58Keine Anwendbarkeit der Kündigungsfristen nach § 1159 ABGB neu auf eine vor dem 1.10.2021 ausgesprochene Arbeitgeberkündigung
Keine Anwendbarkeit der Kündigungsfristen nach § 1159 ABGB neu auf eine vor dem 1.10.2021 ausgesprochene Arbeitgeberkündigung
Die Kl war bei der Bekl von 14.11.2019 bis 14.10.2021 als Reinigungskraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis gelangt der KollV für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (KollV) zur Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete durch AG-Kündigung. Im Pkt 2. des Dienstvertrags wurde eine Kündigungsfrist von 14 Kalendertagen vereinbart.
Die Kl begehrt € 3.423,82 brutto als Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung und Sonderzahlungen zu Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei fristwidrig erfolgt. Die Bekl betreibe keinen „Saisonbetrieb“, weshalb die gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2017/153 zur Anwendung gelange.
Die Bekl wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass die Kündigung unter Einhaltung der gem Pkt 21 lit a des anzuwendenden KollV vorgesehenen Frist von 14 Tagen zulässig erfolgt sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Beim Betrieb der Bekl handle es sich um keinen Saisonbetrieb. Daher sei keine kollektivvertragliche Abweichung von § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 zulässig und könne die Bekl das Arbeitsverhältnis nur unter Einhaltung der Fristen nach § 1159 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2017/153 auflösen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen treffe die jeweilige Partei. Die Bekl habe sich darauf berufen, dass eine Branche vorliege, in der Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, sodass durch KollV eine von § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 abweichende Kündigungsfrist festgelegt werden könne. Damit sei aber das „Überwiegen der Saisonbetriebe“ von der Bekl zu beweisen. Diesen Beweis habe die Bekl nicht angetreten. Es sei daher von den Kündigungsfristen des § 1159 ABGB auszugehen. Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Bekl, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
Die Revision ist nach Ansicht des OGH entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und iSd Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Die Kl stützt ihre Ansprüche auf § 1159 Abs 2 Satz 1 ABGB idF BGBl I 2017/153. Dagegen beruft sich die Bekl auch in der Revision auf die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 1159 Abs 2 Satz 3 ABGB idF BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153.
Nach § 1503 Abs 19 ABGB idF BGBl I 2023/182 tritt § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 mit 1.10.2021 in Kraft und ist auf Beendigungen anzuwenden, die nach dem 30.9.2021 ausgesprochen wurden. Für die Anwendbarkeit der neuen Bestimmung kommt es daher nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, nicht auf den Endtermin des Arbeitsverhältnisses an.
Im Verfahren sind beide Parteien davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis zum 14.10.2021 geendet hat. Die Bekl hat sich dazu darauf berufen, dass eine 14-tägige Kündigungsfrist eingehalten wurde, was notwendigerweise bedeuten würde, dass die Kündigung vor dem 1.10.2021 ausgesprochen wurde und damit vor Inkrafttreten des § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153.
Sollte sich dieses Vorbringen als zutreffend erweisen, konnte das Arbeitsverhältnis auf Basis der früheren Rechtslage nach Pkt 21 lit a KollV unter Einhaltung einer 14-tägigen Kündigungsfrist zulässig gelöst werden und würde sich die Frage der Auslegung des § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153 nicht stellen. Sollte die Kündigung erst nach dem 30.9.2021 ausgesprochen worden sein, wäre diese selbst nach der Rechtsauffassung des Bekl fristwidrig erfolgt. In diesem Fall wäre richtigerweise auch § 1159 ABGB idF BGBl I 2017/153 anwendbar. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der OGH in der Rechtssache 9 ObA 38/23p vom 14.2.2024, aufgrund von Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 1159 Abs 1 bis 4 ABGB idF BGBl I 2017/153, diese Bestimmung beim VfGH angefochten hat.
Der Revision war daher Folge zu geben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.148