38Zeitguthaben für Nachtschwerarbeit stehen auch im Falle einer Dienstverhinderung infolge Krankheit zu
Zeitguthaben für Nachtschwerarbeit stehen auch im Falle einer Dienstverhinderung infolge Krankheit zu
Auf die im Betrieb der Bekl beschäftigten AN finden die Bestimmungen über die Nachtschwerarbeit Anwendung (NSchG-Novelle 1992 BGBl 1992/473). Nach Art V § 3 Abs 1 Z 2 NSchG-Novelle1992 gebührt für jeden Nachtdienst iSd § 2, der nach dem 31.12.19994 geleistet wurde, ein Zeitguthaben im Ausmaß von zwei Stunden für Nachtdienste. Der Verbrauch dieses Zeitguthabens ist anlässlich der nächsten Diensteinteilung zu vereinbaren. Im vorliegenden Fall werden diese Nachtdienste von der Bekl bei der Diensteinteilung vorgegeben. Erkrankt der AN an einem Tag, an dem eine Nachtschwerarbeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr vorgesehen ist, wird seitens der Bekl das zweistündige Zeitguthaben im Rahmen der Entgeltfortzahlung nicht berücksichtigt. Der AN erhält daher kein Zeitguthaben, obwohl er zum Nachtdienst eingeteilt gewesen wäre.
Der kl BR begehrt ua die Feststellung, dass die AN der Bekl, die in den Anwendungsbereich des Art V der NSchG-Novelle 1992 fallen, auch dann Anspruch auf ein Zeitguthaben von zwei Stunden für zwischen 22:00 und 6:00 Uhr zu erbringende Nachtschwerarbeit haben, wenn die Arbeitsleistung aufgrund einer Dienstverhinderung in Folge von Krankheit, Unfall oder eines vergleichbaren Tatbestandes entfällt und für die Dienstverhinderung Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
Die Bekl bestritt und argumentierte, dass die Ersatzruhezeit für den Nachtdienst kein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren in diesem Umfang ab, weil die Gewährung einer – auf die Normalarbeitszeit anzurechnenden – Ersatzruhezeit für den Nachtdienst kein (zusätzliches) Entgelt für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft sei. Durch den Zeitausgleich solle nur die tatsächlich geleistete Nachtschwerarbeit anerkannt werden. Es komme auf die tatsächliche Leistung der Betreuungs- und Behandlungsarbeit an.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl gegen die Abweisung dieses Teils des Klagebegehrens Folge und der Klage in diesem Umfang statt.89
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zum Erwerb von Ansprüchen auf Zeitausgleich trotz Arbeitsunfähigkeit eine Klarstellung geboten sei.
Der OGH wies die ordentliche Revision als unberechtigt zurück und begründete dies wie folgt:
Nach Art V § 3 Abs 1 Z 2 NSchG-Novelle 1992 gebührt für jeden Nachtdienst iSd § 2, welcher nach dem 31.12.1994 geleistet wurde, ein Zeitguthaben im Ausmaß von zwei Stunden für Nachtdienste. Der Verbrauch dieses Zeitguthabens ist anlässlich der nächsten Dienstzeiteinteilung zu vereinbaren. Nach den Materialien soll damit für besonders belastende Arbeiten des Pflegepersonals in Krankenanstalten ein Ausgleich geschaffen werden. Für jede geleistete Nachtschwerarbeit iSd § 2 gebührt ein Zeitausgleich von zwei Stunden. Um gesundheitliche Schäden der in der Nacht Arbeitenden gering zu halten, soll dieses Zeitguthaben möglichst rasch nach Leistung des Nachtdienstes verbraucht werden.
Dass das Gesetz in diesem Zusammenhang vom Regelfall der „geleisteten“ Arbeit ausgeht, lässt jedoch keinen Rückschluss auf Fälle der Entgeltfortzahlung zu, denen typischerweise eine Situation zugrunde liegt, in der von AN gerade keine tatsächliche Leistung, also auch keine Nachtschwerarbeit erbracht wird.
Den Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung liegt das Ausfallsprinzip zugrunde, nachdem der AN während eines Urlaubs oder Krankenstands grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten hat, dass er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte. Der OGH führt weiters aus, dass eine der E 9 ObA 107/16z vom 17.11.2016 vergleichbare Fragestellung vorliegt. Im Zuge dieser gelangt der OGH zum Ergebnis, dass die Nichtanwendung des Nachtfaktors für Zeiten, in denen ein AN zwar nach der jeweils geltenden Diensteinteilung zur Nachtarbeit eingeteilt sei, seine (geplante) Arbeitsleistung jedoch nicht erbringen könne, zur Folge hätte, dass der AN für seine krankheitsbedingte Abwesenheit – im Ausmaß des nicht erworbenen Zeitguthabens – zusätzliche Arbeitszeiten leisten müsse. Dies liefe aber dem Verständnis vom Wesen der Entgeltfortzahlung zuwider, das gerade darauf beruhe, dass der AN in den Entgeltfortzahlungsfällen so gestellt werden solle, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht.
In den Fällen der Nachtschwerarbeit nach Art V NSchG-Novelle 1992 wird die Arbeitszeit, zu der der AN eingeteilt ist, nicht ausdrücklich höher bewertet. Da jedoch dem AN zwei Stunden zusätzlicher Zeitausgleich zusteht, kommt es im Ergebnis auch in diesem Fall zu einer Verkürzung der Normalarbeitszeit unter Fortzahlung des Entgelts. Durch die Berücksichtigung des Zeitguthabens in den nachfolgenden Diensteinteilungen kommt es zu einer entgeltwerten Gegenleistung des Bekl.
Ursprünglicher Zweck des Zeitausgleichs nach Art V § 3 NSchG-Novelle 1992 war der Ausgleich der mit der konkreten Schwerarbeit verbundenen Belastung mit dem Ziel, gesundheitliche Schäden von Nachtarbeiter gering zu halten. Dennoch sind auch hier AN in Fällen der Entgeltfortzahlung so zu stellen, als ob sie die Arbeit tatsächlich erbracht hätten. Dabei hat sich die Entgeltfortzahlung auch an jener Arbeit zu orientieren, zu deren Leistung er vorgesehen war. Wäre Nachtschwerarbeit geleistet worden, wäre zwingend der Zeitausgleich zu gewähren gewesen.
Der OGH hat somit auch im Anwendungsbereich der NSchG-Novelle 1992 klargestellt, dass es für den Erwerb von NSchG-Zeitguthaben nicht auf die tatsächlich erbrachte unmittelbare Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten während der Nacht ankommt.
Der Erwerb des NSchG-Zeitguthabens begründet sich insb durch das zur Bemessung der Entgeltfortzahlung maßgebliche Ausfallsprinzip.