit abgewickelt hat, in der sie für ihre Betriebsratstätigkeit freigestellt war, und sie sich dafür Sonntagsüberstunden sowie Kilometergeld für Fahrten zur Apotheke bezahlen ließ, vermag der erkennende Senat die Auffassung, das Medikamentenbestellwesen hätte gar nichts mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu tun gehabt, nicht zu teilen.

[33] Der Begründung, die Klägerin habe die Bestellungen nur als Serviceleistung abgewickelt, ohne damit ein Eigeninteresse zu verfolgen, steht entgegen, dass sie sich damit in ihrer von der Beklagten bezahlten Arbeitszeit in insgesamt rund vier Jahren ein durchschnittliches laufendes Zusatzeinkommen von rund 800 € jährlich verschafft hat.

[34] Es ist auch dem Sachverhalt nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die bereits vom früheren Betriebsratsvorsitzenden gewählte Vorgangsweise unverändert beibehalten hat. Der Betriebsratsvorsitzende hatte ihr nach den Feststellungen immer nur das zur Überweisung benötigte Bargeld ausgehändigt. Es steht aber nicht fest, dass die Klägerin auch wusste, was der Betriebsratsvorsitzende mit der Skontodifferenz gemacht hat und dass er sie nicht, wie es eher zu erwarten gewesen wäre, dem Betriebsratsfonds zugeführt hat […].

[35] Nach Übernahme der gesamten Tätigkeit durch die Klägerin kam es jedenfalls insoweit zu einer Änderung der Abwicklung, als sie sich zu diesem Zeitpunkt entschlossen hat, in Hinkunft nicht mehr nur die Überweisungsbeträge, sondern das gesamte Bargeld auf das eigene Konto einzuzahlen und die Differenz zu behalten.

[36] Den Überlegungen des Berufungsgerichts, dass die Weiterverrechnung der Skonti an die Besteller der Medikamente kompliziert gewesen wäre, ist anzufügen, dass es genügt hätte, die Mitarbeiter über die zusätzlich zum Rabatt gewährten Skontobeträge in Kenntnis zu setzen und vorweg eine zulässige Verwendung mit ihnen zu vereinbaren.

[37] Einer privaten Belohnung der Klägerin für ihre Abwicklungstätigkeit stand nicht nur § 1009 ABGB, sondern auch § 115 Abs 1 ArbVG entgegen (RIS-Justiz RS0051326). Das Betriebsratsmandat ist ein neben den Berufspflichten auszuübendes Ehrenamt, für dessen Ausübung grundsätzlich nur Barauslagenersatz aus dem Betriebsratsfonds beansprucht werden darf. Vorteile aus der Betriebsratstätigkeit dürfen auch von dritter Seite nicht angenommen werden. Ein solches Vorgehen kann den Tatbestand der Geschenkannahme durch Machthaber erfüllen (§ 153a StGB […]).

[38] In diesem Zusammenhang macht die Revision auch zutreffend geltend, dass das Berufungsgericht die Klägerin nicht, wie in der angefochtenen Entscheidung dargelegt, nur am Maßstab einer mit sehr einfachen Aufgaben betrauten, „gedankenlos handelnden“ Angestellten, sondern am Maßstab eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds zu messen hatte, dem durch seine Wahl besonderes Vertrauen ausgedrückt wird und dem eine gewisse Vorbildfunktion zukommt (vgl 9 ObA 267/98z mwN). In ihrer Funktion als Betriebsratsmitglied war es der Klägerin vorwerfbar, sich nicht mit den zentralen rechtlichen Rahmenbedingungen für das Mandat, insbesondere dem Inhalt des § 115 ArbVG, vertraut zu machen und „gedankenlos“ Vorteile aus der Tätigkeit zu beziehen.

[39] In diesem Zusammenhang weist die Revision auch zutreffend auf die Compliance-Schulung hin, die von der Klägerin zwar absolviert, aber ebenfalls nicht zum Anlass für eine Überprüfung ihrer Bestellabwicklung genommen wurde. Die Auffassung 87 des Berufungsgerichts, dass auch eine Compliance-Schulung an der mangelnden Vorwerfbarkeit der Handlungsweise der Klägerin nichts ändere, wurde von ihm nicht weiter begründet.

[40] Von der dargestellten Beurteilung ausgehend ist dem Berufungsgericht nicht zu folgen, wenn es die Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Beklagte als zumutbar erachtet hat. Die unbekümmerte – auch nach Entdeckung noch von der Klägerin vehement verteidigte – Vorteilsannahme rechtfertigte iSd § 27 Z 1 AngG die Befürchtung der Beklagten, dass ihre Belange durch die Klägerin gefährdet sind. Auch wenn letztlich keine strafrechtliche Verfolgung stattgefunden hat, hatte die Klägerin zumindest den äußeren Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt. Der Umstand, dass sie dabei auch nach der Entdeckung kaum Unrechtsbewusstsein zeigte, konnte die Befürchtung eines künftigen Vertrauensmissbrauchs nicht beseitigen, sondern nur bestärken.

[41] [...] Allein dass ein Angestellter an seinem Arbeitsplatz nicht mit Geld zu hantieren hat, schließt die Möglichkeit treuwidriger Machenschaften noch nicht aus.

[…]

[44] Stichtag für die Prüfung, ob eine Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers iSd § 105 Abs 2 Z 3 ArbVG beeinträchtigt, ist der Beendigungszeitpunkt aufgrund der angefochtenen Kündigung (RS0051772). Zu diesem Zeitpunkt wäre es der Klägerin bei sehr intensiver, einer Vollzeitbeschäftigung entsprechenden Arbeitsplatzsuche möglich gewesen, binnen 8 bis 10 Monaten eine Beschäftigung zu vergleichbaren Konditionen zu erlangen.

[45] Aus der erst im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens wegen des Verstreichens mehrerer Jahre eingetretenen Verschlechterung kann nicht auf eine Unrichtigkeit der ursprünglichen Prognose geschlossen werden (vgl RS0051772 [T5]). Aus den Feststellungen ist – bei durchschnittlich 2,5 Bewerbungen pro Monat – auch nicht erkennbar, dass die Arbeitsplatzsuche der Klägerin tatsächlich die der Prognose zugrundeliegende Intensität erreicht hat.

[46] Bei einer zu erwartenden Suchdauer von 8 bis zu 10 Monaten, moderaten Fixkosten und Einkommensaussichten in etwa der bisherigen Höhe kann von einer Sozialwidrigkeit der Kündigung wenn überhaupt so jedenfalls nur im niedrigsten Bereich der Bandbreite ausgegangen werden (vgl 9 ObA 58/06d; 9 ObA 125/13t). Auch bei einer Abwägung nach § 105 Abs 2 Z 3 lit a ArbVG mit dem gravierenden personenbezogenen Beendigungsgrund kann dem Anfechtungsbegehren daher kein Erfolg beschieden sein.

[…]“

Erläuterung

Dieser E des OGH liegt die Thematik besonderer Sorgfaltsanforderungen an betriebsrätlicher Betätigung und der unterschiedlichen Ausgestaltung von allgemeinem und besonderem Entlassungsschutz zugrunde. Der inkriminierte Sachverhalt ereignete sich während aktiver Funktionsperiode der AN als BR, sodass gem § 122 ArbVG nur eine mit Bereicherungsvorsatz begangene gerichtlich strafbare Handlung den AG zur Entlassung berechtigt hätte. Die AN verlor während des vom AG eingeleiteten Zustimmungsverfahrens ihr Mandat, worauf der AG die Entlassung aussprach, die von der AN sodann „nur mehr“ unter Berufung auf Sozialwidrigkeit gem § 105 iVm § 106 ArbVG angefochten werden konnte.

Obwohl die gerichtlichen Feststellungen der (zuletzt nicht mehr dem Betriebsratsstatus unterliegenden) AN ausdrücklich keinen Bereicherungsvorsatz anlasten und auch ein gegen sie geführtes Strafverfahren eingestellt wurde, hebt der OGH hervor, dass die Kl „zumindest den äußeren Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt“ und dadurch, dass sie „auch nach der Entdeckung kaum Unrechtsbewusstsein zeigte“, die Befürchtung eines künftigen Vertrauensmissbrauchs bestärkt hat. Der Gerichtshof betonte schließlich den aus § 115 ArbVG (Betriebsratsmandat ist ein Ehrenamt) abgeleiteten „Maßstab eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds“, dem die AN in seinen Augen nicht genügen konnte. Letztlich qualifizierte der OGH die nicht erfolgende Weitergabe der Skonti an die bestellenden Belegschaftsangehörigen durch die AN als Vertrauensunwürdigkeit begründende Vorteilsannahme gem § 27 AngG.

Der Fall zeigt deutlich die Schwierigkeiten einer sicheren rechtlichen Beurteilung vergleichbarer Sachverhalte. Das Berufungsgericht hat aus der Vorgangsweise der Kl noch keine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung abgeleitet und war der Auffassung, dass die Bekl es mit einer Aufklärung über die Bedenklichkeit bzw Problematik des Skontoeinbehalts bewenden hätte lassen können.

Bemerkenswert an der Entscheidungsbegründung und vielleicht ein kleines Indiz dafür, dass sich der OGH in seinem Urteil auch nicht ganz so sicher war, erscheint die gleichsam sicherheitshalber doppelte Begründung der Wiederherstellung des abweisenden Ersturteils. Obwohl der Gerichtshof bereits von einer Verwirklichung eines Entlassungsgrundes durch die AN ausgegangen ist, führt er dennoch eine eigentlich damit obsolet gewordene Interessensabwägung im Rahmen des Anfechtungsbegehrens durch, durch die aber freilich für die Kl ebenso wenig zu gewinnen war. Da man im festgestellten Verhalten der Kl zumindest einen gravierenden personenbezogenen Kündigungsgrund erblicken müsse, wäre auch die auf den Beendigungszeitpunkt abstellende Prognose einer voraussichtlich acht- bis zehnmonatigen Arbeitslosigkeit der Kl noch nicht schwerwiegend genug, um im Ergebnis von einer Sozialwidrigkeit auszugehen 88