66

Arbeitnehmerkündigung wegen nichtbestandener Ausbildung führt vereinbarungsgemäß nicht zu Ausbildungskostenrückersatz

GregorKaltschmid

Der Bekl war bei der Kl beschäftigt und sollte als Triebfahrzeugführer verwendet werden. Anlässlich des Dienstvertrags vom 16.5.2019 wurde vereinbart, dass der Kl die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer absolviert und die Kl die Ausbildungskosten von € 14.003,66 in der Erwartung übernimmt, dass das Dienstverhältnis „nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme zumindest drei Jahre“ fortgesetzt wird. Der Bekl verpflichtete sich zur (aliquoten) Rückzahlung dieser Kosten, wenn er das Dienstverhältnis „vor Ablauf dieser Frist“ kündigt, entlassen wird oder unberechtigt austritt. Für den Fall, dass er die Ausbildung aus von ihm zu vertretenden Gründen „vorzeitig abbricht“, hatte er die von der Kl „getragenen Kosten“ zurückzuzahlen.

Die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer dauert 23 Wochen, wobei mehrere aufeinander aufbauende Module zu absolvieren und danach Prüfungen abzulegen sind. Der Bekl absolvierte die Prüfung „Fahrerlaubnis“, die auch bei anderen Eisenbahnunternehmen anerkannt wird, scheiterte aber vier Mal an der Prüfung „Infrastrukturbezogene Fachkenntnisse“, sodass ein weiterer Antritt bei der Bekl ausgeschlossen ist. Ohne diese Prüfung darf der Bekl kein Triebfahrzeug am Schienennetz der Kl führen. Die Kl bot dem Bekl deshalb eine Tätigkeit als Verschieber an, was der Bekl ablehnte. Stattdessen kündigte er das Dienstverhältnis zum 31.8.2020.

Die Kl begehrt € 5.056,22 sA, weil der Bekl das Dienstverhältnis aufgekündigt habe und er die durch die teilweise abgeschlossene Ausbildung vermittelten Spezialkenntnisse auch bei anderen AG verwerten könne.

Der Bekl wendete ein, dass ein Rückersatz der Ausbildungskosten schon deshalb nicht in Betracht komme, weil er die Ausbildung nicht erfolgreich abgeschlossen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass die Klage abgewiesen wurde. Es ließ die Revision angesichts der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht zu.

Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück und führte aus:

Nach § 2d Abs 1 und 2 AVRAG ist eine Vereinbarung über die Rückerstattung von Ausbildungskosten nur zulässig, wenn es sich um die Kosten einer erfolgreich absolvierten Ausbildung handelt, welche dem AN Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen AG verwerten kann. Entscheidend ist, ob der AN durch die vermittelten Kenntnisse einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, weil seine Fähigkeiten zunehmen und seine Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt steigen. Dies setzt nicht unbedingt voraus, dass eine Prüfung absolviert oder ein Zeugnis ausgestellt wird. Auch wenn bei Ausbildungen, die eine Abschlussprüfung beinhaltet, in der Regel auch eine positive Prüfung maßgeblich ist.

Der Bekl konnte zwar die für die Tätigkeit als Triebwagenführer im Unternehmen der Kl erforderliche Ausbildung nicht abschließen, hat aber immerhin eine auch bei anderen Eisenbahnunternehmen verwertbare „Fahrerlaubnis“ erlangt. Dementsprechend begründet die Kl die Zulässigkeit ihrer Revision damit, dass keine höchstgerichtliche Rsp zur Frage vorliege, ob § 2d AVRAG den Rückersatz von Ausbildungskosten zulässt, wenn einzelne Teilprüfungen einer modularen Ausbildung erfolgreich absolviert wurden. Auf diese Frage kommt es aber nicht an, weil eine Rückerstattung der Ausbildungskosten nach § 2d Abs 2 AVRAG stets voraussetzt, dass eine 157 entsprechende Vereinbarung zwischen AG und AN getroffen wurde.

Die Vereinbarung, wonach der Bekl die Ausbildungskosten ersetzen muss, wenn er die Ausbildung „vorzeitig abbricht“, erfasst den Fall, dass er sich während der Ausbildung dazu entscheidet, die Ausbildung nicht weiter in Anspruch zu nehmen. Da der Bekl die gesamte Ausbildung durchlaufen, aber die abschließende Prüfung nicht bestanden hat, kann von einem „vorzeitigen Abbruch“ der Ausbildung nicht gesprochen werden. Die Kl kann sich auch nicht auf die Vereinbarung berufen, wonach der Bekl zum Kostenersatz verpflichtet ist, wenn er das Dienstverhältnis vor Ablauf von drei Jahren „nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme“ kündigt, weil er die Ausbildung nie abgeschlossen und die Frist daher nie zu laufen begonnen hat. Es würde auch dem erkennbaren Zweck der Vereinbarung widersprechen, den Bekl für weitere drei Jahre an das Unternehmen der Kl zu binden, obwohl er die im Dienstvertrag vereinbarte Tätigkeit mangels abgeschlossener Ausbildung nicht ausüben kann.

Da ein Rückersatz der Ausbildungskosten im Fall des Nichtbestehens der zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung erforderlichen Prüfung keine Grundlage in der zwischen der Kl und dem Bekl abgeschlossenen Vereinbarung findet und das Klagebegehren daher schon aufgrund der Vereinbarung jedenfalls abzuweisen war, ist die von der Kl in ihrem Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfrage nicht präjudiziell, sodass die außerordentliche Revision zurückzuweisen war.