Wer sucht, der findet – Die fehlenden 17 % des Krankengeldes

ElisabethHansemannMaximilianWielander
1..
Einleitung

Ein langer Krankenstand ist nicht nur ein gesundheitliches Problem, sondern in der Regel auch eine finanzielle Belastung. Einige Wochen lang ist der AG zwar noch zur vollen und anschließend zur halben Entgeltfortzahlung verpflichtet. Danach ist der oder die Versicherte allerdings gänzlich auf das Krankengeld aus der KV angewiesen. Im Beratungsalltag der Arbeiterkammer (AK) Wien fällt auf, dass das Krankengeld von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) seit einigen Monaten häufig um 17 % zu niedrig bemessen wurde – der gesetzlich vorgesehene Sonderzahlungszuschlag fehlt! 17 % mehr oder weniger machen dabei für viele Versicherte einen großen Unterschied. In diesem Beitrag möchten wir uns der Frage widmen, ob und unter welchen Umständen dieses neue Vorgehen der Krankenversicherungsträger rechtlich gedeckt ist. Dabei sollen vor allem die Bestimmungen zur Berechnung des Krankengeldes als auch die Ruhensbestimmungen beleuchtet werden.

1.1..
Berechnung des Krankengeldes

Die Höhe des Krankengeldes ist in § 141 ASVG geregelt und beträgt bis zum 43. Tag 50 % und ab dem 43. Kalendertag 60 % der Bemessungsgrundlage. Die Bemessungsgrundlage wiederum ist gem § 125 Abs 1 ASVG der für die Beitragsermittlung heranzuziehende und auf einen Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst, der dem Versicherten im Zeitraum vor Ende des vollen Entgeltanspruches gebührte, dh in der Regel der Monat, in dem das letzte volle Bruttoentgelt bezogen wurde. Auch Sonderzahlungen sollen bei der Berechnung des Krankengeldes berücksichtigt werden. Das Krankengeld gebührt als Tagsatz für die tatsächlichen Tage des Bezuges und wird alle 28 Tage im Nachhinein ausgezahlt. Eine zusätzliche Auszahlung, etwa in Form einer 13. oder 14. jährlichen Zahlung, wie etwa bei Entgelt oder Pensionen, ist nicht vorgesehen. Die Berücksichtigung der Sonderzahlungen erfolgt daher gem § 125 Abs 3 ASVG durch die Erhöhung der Bemessungsgrundlage. Bereits vor dem ASVG 1955 war die Berücksichtigung von Sonderzahlungen durch einen Zuschlag zur Bemessungsgrundlage vorgesehen (§ 12 Abs 4 Rentenbestimmungsgesetz). Die Sonderzahlungen waren in der Weise zu berücksichtigen, dass zum Grundlohn ein Zuschlag hinzuzurechnen war, der dem auf einen Kalendertag entfallenden Teil der beitragspflichtigen Sonderzahlungen, die im Jahre des Eintritts des Versicherungsfalls fällig geworden sind, entsprach.* Allerdings bereitete diese komplexe Art der Berechnung in der Praxis Schwierigkeiten, sodass sich der Gesetzgeber im ASVG 1955 für eine neue, einfachere Bestimmung entschied:*212

Die Sonderzahlungen nach § 49 Abs 3 ASVG sollen durch eine pauschale Erhöhung der Bemessungsgrundlage um einen Hundertsatz, der in der Satzung des Versicherungsträgers einheitlich oder gesondert für bestimmte Gruppen von Versicherten unter Bedachtnahme auf den Durchschnittswert der Sonderzahlung festgesetzt wird, berücksichtigt werden. Dieser Zuschlag wurde in § 21 Abs 2 der Satzung der ÖGK mit 17 % festgesetzt.

2.1..
Ruhen des Krankengeldes bei Entgeltfortzahlung

Um Doppelleistungen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber in §§ 90, 90a, 143, 143a Abs 3, 165 ASVG Ruhens- bzw Vorrangsbestimmungen definiert. In diesen Normen wird geregelt, was passiert, wenn mehrere Ansprüche auf Geldleistungen parallel bestehen, aber eine mehrfache Versorgung der Versicherten nicht erwünscht ist.

Es kann auch zu einem teilweisen Ruhen des Krankengeldes kommen, wie etwa bei Zusammentreffen von Krankengeld und Entgelt iHv 50 % der vollen Geld- und Sachbezüge vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit.

Die Ruhensbestimmungen berühren die Berechnung des Krankengeldes nicht per se, führen allerdings dazu, dass das Krankengeld nicht oder nicht in voller Höhe ausbezahlt wird.

Bei Betrachtung des gegenständlichen Problems ist es daher wichtig, zwischen den Bestimmungen zur Berechnung des Krankengeldes und einer allfälligen Kürzung des Bezuges infolge (teilweisen) Ruhens* zu unterscheiden.

2..
Aktuelle Vollziehung und Rechtsansicht der Krankenversicherungsträger
2.1..
Rechtsansicht der Krankenversicherungsträger

Betreffend der Berücksichtigung der Sonderzahlungen bei der Bemessung des Krankengeldes gewährt die ÖGK aktuell den Zuschlag in der Höhe von 17 % gem § 125 Abs 3 ASVG iVm § 21 Abs 2 der Satzung der ÖGK nicht, wenn der AG die Sonderzahlungen nach dem Ende der vollen Entgeltfortzahlung (nach § 2 EFZG bzw § 8 AngG) im Krankenstand in voller Höhe weitergewährt. Dies kommuniziert die ÖGK auch auf ihrer Homepage.* Zur fehlenden gesetzlichen Grundlage siehe Abschnitt 3. Unklar bleibt auch, ob in der Vollziehung danach unterschieden wird, ob die Leistung der ungekürzten Sonderzahlungen im Krankenstand aufgrund eines rechtlichen Anspruches erfolgt oder vom AG freiwillig bzw aus anderen Gründen tatsächlich geleistet wird. Im bereits rechtkräftig abgeschlossenen Verfahren des OLG Wien zu 10 Rs 103/23z erhob die ÖGK als Bekl trotz Zulassung einer ordentlichen Revision kein Rechtsmittel – im gegenständlichen Verfahren leistete der AG weiterhin die vollen Sonderzahlungen auf freiwilliger Basis. Dies zeigt, dass die ÖGK bei fehlendem Rechtsanspruch auf die ungekürzten Sonderzahlungen im Krankenstand die Berücksichtigung der Sonderzahlungen bei der Bemessung des Krankengeldes, zumindest in diesem Verfahren, anerkannt hat. Aufgrund weiterhin auftretender Fälle ist noch unklar, ob dies bereits der gängigen Vollziehung entspricht. Außerdem ist fraglich, ob und wie die ÖGK nachprüft, ob ein Rechtsanspruch auf die volle Sonderzahlung besteht, wenn ein AG angibt bzw meldet, auch nach Ende der Entgeltverpflichtung die Sonderzahlungen ungekürzt weiter zu leisten.

Andere Krankenversicherungsträger haben ihr Vorgehen bei der Berechnung des Krankengeldes nicht geändert. Beispielsweise führt die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) auf ihrer Homepage* an, dass die Bemessungsgrundlage für das tägliche Krankengeld gem § 85 B-KUVGein Dreißigstel der um ein Sechstel erhöhten Beitragsgrundlage im letzten Monat mit vollem Entgeltanspruch“ ist, ohne weitere Bedingungen hinsichtlich der Leistung der Sonderzahlungen durch den AG (im Krankenstand). Bei anderen Krankenversicherungsträgern stellt sich die rechtliche Lage überdies völlig anders und eindeutig dar, so haben beispielsweise Vertragsbedienstete der Stadt Wien, die bei der Krankenfürsorgeanstalt (KFA) Wien krankenversichert sind, außer beim Rehabilitationsgeld aus der KV,* generell keinen Anspruch auf einen aliquoten Sonderzahlungszuschlag.

2.2..
Betroffene Personengruppen

Da die Leistungen von Sonderzahlungen für AN (mit Ausnahmen bei öffentlich-rechtlichen AG) stets einzel- oder kollektivvertraglich geregelt sind, finden sich keine gesetzlichen Regelungen zur Leistung von Sonderzahlungen im Krankenstand nach Ende der Entgeltverpflichtung des AG.

Auch auf kollektivvertraglicher Ebene ist es nur in wenigen Branchen geregelt, dass AN bei längeren Krankenständen und Bezug des Krankengeldes weiterhin die Sonderzahlungen in voller Höhe weitererhalten sollen; dies ist beispielsweise im KollV für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben,* aber auch im KollV für Arbeiter:innen des 213 Metallgewerbes der Fall.* Anhand der Tatsache, dass es in Österreich über 430.000 Angestellte im Handel* sowie über 100.000 Arbeiter:innen im Metallgewerbe* gibt, erkennt man dennoch die quantitative Bedeutung der kollektivvertraglichen Regelungen sowie für die daraus resultierenden Folgen durch die Rechtsanwendung der ÖGK bei der Berechnung des Krankengeldes.

Unbekannt ist, in wie vielen Fällen ein einzelvertraglicher Anspruch auf Weiterleistung der ungekürzten Sonderzahlungen bei Entgeltentfall aufgrund von Krankheit gegeben ist. Man darf allerdings davon ausgehen, dass es sich dabei nur um eine geringe Anzahl an Fällen handelt. Ebenfalls kann nur schwer erhoben werden, wie häufig die AG ohne entsprechende Verpflichtung die Sonderzahlungen im Krankenstand in voller Höhe weiter leisten.

2.3..
Auftretende Vollziehungsprobleme

Bei der Beurteilung, ob der prozentuelle Zuschlag für die Sonderzahlungen bei der Berechnung des Krankengeldes berücksichtigt wurde, stellen sich zweierlei Probleme im Vollzug durch die ÖGK.

2.3.1..
Fehlende Nachvollziehbarkeit für die Versicherten

Ohne nähere Kenntnis über die genaue Berechnung des Krankengeldes ist es faktisch unmöglich, den von der ÖGK berechneten Tagsatz nachvollziehen zu können. Selbst wenn den Versicherten die Bemessungsgrundlage bekanntgegeben wird, ist der Rechengang zum Tagsatz des Krankengeldes nicht erläutert und es wird auch nicht auf die angewendeten Rechtsnormen hingewiesen. Somit ist auf den ersten Blick in den meisten Fällen auch nicht klar, ob der Zuschlag für die Sonderzahlungen bei der Bemessung berücksichtigt wurde oder nicht. Ohne konkrete Anhaltspunkte kommen die Bezieher:innen in der Regel nicht in die Situation, die Berechnung zu hinterfragen und sich darüber bzw über die möglichen rechtlichen Schritte (Bescheidantrag) beraten zu lassen. In der sozialversicherungsrechtlichen Beratung der AK ist die fehlende Berücksichtigung der Sonderzahlungszuschläge in vielen Fällen ein zufälliger Fund bei der Befassung mit anderen Problemstellungen (zB hinsichtlich des Krankenstands oder bei Auszahlungsproblemen).

2.3.2..
Unklarheiten für die AG bei Ausfüllen der Arbeits- und Entgeltbestätigung

Ein weiteres Problemfeld in der Praxis sind falsche Angaben durch den AG bzw dessen Lohnverrechnung bei der Meldung des Entgelts über die sogenannte „Arbeits- und Entgeltbestätigung“.*

Im Formular für die Arbeits- und Entgeltbestätigung und der Ausfüllhilfe der ÖGK (Stand 4.3.2024) zeigt sich, dass die Frage nach dem grundsätzlich gegebenen Sonderzahlungsanspruch, der in der Regel bei echten DN erfüllt ist, mit der Frage nach der (kollektivvertraglich normierten) Weiterleistung der Sonderzahlungen im Krankenstand nach Ende der Entgeltfortzahlungspflicht vermischt wird. Dem AG wird auch nicht die Möglichkeit gegeben anzugeben, ob die Sonderzahlungen eventuell freiwillig in voller Höhe weitergewährt werden. Es ist davon auszugehen, dass AG im Zweifel das relevante Feld ankreuzen werden, wenn sie die Sonderzahlungen ungekürzt weitergewähren und davon auch Beiträge abführen werden.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Probleme bei der Berücksichtigung des Sonderzahlungszuschlages beim Krankengeld nicht nur das Ergebnis einer aufgeworfenen rechtlichen Frage sind, sondern auch auf mangelhaften Informationen, Missverständnissen und falsch ausgefüllten Formularen beruhen. Die Tatsache, dass dem Großteil der Versicherten eine Verkürzung des Krankengeldes um 17 % vermutlich gar nie auffällt bzw bekannt wird sowie dass die fehlerhaften Angaben direkt vom AG (den das Krankengeld unmittelbar nicht betrifft) an die ÖGK übermittelt werden, ist aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich.

3..
Sonderzahlungszuschlag im Krankengeld trotz Leistung von Sonderzahlungen durch den AG
3.1..
Einberechnung der Sonderzahlung in das Krankengeld trotz Leistung von Sonderzahlungen durch den AG

Wie bereits in 1.1. ausgeführt, sind Sonderzahlungen nach § 49 Abs 2 ASVG bei der Bemessung des Krankengeldes dadurch zu berücksichtigen, dass die Bemessungsgrundlage nach § 125 Abs 1 und 2 ASVG durch einen in der Satzung bestimmten Zuschlag erhöht wird (Abs 3 leg cit). Der Zuschlag beträgt gem § 21 Abs 2 der Satzung der ÖGK 17 % der Bemessungsgrundlage. Weder der Wortlaut des § 125 ASVG noch die Satzung des Versicherungsträgers noch andere konkrete Bestimmungen sehen Tatbestände vor, in denen die Sonderzahlung nicht pauschal in die Bemessungsgrundlage des Krankengeldes hinzugerechnet 214 werden soll. Mangels anderslautender Bestimmung führt ein Anspruch auf Sonderzahlung nach § 49 Abs 2 ASVG daher dazu, dass der Zuschlag der Bemessungsgrundlage jedenfalls hinzuzurechnen ist.* Dies unabhängig davon, aus welchem Grund die Sonderzahlung vom AG gezahlt wird und ob sie überhaupt faktisch ausgezahlt wird oder nicht.

Dabei ist auch anzuerkennen, dass der Gesetzgeber die Einberechnung des Sonderzahlungszuschlags mit Einführung des ASVG 1955 deshalb pauschalisiert hat, um die praktische Durchführung der Berechnung des Krankengeldes zu vereinfachen. Der Gesetzgeber wollte gerade nicht, dass in jedem Einzelfall vor der Berechnung des Krankengeldes Abfragen betrieben werden müssen, ob, in welcher Höhe und wie lange noch ein Sonderzahlungsanspruch (oder eine freiwillige Zahlung) besteht. Man denke bspw auch an den gängigen Fall, dass das Dienstverhältnis während eines Langzeitkrankenstandes aufgelöst wird: Selbst bei einem Rechtsanspruch auf volle Sonderzahlungen bis zum Ende des Krankenstandes endet dieser spätestens mit Ende des Dienstverhältnisses. Wäre der Sonderzahlungszuschlag nicht bereits in der Bemessungsgrundlage einberechnet, müsste man ab dem Ende des Dienstverhältnisses das Krankengeld neu berechnen, da die finanzielle Abgeltung der Sonderzahlungen ansonsten gänzlich wegfallen und zu noch größeren finanziellen Nachteilen führen würde. Wolle man dies einer Korrektur zugänglich machen, stellt sich die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage und ab welchem Datum das Krankengeld aufzurollen und neu zu berechnen wäre. Dies kann aber – im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber mit dem ASVG 1955 die Vollziehung vereinfachen wollte – nicht iSd Gesetzgebers sein. Mit der Pauschalisierung nahm der Gesetzgeber aus Gründen einer einfacheren Vollziehung bereits in Kauf, dass es in gewissen Fallkonstellationen zu einem Überbezug kommen kann.

3.2..
Ruhen des Krankengeldes bei Leistung von Sonderzahlungen durch den AG

Von allen Ruhenstatbeständen und Vorrangsbestimmungen gilt es für die gegenständliche Problematik insb § 143 Abs 1 Z 3 ASVG zu beleuchten. Dort wird das Zusammentreffen von Krankengeld und Entgelt geregelt: Das Krankengeld ruht zur Gänze, solange der Versicherte auf Grund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen Anspruch auf Weiterleistung von mehr als 50 % der vollen Geld- und Sachbezüge (§ 49 Abs 1) vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hat; besteht ein Anspruch auf Weiterleistung von 50 % dieser Bezüge, so ruht das Krankengeld zur Hälfte. Der häufigste Anwendungsfall dieser Regelung ist bei Zahlung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bei Zahlung einer Urlaubsersatzleistung nach Beendigung des Dienstverhältnisses.

Die ÖGK argumentierte in der Rechtssache E 10 Rs 103/23z, dass bei Leistung der vollen Sonderzahlung durch den AG das Krankengeld teilweise ruht. Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden:

Zahlt der AG die Sonderzahlung freiwillig an den AN aus, so kommt ein Ruhen schon allein aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Bestimmung, welche ein Ruhen nur aufgrund von gesetzlich oder vertraglich bestimmten Ansprüchen vorsieht, nicht in Frage. Damit der Ruhensgrund eintritt, muss ein Rechtsanspruch auf das weitergeleistete Entgelt bestehen.* So entschied auch das OLG in der Rechtssache 10 Rs 103/23z, dass Zielsetzung des § 143 Abs 1 Z 3 leg cit sei, dass eine „Überkompensation“ der Entgeltminderung im Krankheitsfall durch freiwillige Mehrleistung des AG dem AN verbleiben soll und ihm nicht durch die Ruhensbestimmung (zugunsten der Versichertengemeinschaft) genommen werden soll.

Doch auch wenn der AG aufgrund einer (kollektiv-)vertraglichen Regelung zur Weiterleistung der vollen Sonderzahlung verpflichtet ist, ist ein Ruhen nicht vorgesehen. Der Ruhenstatbestand des § 143 Abs 1 Z 3 ASVG bezieht sich nur auf Geld- und Sachbezüge iSd § 49 Abs 1 ASVG. Da die Sonderzahlungen allerdings in Abs 2 leg cit geregelt sind, führt ein Anspruch auf Sonderzahlung während des Krankengeldbezuges nicht zu einem Ruhen des Krankengeldanspruches.* Hätte der Gesetzgeber auch Sonderzahlungen in die Ruhensbestimmung aufnehmen wollen, so hätte er generell auf Entgelt iSd § 49 ASVG verweisen können. Der Gesetzgeber hat sich aber entschieden, in § 143 Abs 1 Z 3 nur auf den Abs 1 zu verweisen. Aufgrund der sehr klaren Bestimmung liegt daher keine ungewollte Lücke vor, welche mit Analogieschluss zu schließen wäre.

Selbst wenn man das Vorliegen eines Ruhenstatbestandes annimmt, würden die geleisteten Sonderzahlungen nicht zu einem (Teil-)Ruhen des laufenden Krankengeldes führen. Die Sonderzahlungen sind gem § 125 Abs 3 ASVG in der Bemessungsgrundlage berücksichtigt und sind demnach auch im Tagsatz enthalten. Rein rechtlich gibt es kein separat geleistetes Krankengeld aufgrund des Sonderzahlungszuschlags iHv 17 %, welches – unabhängig vom Rest des Tagsatzes – zum Ruhen gelangen könnte. Ein (Teil-)Ruhen des Krankengeldes kommt nach der Systematik von § 143 Abs 1 Z 2 ASVG nur zur Anwendung, wenn ein Anspruch auf Weiterleistung von zumindest 50 % der Geld- und Sachbezüge bestehen. Jeglicher Anteil des Einkommens unter diesem Prozentsatz ist für die Auszahlung des Krankengeldes 215nicht von Relevanz (zB selbst eine Entgeltfortzahlung von 49 % führt zu keinem (Teil-)Ruhen des Krankengeldes). Sonderzahlungen gebühren aus arbeitsrechtlicher Sicht und gemäß dem Anspruchslohnprinzip* im Regelfall für gesamte Kalender- bzw Arbeitsjahre und werden dementsprechend in ihrer Höhe auch aliquotiert, falls nicht für den gesamten Zeitraum Entgelt gebührte. Da eine Sonderzahlung in der Mehrzahl der Fälle die Höhe eines Monatsentgelts beträgt, verteilt sich der Anteil des „weitergeleisteten“ Entgelts durch zwei jährliche Sonderzahlungen auf ca 17 % pro Beitragszeitraum und liegt daher deutlich unter der 50 %-Grenze. Wäre man der Ansicht, die Sonderzahlungen würden nur für die beiden Auszahlungsmonate gebühren und in diesen zu einem vollständigen Ruhen des Krankengeldes führen, stellt sich nicht nur die Frage nach der rechtlichen Grundlage, sondern auch, ob diese Verkürzung (Ruhen von 2/12 des Krankengeldes für ein Jahr aufgrund der Leistung von 2/14 des jährlichen Entgelts) iSd Gesetzgebers sein kann. Ähnlich stellt sich der Sachverhalt von periodisch geleisteten Sonderzahlungen in anderen Abständen (zB vierteljährlich) dar.

3.3..
Ergebnis

Momentan existiert keine gesetzliche Grundlage für die Nichtanwendung der zwingend vorgesehenen Erhöhung der Bemessungsgrundlage des Krankengeldes um 17 %, wenn der oder die Betroffene auch aus dem Dienstverhältnis grundsätzlich Anspruch auf Sonderzahlungen hat(te). Dies eben unabhängig davon, ob diese im Krankheitsfall nach Ende der Entgeltfortzahlung in voller Höhe weitergewährt werden.

Dort wo der Gesetzgeber Doppelbezüge vermeiden wollte, wurde dies gesetzlich ausdrücklich geregelt. Dass eine (potenzielle) Überversorgung nicht in jedem erdenklichen Sachverhalt ausgeschlossen sein soll, zeigt sich allein dadurch, dass es gem § 143 Abs 1 Z 3 ASVG nicht zu einem (teilweisen) Ruhen des Krankengeldes käme, wenn der AG 49 % des Entgelts – bspw aufgrund einer arbeits- oder kollektivvertraglichen Regelung – weiterleisten müsste. Eine „Überversorgung“ in solchen Sachverhalten tritt einzig und allein im Arbeitsverhältnis ein und sind Ausdruck der – vom Gesetzgeber zugebilligten – Privatautonomie. Dies muss auch gelten, wenn die (Kollektiv-)Vertragsparteien ohne gesetzliche Verpflichtung aushandeln, dass auch beim Entgeltausfall im Krankenstand die Sonderzahlungen ungekürzt weitergeleistet werden sollen.

4..
Auswirkungen auf andere betroffene Geldleistungen

Die oben geschilderten rechtlichen Fragestellungen sowie die tatsächlichen Probleme in der Vollziehung betreffen nicht nur die Leistung des Krankengeldes aus dem Versicherungsfall der Krankheit gem § 138 ff ASVG, sondern auch viele andere Geldleistungen aus der KV, deren Bemessung sich meist nach den Bestimmungen hinsichtlich der Berechnung des Krankengeldes richtet.

So gebührt auch das Rehabilitationsgeld aus der KV gem § 143a Abs 2 ASVG im Ausmaß des Krankengeldes nach § 141 Abs 1 und 2 ASVG, das aus der letzten Erwerbstätigkeit gebührt hätte. Mittelbar sind somit § 125 Abs 3 ASVG iVm § 21 Abs 2 der Satzung der ÖGK für die Berechnung des Rehabilitationsgeldes anzuwenden.

Ebenfalls verweisen die Bestimmungen über die Höhe des Wiedereingliederungsgeldes während einer Wiedereingliederungsteilzeit (§ 143d Abs 3 ASVG) auf die Normen zur Berechnung des (erhöhten) Krankengeldes. Für den Bezug von Krankengeld bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar nach Ende der Wiedereingliederungsteilzeit oder weiterem Vorliegen des Versicherungsfalles der Arbeitsunfähigkeit gilt gem § 125 Abs 1a ASVG eine besondere Bemessungsgrundlage. Auch wenn der Gesetzeswortlaut von § 125 Abs 3 ASVG nur auf die Abs 1 sowie 2 der Bestimmung und nicht auf den (erst später in BGBl 2017/30BGBl 2017/30 erlassenen) Abs 1a verweist, so ist aus teleologischer Sicht eine analoge Anwendung des Sonderzahlungszuschlags auch in jenen Fällen geboten.

Für das Wochengeld gibt es in § 162 Abs 4 ASVG iVm § 45 der Satzung der ÖGK (bzw § 28 der Satzung der BVAEB) eigene Bestimmungen betreffend der Berücksichtigung der Sonderzahlungen bei der Berechnung der Leistungshöhe.

5..
Conclusio

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die fehlende Berücksichtigung des Sonderzahlungszuschlags in der Vollziehung der ÖGK neu ist. Die Vollziehung scheint sich in der jüngeren Vergangenheit geändert zu haben. Aufgrund der schwierigen Nachvollziehbarkeit und der mangelhaften Transparenz bezüglich der Berechnung der Tagsätze ist zu befürchten, dass dem Großteil der Betroffenen gar nicht bewusst ist, dass das Krankengeld (oder die entsprechende Geldleistung) um 17 % zu niedrig bemessen sein könnte. Durch die Unkenntnis wird daher auch die Rechtsdurchsetzung erschwert. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Leistungsanspruch gem § 102 Abs 1 ASVG zwei Jahre nach dessen Entstehen verfällt und daher ab diesem Zeitpunkt nicht mehr durchsetzbar ist – unabhängig von der Kenntnis der falschen Berechnung durch die Versicherten. 216

Fakt ist, dass bei diesem Thema zwei Aspekte eine große Rolle spielen: zum einem die aktuelle Vollziehung durch den Krankenversicherungsträger anhand oft fehlerhaft ausgefüllter Arbeits- und Entgeltbestätigungen in Kombination mit marginaler Information an AG und Versicherte, zum anderen die (neuerdings durch die ÖGK aufgeworfene) rechtliche Frage nach der Anwendbarkeit von § 125 Abs 3 ASVG in Konstellationen, in denen die Sonderzahlungen auch im Krankenstand in voller Höhe weitergeleistet werden.

Im Hinblick auf eine reibungslose Vollziehung wäre die ÖGK angehalten, die AG, welche die Arbeits- und Entgeltbestätigung auszufüllen haben, besser über die zu den Sonderzahlungen relevanten Angaben zu informieren bzw die Formulare klarer auszugestalten. Bei Unklarheiten kann der Krankenversicherungsträger vor Berechnung des Krankengeldes beim AG nachfragen, auf welcher Grundlage während der entgeltfreien Zeit des Krankenstandes die vollen Sonderzahlungen weitergeleistet werden. Durch ein besseres Vorgehen der ÖGK bzw mehr Sorgfalt durch die AG wäre die richtige Berechnung des Krankengeldes zumindest bei den auch für die ÖGK rechtlich unstrittigen Sachverhalten gewährleistet. Eine transparente und einheitliche Vollziehung würde den Versicherten außerdem die Möglichkeit eröffnen, das Fehlen des Zuschlags zu erkennen und die notwendigen Schritte zur Bestreitung des Rechtswegs zu setzen.

Nach der aktuellen Rechtslage ist aus den oben angeführten Gründen nicht ersichtlich, warum die Erhöhung um 17 % zur Abgeltung der Sonderzahlungen bei der Berechnung des Krankengeldes nicht berücksichtigt werden sollte, wenn die bzw der Betroffene grundsätzlich Anspruch auf Sonderzahlungen hat. Dies eben unabhängig von einer freiwilligen oder (kollektiv-)vertraglichen Weiterleistung der vollen Sonderzahlungen im Krankenstand durch den AG. Die neue Vollzugspraxis ist weder rechtlich noch verwaltungsökonomisch nachvollziehbar. Es bleibt zu hoffen, dass zur endgültigen Klärung der Rechtsfrage bald höchstgerichtliche Judikatur ergeht.