76Entlassung einer Vertragsbediensteten wegen Vertrauensunwürdigkeit – eine Frage des Einzelfalls
Entlassung einer Vertragsbediensteten wegen Vertrauensunwürdigkeit – eine Frage des Einzelfalls
Die Kl war Bundesvertragsbedienstete und hat wiederholt auf ihrem Dienstcomputer Steuerdaten von Verwandten auf deren Wunsch eingesehen, um sie bei Steuererklärungen und Steuerausgleich zu unterstützen. Darüber hinaus hat sie auch die Steuerdaten der Frau ihres verstorbenen Ex-Ehegatten ohne deren Wissen abgefragt sowie die Daten einer weiteren Person. Sie wurde seitens der Bekl, gestützt auf § 34 Abs 2 lit b VBG, entlassen. Dagegen ging die Kl mittels Feststellungsklage, gerichtet auf aufrechten Fortbestand des Dienstverhältnisses, vor. Die Vorinstanzen beurteilten das Verhalten der Kl als schwerwiegende Dienstpflichtverletzung und erachteten die Entlassung als berechtigt.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl zurück und führte aus:
Der Entlassungsgrund des § 34 Abs 2 lit b VBG liegt vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des DG unwürdig erscheinen lässt. Ob Vertrauensunwürdigkeit iSd § 34 Abs 2 lit b VBG gegeben ist, hängt davon ab, ob für den DG die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Vertragsbediensteten gefährdet sind. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Vertragsbediensteten das Vertrauen des DG so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
Warum die eigenmächtige Einsicht in sensible Steuerdaten keine schwere Dienstpflichtverletzung darstellen soll, ist nicht nachvollziehbar. Dass bei Vergehen anderer DN das Dienstverhältnis allenfalls nicht beendet wurde, wobei zu den näheren Umständen dieser Fälle keine Feststellungen vorliegen, ist dabei nicht von Relevanz, ergibt sich doch aus den Feststellungen, dass die Bekl deutlich kommunizierte und der Kl auch bekannt war, dass die Abfrage von Steuerdaten ausschließlich im dienstlichen Interesse erfolgen darf. Die Kl konnte daher nicht davon ausgehen, dass ein solches Verhalten von der Bekl geduldet wird.
Dasselbe gilt für die Datenabfragen für Angehörige. Auch hier liegt kein dienstliches Interesse für eine Abfrage vor. Dass die Kl auch in der Revision darauf beharrt, dass die privaten Abfragen für Angehörige zulässig seien, es lebensfremd sei, zu erwarten, dass enge Verwandte im Amt anrufen und die mitunter langen Wartezeiten für Auskünfte wie andere Parteien in Kauf nehmen müssten, zeigt, dass die Zweifel der Bekl an einer zukünftigen objektiven Dienstausführung der Kl berechtigt sind.
Die Gründe für die vorzeitige Auflösung eines Dienstverhältnisses sind bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen. Der DG darf mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der DN aus diesem Zögern auf einen Verzicht auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss. Der DN, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, soll darüber hinaus nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden.
Bekannt geworden ist der Entlassungsgrund dem AG, sobald diesem alle für die Beurteilung des Vorliegens des Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten der Handlung und der Person zur Kenntnis gelangt sind. Der AG ist nicht verpflichtet, schon aufgrund einer unüberprüften Anschuldigung die Entlassung auszusprechen. Vielmehr muss ihm in einem solchen Fall zugebilligt werden, sich zunächst Klarheit über deren Berechtigung zu verschaffen.
Der Kenntniserlangung durch den AG ist die Kenntnisnahme durch seinen Stellvertreter oder durch einen ganz oder teilweise mit Personalagenden befassten leitenden Angestellten gleich zu halten, wenn dieser dem AG oder seinem Stellvertreter von dem Entlassungsgrund nicht unverzüglich berichtet hat. Der AG muss die Kenntnis dieser Person vom Entlassungsgrund unabhängig davon gegen sich gelten lassen, ob er sie zur Vornahme einer Entlassung ermächtigt hat.
Bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Entlassung durch juristische Personen ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Willensbildung in der Regel umständlicher ist als bei physischen Personen. Dadurch bedingte Verzögerungen ebenso wie eine Verzögerung, die sich aus der Notwendigkeit der vorherigen Befassung der Personalvertretung ergibt, sind daher anzuerkennen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, die die Kl in ihrer Revision selbst darlegt, hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Entlassung rechtzeitig erfolgte, im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums. Dass die Bekl die Kl nicht schon aufgrund der Anzeige durch deren 170 Bruder, die sich darüber hinaus als nicht berechtigt erwies, entlassen hat, stellt keine ungerechtfertigte Verzögerung dar, muss der Bekl doch die Möglichkeit zugebilligt werden, die Vorwürfe zu überprüfen. Das Büro für interne Angelegenheiten führte nach den Feststellungen umfangreiche Vorermittlungen und Datenbankanalysen durch. Nach deren Abschluss erfolgte eine Befragung der Kl und anschließend ihre Dienstfreistellung, wobei der Kl auch signalisiert wurde, dass das Dienstverhältnis jedenfalls nicht fortgeführt werde. Zugleich wurde der Dienststellenausschuss über die beabsichtigte Entlassung informiert und nach Ablauf der Äußerungsfrist die Entlassung ausgesprochen.
Die Revision war somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.