62Kündigungsanfechtung – Keine wesentliche Interessenbeeinträchtigung trotz beträchtlicher Gehaltseinbuße bei verbleibendem hohen Gesamteinkommen
Kündigungsanfechtung – Keine wesentliche Interessenbeeinträchtigung trotz beträchtlicher Gehaltseinbuße bei verbleibendem hohen Gesamteinkommen
Der AN brachte als Marketing-Geschäftsführer eines Tourismusverbandes zuletzt € 8.509,- brutto, 14x jährlich, ins Verdienen. Er begehrte bei Gericht, die von der Bekl ausgesprochene Kündigung wegen Sozialwidrigkeit gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG für rechtsunwirksam zu erklären.
Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung aufgrund des hohen Einkommens des Kl.
Der OGH bestätigte die Berufungsentscheidung und wies die außerordentliche Revision des Kl mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück:
Bei der Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob wesentliche Interessen des gekündigten AN beeinträchtigt sind. Da jede Kündigung die Interessen des AN beeinträchtigt und mit sozialen Nachteilen 151 verbunden ist, müssen Umstände vorliegen, die eine Kündigung für den AN über das normale Maß hinaus nachteilig machen.
Gewisse Schwankungen der Einkommenslage muss jeder AN im Lauf seines Arbeitslebens hinnehmen. Dabei ist nicht nur die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes, sondern die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des AN zu berücksichtigen.
Der OGH hat in seiner jüngeren Rsp bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass bei den Einkommenseinbußen nicht auf starre Prozentsätze abgestellt werden darf (RS0051727; RS0051753). Es sind vielmehr alle wirtschaftlichen und sozialen Umstände zueinander in Beziehung zu setzen und nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu gewichten.
Eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung liegt insb dann vor, wenn der AN zur Deckung seiner wesentlichen Lebenshaltungskosten auf seinen Arbeitsplatz angewiesen ist, wobei aber „Luxusaufwendungen“ außer Betracht bleiben müssen. Ist das verbleibende Einkommen so hoch, dass der kündigungsbedingte Ausfall unter Berücksichtigung der Gesamtsituation keinen erheblichen Einfluss auf die Lebensführung hat, ist nicht von einer Interessenbeeinträchtigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG auszugehen. Bei hohen Einkommen kann es sein, dass selbst eine Einbuße von 40 % noch keine Sozialwidrigkeit begründet, wenn der AN weiterhin in der Lage ist, seine individuellen Lebensbedürfnisse zu befriedigen.
Für den Kl bestand im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses bei entsprechender Arbeitsplatzsuche die Prognose, längstens innerhalb von 8 Monaten ab dem Beendigungszeitpunkt ein seinen erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechendes Dienstverhältnis erlangen zu können, wenn auch mit einer Gehaltseinbuße von brutto bis zu 35 % (netto ca 30 %; Familieneinkommen ca 20 %). Unter Berücksichtigung seiner festgestellten sozialen und familiären Lage, der von ihm begonnenen unternehmerischen Tätigkeit und der familiären Unternehmensbeteiligungen kann die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass er aber auch mit einem solcherart reduzierten Gehalt weiterhin in der Lage sei, für sich und seine Familie den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, nicht als unvertretbar beurteilt werden.