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Streitigkeiten über die Abführung der Betriebsratsumlage durch Arbeitgeber sind keiner Feststellungsklage des Betriebsrates nach § 54 Abs 1 ASGG zugänglich

MartinaChlestil

Am 19.5.2022 fand eine Gruppenversammlung des darstellenden künstlerischen Personals der bekl AG statt, in welcher von den anwesenden Personen die Einführung einer Betriebsratsumlage per 1.9.2022 beschlossen wurde. Die bekl AG hat für Künstler mit Gastverträgen, Künstler mit Residenzverträgen sowie Mitglieder des Leading-Teams keine Betriebsratsumlage einbehalten, weil es sich bei diesen Personen ihrer Ansicht nach um keine AN iSd ArbVG handelt.

Der kl BR begehrt mit seiner – ausdrücklich als Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG bezeichneten – Klage die Feststellung, dass die bekl AG für die nach dem 1.9.2022 liegenden Zeiten der Vorstellungen und Proben bei bestimmten (in der Klage näher bezeichneten) Produktionen die monatliche Betriebsratsumlage auch hinsichtlich der in der Klage näher bezeichneten Personen einzuheben und an den Betriebsratsfonds abzuführen haben. Die strittige Frage, ob diese der Umlagepflicht unterlägen, betreffe mehr als drei AN.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG seien nicht gegeben, weil es sich beim geltend gemachten Anspruch des Betriebsratsfonds auf Betriebsratsumlage nach § 73 ArbVG um keine Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 ASGG, sondern um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach § 50 Abs 2 ASGG handle. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts sei der BR auch nicht aktiv legitimiert, den betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch des – mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten und parteifähigen – Betriebsratsfonds geltend zu machen. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob der BR bei Klagen auf Einhebung und Abführung der Betriebsratsumlage auch aktiv klagslegitimiert sei, noch keine Rsp des OGH vorliegt.

Nach Ansicht des OGH ist die Revision zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt: Gem § 54 Abs 1 150Satz 1 ASGG können in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs sowie der jeweilige AG auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei AN ihres Betriebs oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden. Der BR ist ein „Organ der Arbeitnehmerschaft“ (vgl § 40 ArbVG). Der BR ist weder eine juristische Person noch ein sonstiges Personengebilde, dem eine eigene Rechtspersönlichkeit und damit Rechtsfähigkeit zukommt. Er vertritt immer nur die Belegschaft, welche eine der Gesamthand ähnliche Rechtsgemeinschaft darstellt. Das Gesetz hat dem BR in § 53 Abs 1 ASGG die Parteifähigkeit zuerkannt.

Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG sind die in Z 1 bis 9 leg cit aufgezählten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Begriff der Arbeitsrechtssachen gem § 50 Abs 1 ASGG ist nach der Rsp weit auszulegen. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 ASGG vorliegt, ist der in der Klagserzählung behauptete Anspruch, dessen Wahrheit und Richtigkeit für den Zweck der Zuständigkeitsprüfung vorerst zu unterstellen ist. Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung werden über die Generalklausel des § 50 Abs 2 ASGG als Arbeitsrechtssachen erfasst.

Der Revisionswerber behauptet das Vorliegen einer Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG. Die Frage, ob hinsichtlich eines AN eine Pflicht des AG zur Abführung der Betriebsratsumlage bestehe, stünde in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Arbeitsverhältnissen der in der Klage erwähnten AN, zumal davon auch deren Entgelt abhängig sei. Auch wenn die gegenständliche Klage das Betriebsverfassungsrecht berühre, berühre sie aber auch unmittelbar das Rechtsverhältnis zwischen der bekl AG und den von der Klage betroffenen AN, weil ihr die Frage zugrunde liege, ob hier aufrechte Arbeitsverhältnisse vorlägen. Im Rahmen seines Klagerechts nach § 54 Abs 1 ASGG könne auch der BR eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestands eines Arbeitsverhältnisses erheben.

Diese Argumente überzeugen laut OGH nicht. Nach Rsp und Lehre fallen Streitigkeiten zwischen dem Betriebsratsfonds und dem AG über die Abführung der Betriebsratsumlage als Streitigkeit aus der Betriebsverfassung in die sachliche Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte nach § 50 Abs 2 ASGG.

Auch eine weite Auslegung des § 50 Abs 1 Z 1 ASGG führt nicht dazu, dass die vorliegende betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach dem II. Teil des ArbVG (§§ 7374 ArbVG; § 50 Abs 2 ASGG) über die Verpflichtung der AG, eine Betriebsratsumlage einzuheben, als Streitigkeit zwischen der AG und bestimmten AN iZm dem Arbeitsverhältnis verstanden werden kann. Strittig ist hier nicht die Höhe des den (von der Klage betroffenen) AN zustehenden Entgelts, sondern die Frage der Verpflichtung der bekl AG, die von der Gruppenversammlung des darstellenden künstlerischen Personals beschlossene Betriebsratsumlage auch vom Entgelt der von der Klage betroffenen namentlich genannten Personen einzubehalten und an den Betriebsratsfonds abzuführen (vgl § 73 Abs 3 ArbVG). Arbeitsrechtliche Vorfragen, wie jene des aufrechten Bestehens eines Arbeitsverhältnisses (hier dieses Personals), machen die betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nicht auch zu einer arbeitsrechtlichen. Die gegenständliche Klagsführung des BR nach § 54 Abs 1 ASGG hat keinen arbeitsrechtlichen, sondern ausschließlich einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch zum Gegenstand.

Da die Klage des BR nach § 54 Abs 1 ASGG schon mangels Vorliegens einer Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 ASGG scheitern muss, war auf die – vom Berufungsgericht verneinte – Frage der aktiven Klagslegitimation des BR für den gegenständlichen Anspruch nicht mehr einzugehen.