94Dienstgebereigenschaft auch bei Indienstnahme eines Bergführers durch Dritte
Dienstgebereigenschaft auch bei Indienstnahme eines Bergführers durch Dritte
Die revisionswerbende Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in den Niederlanden, bietet für Mitglieder des N-Vereins ua Alpinkurse an, welche auch in Österreich stattfinden. Im Rahmen der Alpinkurse erhalten die Teilnehmer eine Ausbildung im Fels bzw Eis. Die revisionswerbende Partei hat dafür mit Bergführern (in weiterer Folge als „Kontaktbergführer“ bezeichnet) in Österreich mündlich vereinbart, dass diese der revisionswerbenden Partei für Touren Bergführer zur Verfügung stellen. Dafür erhalten die Kontaktbergführer eine Vermittlungsgebühr. Teilweise haben die Kontaktbergführer den Namen des jeweiligen Bergführers vorab an die revisionswerbende Partei gemeldet, teilweise hat die revisionswerbende Partei diese Information erst nach dem Kurs durch die Übermittlung der Rechnung durch den jeweiligen Bergführer erhalten. Die Kontaktbergführer waren ausschließlich für die Organisation der Bergführer zuständig gewesen. Die übrige Organisation, wie etwa die Veröffentlichung der einzelnen Kurse auf der Homepage, die Abwicklung der Buchungen durch die Teilnehmer und die Reservierung der Hütten, Erstellung des Programms etc, ist durch die revisionswerbende Partei erfolgt. Bei der Ausarbeitung des Programms wurde auch das Feedback der Bergführer berücksichtigt.
Der Mitbeteiligte im gegenständlichen Verfahren ist ein Bergführer und hat über Anfrage von den Kontaktbergführern fünf Alpinkurse der revisionswerbenden Partei durchgeführt. Die Tiroler Kontaktbergführer und der Mitbeteiligte haben keine Vereinbarung gehabt, wonach der Mitbeteiligte diesen seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Wenn der Mitbeteiligte bezüglich der Durchführung eines Kurses von einem der Kontaktbergführer kontaktiert wurde, hat er die Abhaltung des Kurses ohne Angabe von Gründen zu- oder absagen können. Wenn er die Durchführung eines Kurses zugesagt hat, wurde erwartet, dass er den Termin auch einhalte. Der Mitbeteiligte hat dafür das Programm und die Aufstellung der geforderten Fertigkeiten übermittelt bekommen. Er hat weder mit den Kontaktbergführern noch mit der revisionswerbenden Partei einen schriftlichen Vertrag abgeschlossen. Ein Vertretungsrecht wurde nicht vereinbart. Der Mitbeteiligte hat sich auch tatsächlich nicht vertreten lassen.
Bei einer Bergtour wurde für den ersten Tag vorab ein Treffpunkt und eine Uhrzeit vereinbart, an welchen der Mitbeteiligte gebunden war. Danach war er an keine konkreten Arbeitszeiten gebunden gewesen. Der Mitbeteiligte hat weder den örtlichen Ablauf der Tour noch die Inhalte des Kurses ohne Vorliegen eines Grundes (Wetterbedingungen, Kondition der Teilnehmer, Hütte wurde nicht erreicht oder war nicht zugänglich) ändern können. Er verwendete seine eigene Ausrüstung, während die Kursteilnehmer ihre Ausrüstung von der revisionswerbenden Partei zur Verfügung gestellt bekommen haben. Für die Abrechnung der Alpinkurse hat der Mitbeteiligte ein Abrechnungsformular der revisionswerbenden Partei verwendet, welches ihm von den Kontaktbergführern zur Verfügung wurde. Für die Durchführung einer Tour erhielt der Mitbeteiligte pauschal pro Tag € 290,- oder € 305,- von der revisionswerbenden Partei.
Mit Bescheid vom 23.7.2021 sprach die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) aus, dass der Mitbeteiligte mit seiner Tätigkeit als Bergführer in den Zeiträumen vom 7.7. bis 12.7.2019, 14.7. bis 19.7.2019, 21.7. bis 26.7.2019, 4.8. bis 9.8.2019 sowie 11.8. bis 16.8.2019 als DN der revisionswerbenden 200 Partei, der Pflichtversicherung in der KV, UV und PV nach dem ASVG sowie der AlV nach dem AlVG unterlegen ist. Das BVwG wies die von der revisionswerbenden Partei erhobene Beschwerde dagegen ab. Insgesamt hätten die Kriterien der persönlichen Abhängigkeit bei weitem jene der Unabhängigkeit überwogen. Zudem hatte der Mitbeteiligte kein generelles Vertretungsrecht sowie auch kein sanktionsloses Ablehnungsrecht. Gegen diese E richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der niederländischen Gesellschaft.
Der VwGH hält eingangs fest, dass für die Anwendbarkeit des ASVG grundsätzlich das Territorialitätsprinzip gilt, wobei an den Ort der Beschäftigung im Inland angeknüpft wird; auch die VO 883/2004 knüpft daran an, in welchem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausgeübt wird. Die DN eines ausländischen Betriebes, der im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) unterhält, gelten nur dann als im Inland beschäftigt, wenn sie ihre Beschäftigung (Tätigkeit) von einem im Inland gelegenen Wohnsitz aus ausüben und sie nicht auf Grund dieser Beschäftigung einem System der sozialen Sicherheit im Ausland unterliegen (§ 3 Abs 3 2. Satz ASVG). § 3 Abs 4 ASVG definiert als „Beschäftigungsort“ den „Ort, an dem die Beschäftigung ausgeübt wird“ und normiert für den Fall, dass „eine Beschäftigung abwechselnd an verschiedenen Orten ausgeübt“ wird, „aber von einer festen Arbeitsstätte aus“, diese Arbeitsstätte als Beschäftigungsort. Für den Fall, dass die „Beschäftigung ohne feste Arbeitsstätte ausgeübt“ wird, gilt gemäß dem dritten Satz des § 3 Abs 4 ASVG „der Wohnsitz des/der Versicherten als Beschäftigungsort“. Art 11 Abs 3 lit a der VO 883/2004 normiert grundsätzlich die Zuständigkeit jenes Mitgliedstaates, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Art 13 Abs 1 lit a dieser VO sieht für den Fall, dass eine Person eine Beschäftigung „gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten“ ausübt, vor, dass diese „den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates“ unterliegt, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt. Nur wenn sie im Wohnmitgliedstaat „keinen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit“ ausübt, greifen die Bestimmungen des Art 13 Abs 1 lit b dieser VO.
Im Akt der ÖGK liegen den Mitbeteiligten betreffende „Abrechnungsformulare“ der revisionswerbenden Gesellschaft vor, aus denen anhand der Beschreibung der geleisteten Tätigkeiten des Mitbeteiligten deren – durchwegs in Österreich gelegener – Ort ersichtlich ist („Ötztal“, „Kaunergrat“, „Venterkurs“, „Vernagthütte“), ebenso wie die in Österreich gelegene Adresse des Mitbeteiligten. Zudem hat die revisionswerbende Partei kein Vorbringen erstattet, dass der Beschäftigungsort (oder Wohnort) des Mitbeteiligten außerhalb Österreichs gelegen wäre.
Weiters hält der VwGH fest, dass es für die DG-Eigenschaft nach § 35 ASVG nicht schadet, wenn ein Dritter bei einzelnen betrieblichen Geschäften, so auch bei der Indienstnahme und Beschäftigung einer Person als „Mittelsperson“ nach außen hin auftritt, selbst wenn die Indienstnahme ohne Wissen oder gar gegen den Willen des DG erfolgt ist.
Da die Revision nach Ansicht des VwGH keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG aufgeworfen hat, hat der VwGH die Revision gem § 34 Abs 1 und 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) zurückgewiesen. 201