Behinderung und Arbeitsrecht

SUSANNEAUER-MAYER (SALZBURG)
Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt stellt zu Recht eine zentrale Zielsetzung der nationalen und internationalen Behindertenpolitik dar. Folgerichtig hat Österreich nicht nur die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, sondern werden vor allem im BEinstG – zT in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben – zahlreiche Sondervorschriften mit dem Ziel der Förderung der beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen getroffen. Damit einher geht eine Vielzahl rechtlicher Fragestellungen. Der Beitrag* widmet sich nach einer kurzen Einführung zunächst der Konkretisierung des Begriffs „Behinderung“ sowie der Verpflichtung der AG zur Ergreifung „angemessener Vorkehrungen“ und geht in der Folge auf ausgewählte Fragen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Die durchaus umstrittene Frage, inwieweit die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen überhaupt den arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften unterliegt,* bleibt dabei außer Betracht.
  1. Einführung

  2. Behinderungsbegriff

    1. Grundsätzliches

    2. Krankheiten als (Mit-)Ursache einer Behinderung

    3. Unerheblichkeit der Ursache der Beeinträchtigung, aber Erforderlichkeit unmittelbarer Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit

  3. Angemessene Vorkehrungen

    1. Inhalt und Reichweite

    2. Rechtsfolgen

  4. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

    1. Grundsätzliches

    2. Besonderer Kündigungsschutz

    3. Beschränkungen des Entlassungsrechts?

    4. Verschweigen der Behinderteneigenschaft als Beendigungsgrund?

  5. Fazit

1.
Einführung

Traditionell sieht das BEinstG vor allem Regelungen zugunsten „Begünstigter Behinderter“, also Personen vor, deren Behinderungsgrad bescheidmäßig mit mindestens 50 % festgestellt wurde (vgl § 14 BEinstG), die aber dennoch über eine wirtschaftlich verwertbare Mindestleistungsfähigkeit* verfügen. Zu nennen ist hier neben dem noch gesondert zu erörternden besonderen Kündigungsschutz (vgl unten 4.) insb die Beschäftigungspflicht: AG sind gem § 1 BEinstG verpflichtet, je 25 AN eine/n „Begünstigte/n Behinderte/n“ einzustellen. Das Ausmaß der Arbeitszeit der „gesunden“ AN einerseits und der „Begünstigten Behinderten“ andererseits ist dabei – anders als in Deutschland* – unerheblich. Damit sind die am Stichtag beschäftigten AN unabhängig von der zeitlichen Inanspruchnahme ihrer Arbeitskraft bei Ermittlung der Pflichtzahl zu berücksichtigen, umgekehrt aber auch in Teilzeit oder nur geringfügig beschäftigte „Begünstigte Behinderte“ voll auf die Pflichtzahl anzurechnen.* Letzteres gilt nach kritikwürdiger Rsp selbst dann, wenn die betroffenen Menschen mit Behinderungen nur Leistungen aus der SV (also insb Kranken- oder Wochengeld) beziehen,* wohingegen bei Ermittlung der für die Pflichtzahl maßgeblichen nichtbehinderten AN Personen ohne Entgeltanspruch unberücksichtigt bleiben.* Kom-183men AG ihrer Beschäftigungspflicht nicht nach, so ist gem § 9 BEinstG eine Ausgleichstaxe zu bezahlen. Deren Höhe ist sowohl von der Zahl der nicht beschäftigten „Begünstigten Behinderten“ als auch von der Unternehmensgröße abhängig. Trotz annähernd gleicher Zahl der „Begünstigten Behinderten“ und der bestehenden Pflichtstellen waren in jüngerer Zeit rund 40 % der „Begünstigten Behinderten“ nicht erwerbstätig, während ebenfalls knapp 40 % der Pflichtstellen unbesetzt blieb. Nicht einmal ein Viertel der einstellungspflichten AG kam der Beschäftigungspflicht nach.* Die Höhe der Ausgleichstaxe erweist sich vor diesem Hintergrund – auch mit Blick auf die nach der UN-Behindertenrechtskonvention* gebotene Herstellung eines inklusiven Arbeitsmarktes – nach wie vor als zu gering,* um AG tatsächlich zur Erfüllung ihrer Einstellungspflicht anzuhalten.**

Mit 1.1.2006 trat zu den genannten Vorgaben freilich – in Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungs-Rahmen-RL (RL 2000/78/EG) – ein umfassendes Verbot der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt (vgl §§ 7a ff BEinstG) sowie eine Verpflichtung der AG zur Ergreifung „angemessener Vorkehrungen“ (vgl § 6 Abs 1a BEinstG; näher unten 3.) hinzu. Im Unterschied zum „traditionellen“ Behindertenrecht ist dabei weder ein bestimmter (Mindest-)Behinderungsgrad noch ein behördliches Feststellungsverfahren erforderlich.*

Verboten sind – wie bei anderen Diskriminierungsmerkmalen – sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen sowie Belästigungen einschließlich der Anweisung zu Diskriminierung und Belästigung (vgl §§ 7c, 7d BEinstG). Menschen ohne Behinderung unterliegen dem Diskriminierungsverbot grundsätzlich nicht. Anderes gilt aber, wenn eine Person wegen des Naheverhältnisses zu einer behinderten Person benachteiligt wird (vgl § 7b Abs 5 BEinstG).* Diskriminierungsschutz besteht nach überzeugender Ansicht des OGH überdies dann, wenn nur fälschlich eine Behinderung unterstellt wird.* Dafür spricht insb das Ziel der Diskriminierungsverbote, nachteilige Anknüpfungen an geschützte Merkmale hintanzuhalten.* Auch legt die Definition der unmittelbaren Diskriminierung eine Auslegung idS nahe, kommt es demnach doch (nur) darauf an, dass jemand „aufgrund einer Behinderung“ benachteiligt wird.

Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass in § 7c Abs 2 BEinstG ausdrücklich auch „Merkmale gestalteter Lebensbereiche“, die Menschen mit Behinderungen in besonderer Weise benachteiligen können, als mittelbar diskriminierend genannt werden. Damit wird auf den praktisch bedeutsamen Fall der Diskriminierung durch verschiedene Arten von Barrieren Bezug genommen. Betont sei nicht zuletzt, dass idR gerade die Anknüpfung an Leistungseinschränkungen oder krankheitsbedingte Abwesenheiten wegen der typischerweise besonderen Betroffenheit von Menschen mit Behinderungen als mögliche mittelbare Diskriminierung einem Rechtfertigungsbedarf unterliegt.*

Benachteiligung im Zusammenhang mit einer Behinderung sind freilich bei Fehlen einer „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Voraussetzung“ (§ 7c Abs 3 BEinstG) – somit insb bei Unfähigkeit zur Erfüllung wesentlicher Arbeitsplatzfunktionen* – zulässig. Mittelbare Diskriminierungen können ferner bekanntlich generell durch legitime Ziele sachlich gerechtfertigt werden, soweit die eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind. Dabei billigt der EuGH den Mitgliedstaaten sowohl bei Festlegung bestimmter sozial- und beschäftigungspolitischer Ziele als auch bei Wahl der zur Erreichung geeigneten Maßnahmen grundsätzlich einen weiten Wertungsspielraum zu.* Darüber hinaus muss bei Beurteilung einer Diskriminierung schon im Lichte der Grundrechte des/der AG (insb der Eigentumsgarantie) stets der Aspekt der Verhältnismäßigkeit von Belastungen beachtet werden. Folgerichtig liegt gem § 7c Abs 4 BEinstG explizit keine mittelbare Diskriminierung vor, wenn die Beseitigung der die Benachteiligung begründenden Bedingungen, insb jene von Barrieren, rechtswidrig oder für den/die Verpflichtete/n wegen unverhältnismäßiger Belastungen unzumutbar wäre. Nach Abs 5 bis 7 leg cit sind hier insb der mit der Beseitigung verbundene Aufwand, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des/der AG, Förderungen aus öffentlichen Mitteln sowie die zwischen In-Kraft-Treten des Diskriminierungsverbots und behaupteter Diskriminierung vergangene Zeit zu berücksichtigen und ist zu prüfen, inwieweit einschlägige Rechtsvorschriften zur Barrierefreiheit eingehalten wurden. Schlussendlich ist die Frage des Vorliegens einer Diskriminierung somit idR von einer Abwägung im Einzelfall abhängig.

Wird eine Diskriminierung glaubhaft gemacht, so bestehen – wiederum analog zu anderen Antidiskriminierungsvorschriften – Ansprüche auf184Schadenersatz bzw kann (untechnisch gesagt) die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands erwirkt werden, soweit es nicht um eine Einstellungs- oder Beförderungsdiskriminierung geht (vgl näher §§ 7e ff BEinstG). Anders als in anderen Diskriminierungsfällen besteht allerdings in allen Fällen vor Anrufung der Gerichte eine Verpflichtung zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens (§ 7k Abs 1 BEinstG).

2.
Behinderungsbegriff
2.1.
Grundsätzliches

Für die Geltung der genannten Schutzvorschriften ist naturgemäß zuallererst die Beantwortung der Frage essentiell, wann eine „Behinderung“ vorliegt. Das BEinstG unterscheidet nach dem Gesagten zwischen zwei Gruppen behinderter AN. Die „Behinderung“ wird jedoch in § 3 BEinstG einheitlich als „Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren“ definiert. Als nicht nur vorübergehend gilt dabei ein Zeitraum von „voraussichtlich mehr als sechs Monaten“.*

Diese Definition hat ursprünglich vor allem angesichts des zur Stellung als „Begünstigt Behinderte/r“ erforderlichen Feststellungsverfahrens und der diesbezüglichen Vorgaben der Einschätzungsverordnung* wenige Probleme bereitet. Mit Geltung des Diskriminierungsschutzes ist jedoch die Frage, wann eine für diesen maßgebliche „schlichte“ Behinderung vorliegt, stark in den Fokus der Diskussion gerückt.

2.2.
Krankheiten als (Mit-)Ursache einer Behinderung

Die RL 2000/78/EG selbst definiert den Begriff der Behinderung nicht. Da der EuGH zu Recht von einer autonomen Auslegung des Behinderungsbegriffs ausgeht,* spielt dessen Rsp für die Interpretation (auch) des Behinderungsbegriffs des § 3 BEinstG eine entscheidende Rolle. Der EuGH hat nun in seiner ersten einschlägigen Entscheidung vor allem insofern Verwirrung gestiftet, als er ua festhielt, der Gesetzgeber habe mit der Verwendung des Begriffs Behinderung bewusst ein Wort gewählt, das sich von jenem der Krankheit unterscheide. Eine Person, die ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden sei, sei daher nicht vom Schutz vor Diskriminierungen wegen einer Behinderung erfasst.* Dies konnte bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck erwecken, Krankheiten könnten von vornherein keinen Diskriminierungsschutz wegen „Behinderung“ nach sich ziehen. Bei genauerer Analyse erwies sich dieser Schluss jedoch als unzutreffend. Denn die Behinderung ist nicht in der medizinischen (Funktions-) Beeinträchtigung an sich, sondern in deren Auswirkung zu erblicken. Daher konnte aus den Aussagen des EuGH keineswegs geschlossen werden, dass auch die Auswirkungen längerfristiger Erkrankungen keine Behinderung darstellen können. Eben dies hat der EuGH inzwischen auch – mE wenig überraschend* – klargestellt. Dabei hat er die Behinderung beginnend mit der E in der Rs HK Danmark* im Eindruck der – neben Österreich auch seitens der EU ratifizierten – UN-Behindertenrechtskonvention zu Recht iSe stärkeren Bedachtnahme auf die soziale Komponente definiert. Er versteht darunter nunmehr eine Einschränkung „die insbesondere* auf langfristige physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die den Betreffenden in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben unter Gleichstellung mit den übrigen Arbeitnehmern hindern können“.*

Krankheiten stellen demnach zwar per se keine Behinderung dar, können aber eine solche zur Folge haben, wenn sie entsprechend langfristig und ihre Auswirkungen geeignet sind, die Teilhabe der Betroffenen zu erschweren. Hinsichtlich der geforderten Dauer hat der EuGH bisher trotz Betonung der gebotenen autonomen Auslegung* leider keine dezidierte Festlegung getroffen. Er hat aber deutlich gemacht, dass allein der Umstand, dass bestimmte Beeinträchtigungen grundsätzlich heilbar sind und daher nationalen Regelungen zur „vorübergehenden“ Arbeitsunfähigkeit unterliegen, eine Behinderung nicht von vornherein ausschließt.* Überdies hat er als Anhaltspunkte für die Langfristigkeit genannt, dass zum Zeitpunkt der angeblich diskriminierenden Handlung ein kurzfristiges Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht genau absehbar sei oder sich diese noch erheblich hinziehen könne.* In diesem Lichte ist der von § 3 BEinstG geforderte Zeitraum von mehr als voraus sichtlich sechs Monaten hier wohl keinesfalls zu lang. Bestenfalls geht das österreichische Recht somit zulässigerweise über das Unionsrecht hinaus.

Entgegen der offenbar nunmehrigen Ansicht des EuGH* ist die nach § 3 BEinstG geforderte Mindestdauer dabei mE grundsätzlich nicht ausgehend185vom Diskriminierungszeitpunkt zu beurteilen, sondern ist auf den Eintritt der Beeinträchtigung abzustellen.* Liegt also etwa zum Zeitpunkt einer Diskriminierung nachweislich bereits seit zehn Jahren eine Behinderung vor, so führt allein der Umstand, dass eine neue Behandlungsmethode nunmehr eine „Heilung“ in naher Zukunft erwarten lässt, nicht dazu, dass mangels Behinderung von vornherein keine Diskriminierungsklage möglich ist. Dafür spricht nach dem nationalen Recht schon, dass die bescheidmäßige Feststellung der „Begünstigten Behinderung“ völlig losgelöst vom Zeitpunkt einer konkreten Diskriminierung erfolgt. Stellte man (nur) hinsichtlich des diskriminierungsrechtlichen Behinderungsbegriffs auf den Diskriminierungszeitpunkt ab, könnte somit der Fall eintreten, dass eine Person zwar (noch) als „begünstigt behindert“ anzusehen, die (nur) „schlichte“ Behinderung aber zu verneinen wäre. Dieses Ergebnis überzeugt jedoch schon angesichts der innerstaatlichen Maßgeblichkeit desselben Behinderungsbegriffs systematisch nicht.* Hinzu kommt, dass die Zugrundelegung der Ansicht des EuGH die mit Blick auf den Schutzzweck des Diskriminierungsverbots kaum sachgerechte Folge hätte, dass das Vorliegen einer Behinderung uU trotz langfristiger gesundheitlicher Einschränkungen in der Vergangenheit und im Diskriminierungszeitpunkt (weiterhin) unstrittig vorliegender Beeinträchtigung allein vom (zufällig oder auch bewusst) früheren oder späteren Zeitpunkt der Diskriminierung abhinge.

2.3.
Unerheblichkeit der Ursache der Beeinträchtigung, aber Erforderlichkeit unmittelbarer Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit?

Bedeutsam ist ferner, dass – insoweit wiederum dem EuGH folgend – die Ursache der Behinderung (bzw präziser: der gesundheitlichen Beeinträchtigung) unerheblich ist.* Es ist daher auch nicht relevant, ob die betroffene Person diese selbst herbeigeführt oder zu deren (Fort-)Bestehen beigetragen hat.* Damit können zwar in die zur Beurteilung der „Langfristigkeit“ anzustellende Prognoseentscheidung grundsätzlich auch zu erwartende Behandlungsfortschritte einfließen.* Liegt tatsächlich eine Behinderung iSd § 3 BEinstG vor, ist die Verneinung einer solchen aber insb auch nicht mit der fehlenden Inanspruchnahme zumutbarer medizinischer Behandlungen in der Vergangenheit begründbar.* Das steht schon angesichts der völlig verschiedenen Zielsetzungen auch nicht im Widerspruch zur – als solche keineswegs unumstrittenen – Rsp zur „Allgemeinen Mitwirkungspflicht“ in der SV.*Im Übrigen geht die neuere sozialversicherungsrechtliche Rsp davon aus, dass die „Aktivierung“ der Mitwirkungspflicht idR ein ausdrückliches Verlangen des Versicherungsträgers voraussetzt und daher frühestens mit diesem Zeitpunkt entsteht.* Für das Vorliegen einer „schlichten“ Behinderung ist jedoch nach dem Gesagten kein vorheriges behördliches Feststellungsverfahren erforderlich. Selbst wenn man die sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze zu Unrecht auf die Frage der Behinderteneigenschaft übertragen wollte, käme folglich in Diskriminierungsverfahren mangels entsprechenden vorherigen Begehrens eine Berufung auf die Verletzung einer allfälligen Mitwirkungspflicht vielfach nicht in Betracht. Hervorgehoben sei nicht zuletzt, dass aus der Bejahung der Behinderteneigenschaft keineswegs folgt, dass auch allfällige Verpflichtungen der AG losgelöst von möglichen Eigenanstrengungen behinderter AN bestehen (vgl auch noch unten 3.2.).

Der EuGH hat jedenfalls überzeugend nicht nur auch die Auswirkungen psychischer Erkrankungen unter den Behinderungsbegriff subsumiert,* sondern etwa die Auffassung vertreten, dass Adipositas bei entsprechender Dauerhaftigkeit unabhängig vom Beitrag des/der Betroffenen zu deren Auftreten unter den Begriff „Behinderung“ zu subsumieren sein kann. Dies hat er insb für den Fall angenommen, dass der/die AN wegen der Adipositas aufgrund eingeschränkter Mobilität oder dem Auftreten von Krankheitsbildern, die ihn/sie an der Verrichtung der Arbeit hindern oder zu einer Beeinträchtigung der Ausübung seiner/ihrer beruflichen Tätigkeit führen, an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben gehindert wäre.* Dagegen hat er das Vorliegen einer Behinderung bezüglich einer Frau, die aufgrund des Fehlens der Gebärmutter nicht in der Lage war, auf konventionellem Weg ein Kind zu bekommen, mit der Begründung verneint, dass dies „für sich genommen“ die Ausübung der beruflichen Tätigkeit nicht beeinträchtige.*

Der EuGH scheint folglich stets nur dann eine „Behinderung“ anzunehmen, wenn aus der gesundheitlichen Beeinträchtigung selbst unmittelbare Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit resultieren, welche die berufliche Teilhabe konkret behindern.* Damit wird jedoch der sozialen Komponente der Behinderung zu wenig Rechnung getragen.* Insb186vor dem Hintergrund der im Zuge der Auslegung (auch) des Behinderungsbegriffs zu berücksichtigenden UN-Behindertenrechtskonvention* sind vielmehr – bei entsprechender Dauerhaftigkeit der „Grunderkrankung“ – iSe menschenrechtlichen Ansatzes auch sozial konstruierte Beeinträchtigungen der Teilhabe zu berücksichtigen.* IdS führen etwa bereits die ErläutRV* zur Schaffung des Diskriminierungsschutzes zutreffend aus, dass angesichts des bestehenden Stigmatisierungspotentials auch eine diagnostizierte, aber noch nicht virulente Multiple Sklerose oder eine HIV-Infektion ohne Merkmale von AIDS eine Behinderung iSd Gesetzes darstellen kann. Ebenso hat das deutsche BAG entschieden.* Auch Suchterkrankungen können nicht nur im Hinblick auf die damit unmittelbar einhergehenden Leistungseinschränkungen eine Behinderung darstellen, sondern letztere kann sich auch aus dem stigmatisierenden Charakter ergeben.*

Dieses gebotene soziale Verständnis ändert allerdings nichts daran, dass Grundvoraussetzung einer Behinderung eine längerfristige Gesundheitsbeeinträchtigung ist, die – auch aufgrund ihrer nachteiligen sozialen Auswirkungen – geeignet ist, die Teilhabe der Betroffenen zu beeinträchtigen. Hierbei ist mE eine „abstrakte“ Betrachtung anzustellen. Für das Vorliegen einer „Behinderung“ reicht es somit nicht, ist es aber umgekehrt auch nicht erforderlich, dass eine Person im konkreten beruflichen Kontext tatsächlich benachteiligt wird. Der Behinderungsbegriff ist idS – auch wegen der sonst erfolgenden Vermengung der Prüfung des Vorliegens einer Behinderung und einer Diskriminierung – trotz sozialer Betrachtung nicht relativ zu verstehen.* Auch bewirkt nicht jede langfristige gesundheitliche Beeinträchtigung zwingend eine Behinderung.

3.
Angemessene Vorkehrungen
3.1.
Inhalt und Reichweite

Der Behinderungsbegriff ist nach dem Gesagten jedenfalls sehr weit. Längerfristige Gesundheitsbeeinträchtigungen haben damit regelmäßig nicht nur die Geltung des Diskriminierungsschutzes ieS, sondern auch das Gebot der AG zur Ergreifung „angemessener Vorkehrungen“ (im Folgenden auch „Förderpflicht“) zur Folge. Letztere sind demnach verpflichtet, „die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Dienstgeber unverhältnismäßig belasten“ (vgl § 6 Abs 1a BEinstG; Art 5 RL 2000/78/EG). AG werden hier somit nicht nur zur Toleranz behinderungsbedingter Einschränkungen, sondern unmittelbar zur aktiven Ergreifung bestimmter Maßnahmen angehalten.* Sie haben folglich, entgegen Schrank/Tomandl,* insb auch nicht die Wahl, ob sie entsprechende Maßnahmen setzen oder schlicht bestehende Leistungseinschränkungen hinnehmen.

Ein zentrales Ziel der Förderpflicht ist unzweifelhaft die Herstellung möglichst weitgehender (baulicher) Barrierefreiheit. Wie der EuGH jedoch überzeugend klargestellt hat, ist der Begriff der „angemessenen Maßnahmen“ weit auszulegen und nicht abschließend geregelt.* Schlussendlich kommen somit grundsätzlich alle zur Verbesserung der beruflichen Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen geeigneten und zur bestmöglichen Integration erforderlichen Maßnahmen in Betracht. Die „angemessenen Vorkehrungen“ können folglich von der behindertengerechten Adaptierung von Arbeitsplätzen über die Bereitstellung geeigneter Hilfsmittel bis zur Änderung des konkreten Arbeitsablaufs oder der Zuweisung anderer Arbeiten gehen. Der EuGH hat etwa auch eine Arbeitszeitverkürzung als „angemessene Vorkehrung“ anerkannt.* Ebenso ist bspw an die Verfassung betrieblicher Dokumente in „leichter Sprache“ oder an Maßnahmen zu denken, die darauf gerichtet sind, das betriebliche Umfeld bestmöglich auf die Zusammenarbeit mit AN mit Behinderung vorzubereiten.

Voraussetzung ist freilich in allen Fällen, dass die in Betracht kommenden Maßnahmen „angemessen“ sind und folglich zu keiner unverhältnismäßigen Belastung der AG führen. Letzteres ist ex lege jedenfalls dann nicht der Fall, wenn Belastungen durch Förderungsmaßnahmen nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften ausreichend kompensiert werden können. Davon abgesehen ist eine umfassende Abwägung der wechselseitigen Interessen durchzuführen.* Damit spielen neben der Frage der Zulässigkeit und faktischen Möglichkeit bestimmter Maßnahmen zunächst insb das Ausmaß der damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Belastungen für den/die AG sowie die bestehenden Handlungsalternativen eine Rolle. Auch die Unternehmensgröße wird relevant sein. Soweit es um Maßnahmen zugunsten konkret beschäftigter AN geht, wird ferner die – bisherige, aber auch die noch zu erwartende – Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht außer Acht zu lassen sein. Darüber hinaus hat die „Dringlichkeit“ der Maßnahme und damit die Schwere der Teilhabebeeinträchtigung auf AN-Seite in die Beurteilung187mit einzufließen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die Behinderung durch zumutbare Eigenanstrengungen der Betroffenen ausgeglichen werden kann. Insb ist damit auch die Möglichkeit zur Verwendung von Heil- und Hilfsmitteln („mitigating measures“) relevant. Inwieweit AG aufgrund ihrer Förderpflicht wiederum die Kosten für eben diese (teilweise) zu tragen haben, wird – dem in der Literatur* etwa im Zusammenhang mit Bildschirmbrillen bereits lange vor Geltung des Diskriminierungsverbots unter Verweis auf die allgemeine Fürsorgepflicht Vertretenen entsprechend – insb vom Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs sowie der (vorwiegend) betrieblichen Bedingtheit des Hilfsmittels abhängen.*

Der OGH hat den Verpflichtungen der AG freilich insb insofern eine Grenze gesetzt, als er – seiner früheren, auf die allgemeine Fürsorgepflicht gestützten Rsp* folgend – eine Verpflichtung zur Zuweisung anderer Arbeiten jedenfalls nur im Rahmen des arbeitsvertraglich Geschuldeten für zumutbar hält.* Eine entsprechende Einschränkung ist jedoch aus § 6 Abs 1a BEinstG bzw Art 5 RL 2000/78 nicht abzuleiten. Auch wenn unstrittig keine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung arbeitsunfähiger AN besteht, bedeutet dies nicht zwingend, dass diesbezüglich (allein) auf den konkret vereinbarten Tätigkeitsbereich abzustellen ist. Der in der RL wiederholt verwendete Begriff „Arbeitsplatz“ muss ebenfalls nicht mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Vor allem aber überzeugt diese starre Einschränkung deshalb nicht, da AG durch die Zuweisung außervertraglicher Arbeiten keineswegs notwendigerweise stärker belastet sind.* Es kann ja etwa durchaus sein, dass ohnedies gerade AN zur Absolvierung bestimmter Tätigkeiten gesucht werden. Entgegen der Auffassung des OGH ist somit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass AN als zumutbare Maßnahme auch eine Änderung der vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht anzubieten ist.* Dass dieser Gedanke dem österreichischen Gesetzgeber losgelöst von den unionsrechtlichen Vorgaben keineswegs fremd ist, zeigt im Übrigen auch § 8 Abs 4 lit b BEinstG, der hinsichtlich der Kündigung „Begünstigter Behinderter“ wegen Dienstunfähigkeit ausdrücklich darauf abstellt, dass die betroffene Person dauerhaft unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten und nachweislich trotz Zustimmung auch an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann (vgl dazu auch noch unten 4.3.).*

3.2.
Rechtsfolgen

Insgesamt birgt schon die gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall naturgemäß Rechtsunsicherheit auf beiden Seiten. Umso bedeutender ist die Frage, welche Rechtsfolgen eine Verletzung der Förderpflicht nach sich zieht. Diese werden freilich weder in der RL noch im BEinstG dezidiert geregelt.

Schon im Hinblick auf das Ziel der genannten Normierung liegt zunächst nahe, dass AN hier grundsätzlich eine Klage auf Erfüllung offensteht. Auch ein Leistungsverweigerungsrecht (verbunden mit einem Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 1155 ABGB) wird in Betracht kommen, soweit die Ausübung der Beschäftigung ohne entsprechende Maßnahmen unzumutbar ist.* Die Frage des Bestehens eines Schadenersatzanspruchs hat der OGH zwar jüngst ausdrücklich offen gelassen;* er geht jedoch davon aus, dass der/die AG (bereits) bei schuldhafter Verletzung der allgemeinen Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB, § 18 AngG) sowie der besonderen „Rücksichtnahmepflicht“ gegenüber „Begünstigten Behinderten“ (§ 6 Abs 1 BEinstG) schadenersatzpflichtig wird.* Umso mehr ist Selbiges bezüglich der „Förderpflicht“ anzunehmen.

Darüber hinaus relativiert sich die Frage der spezifischen Rechtsfolgen einer Förderpflichtverletzung vor allem insofern beträchtlich, als bei Nichtsetzung angemessener Maßnahmen regelmäßig (auch) eine mittelbare Diskriminierung – insb durch „Merkmale gestalteter Lebensbereiche“ bei den sonstigen Arbeitsbedingungen (§ 7b Abs 1 Z 6 BEinstG)* – zu konstatieren sein wird. Damit kommen auch die diesbezüglichen Rechtsfolgen, somit wiederum Ansprüche auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands sowie auf Schadenersatz zum Tragen.

Spezifische Auswirkungen hat eine Verletzung der Förderpflicht nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Rechtfertigung einer Benachteiligung mit bestehenden Leistungseinschränkungen oder vermehrten Krankenständen.* Denn AG werden insb die Nichtbegründung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht mit dem Verweis auf die Unzumutbarkeit der (Weiter-)Beschäftigung wegen bestehender Einschränkungen bzw mit dem Fehlen einer „wesentlichen und entscheidenden beruflichen Voraussetzung“ begründen können, solange sie ihrer Förderpflicht nicht nachgekommen sind.* Eine Benachteiligung ist vielmehr nur dann als zulässig anzusehen, wenn trotz Ergreifung erforderlicher und zumutbarer Maßnahmen entsprechend starke Leistungseinschränkungen bestehen bleiben.*188

4.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
4.1.
Grundsätzliches

Mit der Beendigung ist bereits der letzte Themenkomplex dieses Beitrags angesprochen. Gerade diesbezüglich hat der Diskriminierungsschutz einschließlich der Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen erhebliche praktische Auswirkungen. Dabei sind die „neuen“ Vorgaben über Diskriminierungsverfahren ieS hinaus in unionsrechtskonformer Auslegung etwa auch bei Beurteilung der Rechtfertigung sozialwidriger Kündigungen (§ 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG) zu beachten.*

Die Reichweite der Antidiskriminierungsvorgaben ist damit sehr weit. Dennoch geht die Schutzintensität des besonderen Kündigungsschutzes schon wegen der idR gebotenen vorherigen Zustimmung des Behindertenausschusses (§ 8 Abs 2 BEinstG) – und damit der Vorabkontrolle auch einer vorliegenden Diskriminierung (vgl § 8 Abs 4a BEinstG) – nach wie vor deutlich über jene des Diskriminierungsschutzes hinaus.

4.2.
Besonderer Kündigungsschutz

Bei Kündigung „Begünstigter Behinderter“ ist damit der besondere Kündigungsschutz weiterhin von großer Bedeutung. Diesbezüglich ist zunächst hervorzuheben, dass zwar für den Fall, dass dem/der AG die „Begünstigte Behinderung“ zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bekannt war oder bekannt sein musste, die Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung zur Kündigung besteht (§ 8 Abs 2 Satz 4 BEinstG); auch diese ist aber an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes gebunden.* Die Unkenntnis der Begünstigtenstellung führt somit per se nicht zum Verlust des Kündigungsschutzes. Relevant ist dies vor allem insofern, als „die Begünstigungen“ gem § 14 Abs 2 BEinstG mit dem Tag des Einlangens des Antrags bzw bereits mit dem Ersten des Monates wirksam werden, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach Eintritt der (begünstigten) Behinderung gestellt wird. Die Feststellung der „Begünstigten Behinderung“ wirkt somit auf den Beginn des Tages (somit 0:00 Uhr)* des Einlangens des Antrags, uU sogar auf den Ersten des Monats der Antragstellung zurück. Der Kündigungsschutz kann folglich auch dann zur Anwendung kommen, wenn der maßgebliche Feststellungsbescheid erst nach Kündigungsausspruch erlassen wird. Dies gilt nach überzeugender Rsp gegebenenfalls selbst dann, wenn die Kündigungsfrist bei Erlassung des Feststellungsbescheides bereits abgelaufen ist oder der Antrag auf Feststellung der Begünstigung erst nach Zugang der Kündigung gestellt wird.*) Da der OGH bezüglich des „Ausspruchs“ der Kündigung (erst) auf deren Zugang abstellt,* besteht grundsätzlich sogar die Möglichkeit, die Begünstigung (erst) unmittelbar nach Zugang der Kündigung zu beantragen und so in den Genuss des Kündigungsschutzes zu kommen. Gegen eine Auslegung idS spricht jedoch nicht nur der Wortlaut, sondern sie scheint auch unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Kündigungsschutzes nicht indiziert.*

Seit 1.1.2011 besteht freilich eine bedeutsame Ausnahme vom besonderen Kündigungsschutz: Dieser findet gem § 8 Abs 6 lit b BEinstG – neben den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, in denen bereits früher nur bei Feststellung der Begünstigung infolge eines Arbeitsunfalls Kündigungsschutz bestand*) – keine Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden hat.* Diese Vierjahresfrist wiederum kommt allerdings dann (doch) nicht zum Tragen, wenn die „Feststellung“ der Begünstigteneigenschaft „innerhalb dieses Zeitraumes“ erfolgt.*

Grund für die Einführung der Vierjahresfrist (wie schon zuvor der Mindestbeschäftigungsdauer von drei bzw sechs Monaten)* war den Materialien zufolge, dass der besondere Kündigungsschutz sowohl von der AG- als auch von der Betroffenenseite zT als Grund für die Nichteinstellung von Menschen mit Behinderungen, somit als Einstellungshemmnis, angesehen wurde. Durch dessen Lockerung sollte daher ein stärkerer Anreiz geschaffen werden, „Begünstigte Behinderte“ einzustellen.* Für alle jene AN, deren „Begünstigte Behinderung“ erst nach Begründung des Arbeitsverhältnisses festgestellt wird, sollte sich offenkundig nichts ändern.* § 8 Abs 6 lit b BEinstG ist folglich mit dem OGH, auch vor dem Hintergrund des zwischen „Feststellung“ und „Wirksamwerden“ der Begünstigung differenzierenden § 14 Abs 2 BEinstG, dahingehend auszulegen, dass die Ausnahmeregelung – unabhängig von Antragstellung oder Wirksamwerden der Begünstigung – doch nicht zur Anwendung kommt, wenn die „Begünstigte Behinderung“ erst nach Begründung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festge-189stellt wird.* Dabei ist wiederum auch dann von der Geltung des Kündigungsschutzes auszugehen, wenn die rechtskräftige Feststellung erst nach Kündigungsausspruch erfolgt, aber auf den Zeitpunkt des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses zurückwirkt.*

Unabhängig davon ist die Prämisse der „einstellungshemmenden“ Wirkung (nur) einer bei Begründung des Arbeitsverhältnisses bereits festgestellten Begünstigung als Rechtfertigung für die zeitweise Nichtgeltung des Kündigungsschutzes zu hinterfragen:

Abgesehen davon, dass auch im Zuge der Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen verboten ist, wissen AG zum einen im Zuge der Einstellung keineswegs zwingend, ob jemand „begünstigt behindert“ ist oder nicht (vgl näher auch unten 4.4.).* Teleologisch betrachtet müsste die vierjährige Mindestbeschäftigungsdauer daher, Schindler* folgend, auch dann nicht zur Anwendung kommen, wenn AG die bestehende Begünstigung erst nach Begründung des Arbeitsverhältnisses bekannt wird. Gegen eine Auslegung idS spricht allerdings der dezidiert (nur) in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Feststellung der Begünstigung differenzierende Wortlaut des § 8 Abs 6 lit b BEinstG. Dem Gesetzgeber kann vor allem angesichts der erwähnten Regelung zur nachträglichen Zustimmung bei Kündigung in Unkenntnis der Begünstigteneigenschaft auch schwerlich unterstellt werden, dass ihm das Problem fehlender Information nicht bekannt war. Eine durch Analogie zu schließende planwidrige Lücke scheint daher ebenfalls kaum begründbar.*

Zum anderen kann sich angesichts der nunmehr geltenden Rechtslage wohl gerade auch die „Angst“ davor, dass ein/e erkennbar behinderte/r AN die Feststellung der Begünstigung erst kurz nach Begründung des Arbeitsverhältnisses beantragt (oder gar das Verfahren bereits läuft), einstellungshemmend auswirken.* Das wird zusätzlich dadurch verschärft, dass nach der neueren Rsp des VwGH ein „Verzicht“ auf die Begünstigtenstellung möglich ist.* Denn unter welchen Voraussetzungen Betroffene die Begünstigung in weiterer Folge wieder beantragen können, ist weitgehend offen. In der Literatur wird hier unter Verweis auf § 68 AVG eine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts und daran anknüpfend eine Änderung des Gesundheitszustands gefordert.* Da letzterer jedoch im Fall eines Verzichts keine Relevanz für die bescheidmäßige Aberkennungsentscheidung hat, ist fraglich, ob dieser tatsächlich der maßgebliche Faktor sein kann.* Unter Berücksichtigung des Zwecks des § 8 Abs 6 lit b BEinstG ist zwar davon auszugehen, dass die Vierjahresfrist jedenfalls auch dann gilt, wenn der/die Betroffene auf eine vor Begründung des Arbeitsverhältnisses bereits festgestellte Begünstigung (erst) nach der Einstellung verzichtet und diese unmittelbar danach erneut beantragt.* Was ist aber, wenn die Begünstigteneigenschaft bereits vor Begründung des Arbeitsverhältnisses zurückgelegt und erst danach wieder beantragt wurde? Insb verfängt hier auch der a priori naheliegende Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht. Denn angesichts der Legitimität des Interesses an Erlangung und Erhaltung einer Beschäftigung kann in einem Verzicht auf die Begünstigung in Zeiten der Arbeitslosigkeit und deren Wiederbeantragung nach Begründung eines Arbeitsverhältnisses kein rechtsmissbräuchliches Verhalten erblickt werden. Hieran ändert auch nichts, wenn der Verzicht (auch) mit Blick auf die spätere Anwendbarkeit des besonderen Kündigungsschutzes nach § 8 Abs 6 lit b BEinstG erklärt wurde. Im Gegenteil ist eine solche Vorgangsweise angesichts der geltenden Regelung nicht nur grundvernünftig, sondern wird gerade dem Schutzzweck des Kündigungsschutzes und der erklärten Intention der Neuregelung gerecht, nur die (unterstellte) einstellungshemmende Wirkung einer bereits bestehenden Begünstigung hintanzuhalten. IdS geht offenbar auch ein Erlass des Sozialministeriums von der Zulässigkeit einer Wiederbeantragung der Begünstigung aus, wobei bei unverändertem Behinderungsgrad nichts dagegen spreche, die ursprüngliche Einschätzung zugrunde zu legen.* Eine dezidierte gesetzliche Regelung der Rechtsfolgen eines Verzichts wäre ungeachtet dessen de lege ferenda sehr zu begrüßen. Losgelöst davon ist § 8 Abs 6 lit b BEinstG in der bestehenden Form rechtspolitisch missglückt.

4.3.
Beschränkungen des Entlassungsrechts?

Kommt der besondere Kündigungsschutz zur Anwendung, so hat der Behindertenausschuss im Zuge seiner Zustimmungsentscheidung abzuwägen, ob dem/der AN eher der Verlust des Arbeitsplatzes oder dem/der AG die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden kann. Ex lege ist letzteres insb dann grundsätzlich nicht der Fall, wenn der Tätigkeitsbereich der „begünstigt behinderten“ Person entfällt und sie nachweislich an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann (§ 8 Abs 4 lit a BEinstG); wenn diese190dauerhaft unfähig wird, die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten und wiederum kein zumutbarer Ersatzarbeitsplatz in Betracht kommt (§ 8 Abs 4 lit b BEinstG); oder wenn der Mensch mit Behinderung die ihm obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen (§ 8 Abs 4 lit c BEinstG).

Angesichts des Fehlens eines besonderen Entlassungsschutzes „Begünstigter Behinderter“ werfen vor allem die beiden zuletzt genannten Gründe die Frage auf, ob AG wahlweise anstelle der (zustimmungspflichtigen) Kündigung auch eine (zustimmungsfreie) Entlassung offen steht. Dagegen spricht insb, dass der Gesetzgeber durch die genannten Kündigungsgründe zu erkennen gibt, dass er AG die Einhaltung der Kündigungsfristen und des Zustimmungsverfahrens grundsätzlich zumutet. Der OGH* hat ein „Wahlrecht“ des/der AG zwischen Kündigung und Entlassung folglich mit der hL* überzeugend für den Regelfall verneint. Ein „Restentlassungsrecht“ bei (auch behinderungsbedingter) Dienstunfähigkeit hat er allerdings für den Fall angenommen, dass die gekündigte Person auch am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr arbeitsfähig ist. Diese Einschränkung überzeugt jedoch vor allem deshalb nicht, da es hinsichtlich der Zumutbarkeit aus Sicht des/der einzelnen AG nichts ändert, ob Betroffene nur bei ihm/ihr oder auch sonst nicht mehr arbeitsfähig sind.* Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Kündigungsschutzes kommt ein „Restentlassungsrecht“ aus den in § 8 Abs 4 BEinstG genannten Gründen mE allenfalls dann in Betracht, wenn kein Zusammenhang mit der Behinderung besteht.

Die Zulässigkeit einer – grundsätzlich mittelbar diskriminierenden – Entlassung wegen Dienstunfähigkeit erweist sich darüber hinaus auch in Bezug auf „schlicht“ Behinderte als keineswegs eindeutig. Der EuGH hat zwar eine Vorgabe, wonach Personen, die im vergangenen Jahr erhebliche Krankenstände aufwiesen, mit verkürzter Kündigungsfrist gekündigt werden konnten, dem Grunde nach als angemessenes Mittel angesehen, um das legitime Ziel der Förderung der Einstellung und Weiterbeschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu erreichen.* Auch den Kampf gegen Absentismus am Arbeitsplatz hat er als legitim anerkannt.* Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch eine fristlose Entlassung ein verhältnismäßiges Mittel darstellt. Insb hat der EuGH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Beurteilung der Erforderlichkeit bestimmter Maßnahmen auch die möglichen Nachteile für die Betroffenen und die spezifische Schutzbedürftigkeit von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen seien.* Darüber hinaus legt er hinsichtlich der Rechtfertigungsprüfung stets großes Augenmerk darauf, dass die nationale Regelung das mit ihr (vermeintlich) verfolgte Ziel konsequent verfolgt.*) Eben dies scheint jedoch mit Blick auf § 8 Abs 4 lit b BEinstG zweifelhaft. Denn auch wenn man die Interessen „Begünstigter Behinderter“ richtigerweise als vom Gesetzgeber besonders hoch bewertet ansieht, spricht der Umstand, dass der Gesetzgeber AG selbst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Personen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 % eine Einhaltung der Kündigungsfrist zumutet, dagegen, dass bei (bloß) „schlicht“ Behinderten eine fristlose Entlassung erforderlich ist.*

4.4.
Verschweigen der Behinderteneigenschaft als Beendigungsgrund?

Eine letzte Frage, die kurz angesprochen werden soll, ist schließlich jene, ob AG Menschen mit Behinderungen kündigen oder gar entlassen können, weil sie die Behinderten- bzw Begünstigteneigenschaft verschwiegen haben.* Dafür spricht auf den ersten Blick, dass der OGH wiederholt judiziert hat, dass eine „Verpflichtung“ zur Bekanntgabe der „Begünstigten Behinderung“ bestehe, da diese „infolge besonderer gesetzlicher Regelungen unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses“ habe.* In jüngeren Entscheidungen wurde jedoch überzeugend klargestellt, dass zwischen „echten“ Informationspflichten und „bloßen“ Obliegenheiten zu unterscheiden ist.* Sieht man sich die konkreten Fälle an, so zeigt sich dementsprechend, dass stets nur – mit dem Verlust eigener Vorteile sanktionierte – Obliegenheiten der Betroffenen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bejaht wurden:

So hat der OGH für den Fall der AG-Kündigung in Unkenntnis der Begünstigteneigenschaft bis zu einer entsprechenden Information durch den/die AN überzeugend mangels erklärter Leistungsbereitschaft einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 1155 ABGB verneint.* Auch ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung unter Berufung auf das „Wahlrecht“ – das im Übrigen als solches ebenso wie die analoge Heranziehung der Kündigungsfrist nach § 1158 Abs 3 ABGB, § 21 AngG zur Bemessung der Kündigungsentschädigung* zu hinterfragen ist* – besteht nach der Rsp nicht, solange sich191die betroffene Person nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen und der/die AG eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt hat.* Nicht zuletzt geht der OGH davon aus, dass der „Fortsetzungsanspruch“ bei Kündigung in Unkenntnis der Begünstigteneigenschaft aufgrund des Klarstellungsinteresses des/der AG nicht unbefristet geltend gemacht werden kann.* Nachteilige Konsequenzen aus einer Obliegenheitsverletzung sind ferner insb im Zusammenhang mit der Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen denkbar.*

Eine „echte“ Informationspflicht mit der möglichen Konsequenz einer gerechtfertigten Beendigung oder auch eines Schadenersatzanspruchs (vor allem wegen Verletzung vor- bzw nebenvertraglicher Aufklärungspflichten)* kann dagegen nur dann angenommen werden, wenn die Informationsinteressen des/der AG gegenüber den Geheimhaltungsinteressen des/der AN überwiegen. Auf AG-Seite besteht angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Folgen einer Behinderung grundsätzlich durchaus ein berechtigtes Informationsinteresse. Das Interesse an der Beschäftigung „gesunder“ AN bzw an der Vermeidung von Belastungen durch Schutzvorschriften als solches ist jedoch im Lichte des Diskriminierungsschutzes und des Zwecks der Sonderregelungen keinesfalls schutzwürdig. Dagegen handelt es sich bei Informationen über vorliegende Behinderungen um solche, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen und daher ohne besondere Gründe nicht offen gelegt werden müssen.*Darüber hinaus ist – wie der OGH zu Recht festgehalten hat – insb auch das Interesse an der Erlangung und Erhaltung des Arbeitsplatzes als schutzwürdig anzusehen.*

Schlussendlich wird eine Informationspflicht somit von vornherein nur dann in Frage kommen, wenn sich die Behinderung erheblich nachteilig auf die Arbeitsfähigkeit auswirkt (vgl insb § 7c Abs 3 BEinstG), die Information mit Blick auf die Arbeitssicherheit oder den Gesundheitsschutz – vor allem auch anderer AN – erforderlich ist,* oder AG diese zur Inanspruchnahme von Vorteilen bzw Vermeidung von (nicht in Schutzvorschriften an sich bestehenden) Nachteilen benötigen. Selbst in solchen Fällen ist aber hinsichtlich des Informationszeitpunkts zu differenzieren: Insb im Bewerbungsverfahren* ist das Geheimhaltungsinteresse des/der AN naturgemäß besonders hoch.* Auch kann einem allfälligen Informationsinteresse häufig noch durch eine Information nach Begründung des Arbeitsverhältnisses Genüge getan werden.

5.
Fazit

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass aus rechtlicher Sicht vor allem seit Geltung des Diskriminierungsschutzes ein doch sehr umfassendes Netz an Schutzvorschriften zugunsten von Personen besteht, die langfristig gesundheitlich beeinträchtigt sind. Unverhältnismäßigen und damit grundrechtlich problematischen Belastungen der AG wird dabei durch das stets gegebene Zumutbarkeitskorrektiv vorgebeugt. Nicht vergessen werden dürfen hier insb auch die zahlreichen bestehenden Förderungsmöglichkeiten.

Der sehr umfassende Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes birgt freilich auch das Risiko, dass traditionelle Schutzmechanismen in Frage gestellt werden. Dies ist vor allem deshalb gefährlich, da der Ausgang der für die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ und die Rechtfertigung einer Diskriminierung gebotenen Abwägungsentscheidungen im Einzelfall ungewiss ist. Es sollte daher grundsätzlich kein Zweifel daran bestehen, dass es sowohl die Beschäftigungspflicht als auch den besonderen Kündigungsschutz nach wie vor braucht. Die unglücklich konstruierte Ausnahmeregelung des § 8 Abs 6 lit b sollte dabei in der bestehenden Form wieder aufgehoben werden. Dem „Erprobungsbedürfnis“ der AG könnte – wie früher – durch grundsätzliche Nichtgeltung des Kündigungsschutzes in den ersten sechs Monaten Rechnung getragen werden. Einer allfälligen dennoch befürchteten einstellungshemmenden Wirkung des Kündigungsschutzes wäre wohl durch eine entsprechend spürbare Anhebung der Ausgleichstaxe und eine Verbesserung der Informations- und Vermittlungsangebote* wesentlich besser beizukommen als durch eine längerfristige „Aussetzung“ des besonderen Kündigungsschutzes.

Schlussendlich wird eine erfolgreiche Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt freilich nur dann gelingen, wenn es tatsächlich zu jenem Umdenken in der Erfassung des „Phänomens“ Behinderung kommt, wie es auf dem Papier schon lange proklamiert wird: Vor allem angesichts der bereits vor rund zehn Jahren ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention ist es höchst an der Zeit, dass in allen Gesellschaftsbereichen ein soziales, menschenrechtliches Verständnis der Behinderung an die Stelle einer defizit- und fürsorgeorientierten Betrachtung tritt. Damit gilt es, Menschen mit Behinderungen aktiv zu fördern, aber durchaus auch zu fordern. Ebenso sollte dieses „Fördern und Fordern“ jedoch für AG gelten. Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sollte daher – noch stärker als bisher – durch positive Anreize gefördert, ebenso aber aktives Bemühen zu deren Eingliederung gefordert und damit „Ausweichstrategien“ entschieden entgegengetreten werden.192