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Neuregelung der Kündigungsfristen für Arbeiter: Ausnahmeregelung für Saisonbetriebe verfassungskonform?

JörgObergruber

Der OGH stellt an den VfGH den Antrag, § 1159 Abs 1 bis 4 ABGB, hilfsweise § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB und Abs 4 Satz 3 ABGB, hilfsweise § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB (jeweils idF BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153) als verfassungswidrig aufzuheben.

Sachverhalt

Der Kl war bei der Bekl seit 20.5.2021 als Kellner vollzeitbeschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt der KollV für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe zur Anwendung. Das Arbeitsverhältnis wurde von der Bekl am 5.10.2021 zum 21.10.2021 aufgekündigt.

Verfahren und Entscheidung

Der Kl begehrt ua Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung mit der Begründung, die Kündigung sei gem § 1159 Abs 2 ABGB fristwidrig erfolgt. Die Bekl betreibe keinen „Saisonbetrieb“, weshalb die gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB zur Anwendung gelange und nicht die kürzere 14-tägige kollektivvertragliche Kündigungsfrist.

Die Vorinstanzen gaben der Klage dem Grunde nach statt. Sie gingen davon aus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung des Kl die Kollektivvertragsparteien keine Einigung darüber erzielt haben, dass es sich bei den Betrieben im Bereich der Hotellerie und Gastronomie um Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 5 ArbVG handle, sodass keine kollektivvertragliche Abweichung von § 1159 ABGB vorgelegen sei und die Bekl das Arbeitsverhältnis des Kl nach § 1159 Abs 2 ABGB nur zum 31.12.2021 auflösen konnte. Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zugelassen. 144

Die eingebrachte außerordentliche Revision der Bekl wurde vom OGH als zulässig beurteilt, weil Judikatur des OGH zur Ausnahmebestimmung des § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB idF BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153 und insb zur Frage, wer für das Vorliegen der in § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB genannten Voraussetzungen beweispflichtig ist, fehlt. Im Rahmen des Revisionsverfahrens kamen dem OGH Zweifel an der Verfassungskonformität des § 1159, weshalb er beim VfGH ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet hat.

Originalzitate aus der Entscheidung

„[12] II.1 Gesetzliche Grundlagen:

1. § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153 lautet:

„§ 1159. (1) […]

(2) Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 22/1974 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

[…]

(4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Dienstnehmer das Dienstverhältnis mit dem letzten Tag eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Dienstnehmer vereinbarte Kündigungsfrist. Durch Kollektivvertrag können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1774 überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden.

[…]“

[13] 2. § 1159 ABGB trat (nach Verschiebungen) schließlich mit 1.10.2021 in Kraft (§ 1503 Abs 19 ABGB idF BGBl 2021/121BGBl 2021/121) und ist auf Beendigungen anzuwenden, die – wie hier – nach dem 30.9.2021 ausgesprochen wurden.

[14] § 53 Abs 6 ArbVG lautet:

„(6) Als Saisonbetriebe gelten Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten.“

[15] II. 2 Kollektivvertragliche Grundlagen:

§ 21a des (Rahmen-)Kollektivvertrags für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe abgeschlossen zwischen dem Fachverband Gastronomie und dem Fachverband Hotellerie und der Gewerkschaft vida (in der ab 1.5.2019 geltenden Fassung) lautet:

21. Lösung des Arbeitsverhältnisses

a. Das unbefristete Arbeitsverhältnis kann in den ersten 14 Tagen, die als Probezeit gelten, ohne vorherige Kündigung gelöst werden. Nach Ablauf dieser Zeit kann das unbefristete Arbeitsverhältnis nur nach vorheriger 14-tägiger Kündigung gelöst werden.

III. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:

1. Legalitätsprinzip:

[16] 1.1 Nach Art. 18 Abs 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden. Mit dieser Bestimmung wird der Grundsatz der Gesetzesbindung, das Legalitätsprinzip effektuiert: Das Gesetz ist demnach sowohl Voraussetzung (Vorbehalt des Gesetzes) wie auch Schranke (Vorrang des Gesetzes) der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit […].

[…]

[18] 1.3. Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher und verordnungsrechtlicher Regelungen sein können, ist ganz allgemein davon auszugehen, dass Art 18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt („differenziertes Legalitätsprinzip“, VfGH G 179/2019 mwN), wobei bei der Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden auszuschöpfen sind […]. Entscheidend ist daher, ob der Anordnungsgehalt einer Regelung unter Heranziehung aller Auslegungsmethoden geklärt werden kann (VfGH G 590/2023 ua).

[…]

[20] 1.5. Mit der Auslegung des § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153 im Verhältnis zu Pkt 21 lit a KV hatte sich der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 9 ObA 116/21f und 9 ObA 137/21v, die jeweils in Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG ergingen, auseinanderzusetzen. Ausgeführt wurde, dass die ursprünglich angestrebte Harmonisierung der Kündigungsfristen und -termine von Arbeitern und Angestellten nach dem gesetzlichen Modell nicht durchgehend verwirklicht ist, sondern mit § 1159 Abs 2 Satz 3 und Abs 4 Satz 3 ABGB im Sinne einer Ermächtigung der Kollektivvertragspartner kollektivvertragliche Abweichungen vom gesetzlichen Regelmodell ermöglicht wurden, sodass für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, auch kürzere Kündigungsfristen bestehen können. Durch diese soll eine relativ kurzfristige Anpassung des Personalstandes ermöglicht werden, wenn und weil (insbesondere witterungsbedingt) branchenspezifisch keine exakt voraussehbare Personalplanung erfolgen kann und auch Befristungsvereinbarungen nicht in jedem Fall ausreichen. […] Die gesetzliche Regelungsermächtigung gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass der Kollektivvertrag die Regelung für eine „Branche“ festgelegt hat, in der „Saisonbetriebe“ (§ 53 Abs 6 ArbVG iVm § 1159 Abs 2 und Abs 4 jeweils Satz 3 ABGB) überwiegen. Ist dies der Fall, werden auch Betriebe der Branche, die keine Saisonbranche sind, von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertrags145partner umfasst. Wie weiters ausgeführt wurde, können die Kollektivvertragspartner das Überwiegen von Saisonbetrieben nur deklarativ festhalten, jedoch nicht normativ festlegen, weil dieser Umstand tatbestandliche Voraussetzung für ihre Regelungsbefugnis ist. Letztlich gelangte der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass der für die Geltung der gesetzlichen Regelungsermächtigung erforderliche Nachweis des (quantitativen) „Überwiegens der Saisonbetriebe den jeweiligen Antragstellern dieser beiden Verfahren – trotz Vorlage umfangreichen Datenmaterials – nicht gelungen sei. […]

[21] Der Oberste Gerichtshof geht vor dem Hintergrund des nunmehrigen Verfahrens ausfolgenden Gründen von einem Verstoß der angefochtenen Norm(en) gegen das Rechtsstaatsprinzip aus:

[…]

[24] 1.6.3. Die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung der Regelungsbefugnis des §1159 Abs 2 Satz 3 und Abs 4 Satz 3 ABGB wirksam wird, sind von der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe abhängig („Überwiegen von Saisonbetrieben“). Selbst bei Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten und Heranziehung aller Interpretationsmethoden kann aber der Anordnungsgehalt einer Regelung nicht beurteilt werden, weil es sich bei diesem Umstand um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Regelungsbefugnis der KV-Parteien handelt. […] Diese Voraussetzungen können sich zudem jederzeit – und für die Rechtsunterworfenen in nicht vorhersehbarer Weise – ändern, wie etwa durch Schließung oder Neueröffnung von „Saisonbetrieben“ einer „Branche“. Hängt aber die Übertragung der Regelungsbefugnis an die Kollektivvertragsparteien vom Vorliegen bestimmter Sachverhaltselemente ab, deren Vorliegen sich ständig ändern kann und deren Voraussetzungen – wie sich aus den Ergebnissen der Verfahren 9 ObA 116/21f und 9 ObA 137/21v ergibt – auch anhand des von den zuständigen Fachverbänden vorgelegten umfangreichen Datenmaterials nicht erweislich waren, so wird den Parteien die Möglichkeit genommen, die Rechtmäßigkeit des Ausspruchs einer Arbeitgeberkündigung (im Anwendungsbereich des §1159 Abs 4 ABGB: einer Arbeitnehmerkündigung) in Bezug auf die einzuhaltende Kündigungsfrist zu überprüfen und ausgehend davon allfällige Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.

[25] 1.6.4 Aus diesen Gründen bleibt in – nach Ansicht des OGH – verfassungswidriger Weise für die Parteien des Arbeitsvertrages im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsvertrages zweifelhaft, ob für die Auflösung eines Arbeitsvertrags die gesetzlichen Regelungen oder jene eines Kollektivvertrages heranzuziehen sind. Die Folge der fehlenden Determiniertheit der angefochtenen Bestimmungen ist, dass allfällige im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsvertrags entstehende gesetzliche Ansprüche (wie etwa jener auf Kündigungsentschädigung) im Widerspruch zu dem sich aus Art. 18 B-VG ergebenden Rechtsstaatsgebot als nicht durchsetzbar anzusehen sind.

2. Gleichheitsgrundsatz

[26] 2.1 Der in Art 2 StGG und Art 7 Abs 1 B-VG verankerte Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen, aber andererseits bei entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen auch unterschiedliche Regelungen vorzusehen. […]

[27] 2.2. Mit dem Wortlaut der angefochtenen Bestimmung ist darauf abzustellen, dass die gesetzliche Regelungsermächtigung nur gilt, wenn in der Branche „Saisonbetriebe“ überwiegen, in diesem Fall also auch jene Betriebe der Branche von der Regelungsbefugnis der KV-Partner umfasst sind, die keine Saisonbetriebe sind. Können aber Betriebe die Ausnahmeregelung für sich in Anspruch nehmen, bei denen das Belastungsargument mangels Saisonabhängigkeit gar nicht greift, so ist für diese generalisierende Betrachtung keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen. Einerseits fehlt es Betrieben, die keine „Saisonbetriebe“ sind, an jener „typischen“ saisonal unterschiedlichen Auslastung, die eine raschere Auflösung von Arbeitsverhältnissen als im Interesse beide Arbeitsvertragsparteien gelegen erscheinen lässt. Andererseits ist nicht zu erkennen, aus welchen Gründen Betriebe, die keine „Saisonbetriebe“ sind, nur deshalb, weil sie einer „Branche“ angehören, in der „Saisonbetriebe“ im Sinn des § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, einem anderen Regime der Kündigungsfristen und -termine unterliegen, als solche Betriebe, die keiner vergleichbaren „Branche“ angehören.

[28] 2.3. Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, dass nach der Rechtsprechung des VfGH Regelungen, die als Resultat von Verhandlungen zwischen Interessenvertretungen, die einander widerstreitende Interessen zu vertreten haben, zustande kommen, Ausdruck eines gezielten Interessensausgleichs sind und damit die Vermutung der Sachlichkeit für sich haben […]. Der Gleichheitsgrundsatz setzt dem Gesetzgeber jedoch wie ausgeführt insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen […]. Zudem lässt sich nicht (bzw wenn überhaupt nur nach Erhebung des entsprechenden Datenmaterials und jeweils nur bezogen auf einen bestimmten Zeitraum) bestimmen, ob die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung des § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB (und ebenso § 1159 Abs 4 Satz 3) erfüllt sind, sodass auch dieser Umstand ihre Sachlichkeit gemäß Art 7 B-VG in Frage stellt.

Erläuterung

Der OGH setzt sich in dieser Entscheidung mit den für Arbeiter:innen geltenden gesetzlichen Regelungen des § 1159 ABGB zu Kündigungsfristen sowie der darin normierten Ausnahme für Saisonbranchen auseinander und hat diese Bestimmung nunmehr dem VfGH zur Prüfung vorgelegt. Zusammengefasst sieht § 1159 ABGB vor, dass in Saisonbranchen vom Gesetz abweichende kürzere Kündigungsfristen zur Anwendung gelangen können. 146Diese sind von den Kollektivvertragspartnern per KollV festzulegen.

Der OGH hatte sich bereits in den Entscheidungen 9 ObA 116/21f und 9 ObA 137/21v mit der Auslegung des § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/152BGBl I 2017/152 im Verhältnis zu Pkt 21a des KollV für Arbeiter:innen im Hotel- und Gastgewerbe auseinanderzusetzen. Zur Klarstellung, ob für Arbeiter:innen im Bereich der Hotellerie und Gastronomiebranche die 14-tägige Kündigungsfrist gemäß KollV oder die gesetzliche Frist von sechs Wochen bis fünf Monaten zum Quartalsende gilt, wurde sowohl von den gastgewerblichen Fachverbänden als auch der Gewerkschaft ein Feststellungsantrag gem § 54 Abs 2 ASGG beim OGH eingebracht. In den zitierten Entscheidungen stellte der OGH fest, dass weder der AG-Vertretung der Nachweis des Vorliegens einer Saisonbranche noch der AN-Vertretung jener des Nichtvorliegens einer Saisonbranche gelang. Ein individueller Anspruch eines AN auf eine Kündigungsentschädigung, wie er im vorliegenden Fall geltend gemacht wird, war nicht zu beurteilen.

Der OGH hat in einem weiteren Schritt präzise die Gründe dargelegt, warum er von einem Verstoß gegen das Legalitätsprinzip ausgeht. Die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung der Regelungsbefugnis des § 1159 Abs 2 letzter Satz und Abs 4 letzter Satz ABGB an die Kollektivvertragspartner wirksam wird, sind von der Auslegung unbestimmter Begriffe („Überwiegen von Saisonbranchen“, „Branche“ bzw „Saisonbetriebe“) abhängig. Selbst bei Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten und Heranziehung aller Interpretationsmethoden kann der Anordnungsgehalt der Regelung nicht beurteilt werden, weil es sich bei diesem Umstand um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien handelt.

Im Ergebnis erachtet der OGH jedenfalls zum einen die „Ausnahmebestimmung“ des § 1159 Abs 2 letzter Satz und zum anderen den „Saison“-Begriff als zu unbestimmt. Auch der Verweis von § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB auf die Legaldefinition des § 53 ArbVG schafft keine Rechtsklarheit, weil die dort verwendeten Begriffe in gleicher Weise an weitere (unbestimmte) tatbestandliche Voraussetzungen anknüpfen. („Als Saisonbetriebe gelten Betriebe, die ihrer Art nach nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten.“)

Als zweites Argument für die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 1159 ABGB wird vom OGH ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ins Treffen geführt. Der Gleichheitsgrundsatz setzt dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er verwehrt, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Der OGH folgert, dass es dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, dass die Ausnahmeregelung laut Gesetz bereits für Branchen, in denen Saisonbetriebe bloß überwiegen, gelte und damit auch Betriebe mitumfasse, die selbst gar nicht unter den Saisonstatus fallen. Diesen Betrieben, die keine Saisonbetriebe sind, mangelt es an jener „typischen“ saisonal unterschiedlichen Auslastung, die eine raschere Auflösung von Arbeitsverhältnissen als im Interesse der Arbeitsvertragsparteien gelegen ist, notwendig erscheinen lässt. Das ist nach Ansicht des OGH sachlich nicht gerechtfertigt.

Bereits Kessler (ArbeitergeberInnenkündigungen ab 1.1.2021 – Fristen in saison-„verdächtigen“ Branchen, DRdA-infas 2020, 373) und Mathy/Naderhirn (in Kozak [Hrsg], ABGB und Arbeitsrecht [2019] §§ 1159-1159c Rz 22) vertreten die Auffassung, dass die Ausnahme für Saisonbranchen verfassungswidrig ist. Für Kessler ist es fraglich, ob die verwendeten Gesetzesbegriffe iSd Art 18 B-VG hinreichend bestimmt sind. Mathy/Naderhirn und Kessler erblicken eine weitere Verfassungswidrigkeit darin, dass Saisonbetriebe einerseits und Dauerbetriebe andererseits, die sich in derselben Branche befinden, unterschiedslos zu behandeln sind. Im Ergebnis hat der OGH – ohne diese Lehrmeinungen zu erwähnen – die verfassungsrechtlichen Bedenken dieser Autor:innen gegen die Ausnahmeregelung geteilt.

Welche Rechtsfolgen sind nunmehr durch die Prüfungsanträge des OGH denkbar?

  1. Der VfGH hegt keine Zweifel am Legalitätsprinzip und am Gleichheitsgrundsatz und weist den Antrag ab.

  2. Der VfGH hebt § 1159 ABGB zur Gänze auf, womit das Ziel des Gesetzgebers, die Kündigungsfristen der Arbeiter:innen an jene der Angestellten anzugleichen, verworfen wird.

  3. Der VfGH hebt die „Saisonausnahmeregelung“ auf, womit künftig keine Verschlechterungen für Arbeiter: innen bei der Kündigung mehr erlaubt sind und eine gänzliche Harmonisierung des Kündigungsregimes für Angestellte und Arbeiter:innen erfolgt.

Als Conclusio ist derzeit festzuhalten, dass mit der nunmehrigen E des OGH, die „Ausnahmeregelung“ für Saisonbetriebe dem VfGH vorzulegen und den Antrag zu stellen, die Sonderregelung aufzuheben, die unendliche Geschichte der Angleichung der Kündigungsfristen um eine weitere Facette reicher wurde.147