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Androhung einer Entlassung nach nicht dienstlich veranlassten Abfragen in der Finanzamts-EDV: Keine ungerechtfertigte Druckausübung iSd § 870 ABGB

RichardHalwax

Die Kl stand seit 2.11.1994 in einem Bundes-Dienstverhältnis. Sie war zuletzt in der Dienststelle W* von Finanzamt Österreich als Betriebsprüferin von Klein- und Mittelbetrieben tätig. Auf das Dienstverhältnis findet das VBG Anwendung.

Am 25.1.2022 erstattete die Dienststellenleiterin der Dienststelle * P* einen Bericht, wonach die Kl in einem Verfahren bei Mitarbeitern des Teams Abgabensicherung „offen interveniert“ habe, damit der Säumniszuschlag des Abgabenpflichtigen K* Wu* „abgeschrieben“ werde. Gleichzeitig bestehe der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung durch nicht dienstlich veranlasste Abfragen in den finanzinternen Datenbanken.

Das Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) stellte fest, dass die Kl zahlreiche nicht rein dienstlich begründete Zugriffe auf das Abgabeninformationssystem und die Jahresveranlagung getätigt hatte, die sowohl Personen aus dem Verwandtenkreis als auch sonstige Steuerpflichtige betrafen.

Der Ermittlungs- und Empfehlungsbericht des BIA vom 4.5.2022 wurde am 5.5.2022 dem Vorstand des Finanzamts Österreich per E-Mail übermittelt und von diesem die zuständige Personalabteilung mit der Prüfung und rechtlichen Würdigung beauftragt. Über Empfehlung der Personalabteilung wurde die Entscheidung getroffen, die Entlassung auszusprechen. Gleichzeitig wurde entschieden, die Kl vom Dienst freizustellen. Daraufhin wurde am 9.5.2022 der Dienststellenausschuss (DAUS) gem § 10 Abs 1 iVm § 9 Abs 1 lit i PVG von der beabsichtigten Entlassung nachweislich durch den Dienststellenleiter verständigt, wodurch die 14-Tages-Frist nach dem PVG aus 168 gelöst wurde, und die Kl unter Hinweis auf die beabsichtige Entlassung vom Dienst freigestellt. Standardmäßig wird in diesem Verständigungsschreiben an den DAUS vom DG darauf hingewiesen, dass – wenn vom DN gewünscht – eine einverständliche Auflösung des Dienstverhältnisses möglich ist.

Am 10.5.2022 fragte die Kl nach, ob auch eine AN-Kündigung möglich wäre, um ihr die Jobsuche zu erleichtern. Sie wollte auch, dass ihr der BIA-Bericht zur Verfügung gestellt wird, was abgelehnt wurde. Am 18.5.2022 erhielt die Kl die Information, dass die Bekl eine Selbstkündigung der Kl akzeptieren würde. Ihr wurde unmissverständlich kommuniziert, dass mangels Selbstkündigung die Entlassung ausgesprochen werden würde. Die Kl übermittelte am 23.5.2022 ihre Kündigung an den Dienststellenleiter per E-Mail. Am 24.5.2022 bestätigte die Bekl der Kl, dass aufgrund ihrer Kündigung von der Entlassung Abstand genommen werde.

Auch nach der Selbstkündigung ersuchte die Kl mehrfach, den Bericht des BIA zu erhalten, wobei sie auch Einsicht in den Personalakt verlangte. Am 14.10.2022 wurde ihr Einsicht in den Personalakt gewährt, wobei sie feststellen musste, dass der Bericht des BIA darin nicht enthalten war.

Am 18.10.2022 wurde die gegenständliche Klage eingebracht. Die Kl begehrte die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis zur Bekl ungeachtet ihrer Kündigung vom 23.5.2022 weiter aufrecht sei. Sie brachte vor, die Bekl habe ihr unberechtigt mit einer Entlassung gedroht, weshalb sie zu deren Vermeidung das Dienstverhältnis selbst gekündigt habe. Die unter dem Druck der bevorstehenden Entlassung erfolgte Kündigung sei unwirksam.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass die Kündigungserklärung der Kl mit E-Mail vom 23.5.2022 für unwirksam erklärt wird. Rechtlich vertrat es die Ansicht, dass die Datenbankabfragen der Kl ohne dienstliche Veranlassung jedenfalls eine Dienstpflichtverletzung darstellten. Der Kl sei jedoch zuzugestehen, dass der Erlass des BMF vom 21.6.2017 bei großzügiger Auslegung einen gewissen Interpretationsspielraum dahin eröffne, dass von ihm der Zugriff aufgrund eines Auskunftsersuchens aus dem Bekannten- oder Familienkreis möglicherweise noch gedeckt sein könnte. Es könne noch nicht von einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten gesprochen werden, die die Entlassung gerechtfertigt hätte. Bei Kündigung des AN unter dem Eindruck der Ankündigung des AG, ihn zu entlassen, komme es aber darauf an, ob der AG zu diesem Zeitpunkt berechtigt war, das Arbeitsverhältnis durch Entlassung sofort zu beenden. Weil dies nicht der Fall gewesen sei, könne sich die Kl darauf berufen, es sei auf sie ungerechtfertigter Druck ausgeübt worden.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die erhobene außerordentliche Revision der Bekl mit einem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag. Die Revision ist entgegen dem den OGH nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und berechtigt.

Der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Ansicht nicht zutrifft, Voraussetzung für die Wirksamkeit einer wegen einer vom AG in Aussicht genommenen Entlassung abgeschlossenen Auflösungsvereinbarung wäre die Berechtigung der Entlassung. Schließt der AN unter dem Eindruck der Ankündigung des AG, ihn zu entlassen, eine Auflösungsvereinbarung, so kommt es vielmehr darauf an, ob für den AG zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausible und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegeben waren. Ist dies der Fall, dann kann sich der AN nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei auf ihn ungerechtfertigter Druck iSd § 870 ABGB ausgeübt worden.

Bei der Beurteilung dessen kommt es auf den Wissensstand des AG ex ante an, nicht darauf, ob seine Ansicht ex post aufgrund der Ergebnisse eines förmlichen Beweisverfahrens auch von den befassten Gerichten geteilt wird. Entscheidend ist allein, ob die Bekl mit guten Gründen in rechtlicher Hinsicht die Ansicht vertreten durfte, es liege ein Entlassungsgrund vor. Dies ist zu bejahen:

Nach § 5 Abs 1 VBG findet auf Vertragsbedienstete (auch) die die allgemeinen Dienstpflichten von Beamten regelnde Vorschrift des § 43 BDG Anwendung. Diese enthält das Gebot, die dienstlichen Aufgaben unparteiisch zu besorgen. Auch § 47 BDG, wonach der Beamte sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen hat, wenn wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen, ist anzuwenden.

Im Übrigen ist im vorliegenden Fall auch die sinngleiche Vorschrift des § 76 Abs 1 lit a und c BAO zu beachten. Danach haben sich Organe der Abgabenbehörden der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, „(a) wenn es sich um ihre eigenen Abgabenangelegenheiten oder um jene eines ihrer Angehörigen (§ 25 BAO) […] handelt; […] (c) wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Der VwGH hat bereits entschieden, dass – zumindest im Normalfall – Abfragen wie die auch hier vorgenommenen aufgrund von Bitten von Bekannten, Freunden und Verwandten nicht zu den einem Beamten (hier: Vertragsbediensteten) im Rahmen der Erfüllung seiner konkreten Aufgaben als Betriebsprüfer übertragenen Aufgaben gehören.

Dass die Bekl die Abfragen der Kl und umso mehr ihre in der Folge getätigten Interventionen bei anderen Dienststellen als Dienstpflichtverletzungen qualifizierte, liegt mehr als nahe. Dafür, dass sie sich 169 grundsätzlich für eine Entlassung entschied, hatte sie „gute Gründe“ iSd Rsp. Der Vorwurf der Kl, die Bekl habe sie durch die Entlassungsankündigung in „ungerechte“ Furcht iSd § 870 ABGB versetzt, weshalb ihre Selbstkündigung unwirksam (anfechtbar) sei, geht somit ins Leere.