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Bemessungsgrundlage der Urlaubsersatzleistung

MONIKADRS (WIEN)
§ 10 UrlG; §§ 147, 187 Abs 2 L-DBR;
Art 7 RL 2003/88/EG; Art 31 GRC; Art 6 Abs 1 EUV
  1. Maßgebend für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub ist nach dem Unionsrecht das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das dem AN während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist.

  2. Eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung des § 187 L-DBR ist nicht möglich. Dies hat zur Folge, dass § 187 Abs 2 und 5 L-DBR, die die Bemessungsbasis der Urlaubsersatzleistung auf Gehalt und Kinderzuschuss einschränken, als richtlinienwidrig nach der Rsp des EuGH unangewendet zu bleiben haben.

  3. Der Bemessung der Urlaubsersatzleistung sind daher auch die der AN regelmäßig gewährten Entgeltbestandteile der anteiligen Sonderzahlungen, der (durchschnittlichen) Sonn- und Feiertagsvergütung sowie der Erschwernis- und Gefahrenvergütung zugrunde zu legen.

  4. Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts greift allerdings nur hinsichtlich des unionsrechtlich erforderlichen Mindesturlaubsanspruchs von vier Wochen.

[1] Die Kl war beim bekl Land vom 2.7.2012 bis 31.8.2020 beschäftigt [...]. Auf das Arbeitsverhältnis der Kl sind die Bestimmungen des L-DBR anzuwenden. Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt die Kl [...] 2.506,60 € brutto an Urlaubsersatzleistung bezahlt.

[2] Die Kl begehrt [...] die Zahlung von 570,17 € brutto sA an – weiterer – Urlaubsersatzleistung. [...]

[3] Die Bekl wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass der Anspruch der Kl zutreffend nach § 187 L-DBR errechnet und bezahlt worden sei. [...]

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unstrittig sei der Anspruch der Kl nach § 187 Abs 2 L-DBR zutreffend errechnet worden. [...] 181

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl teilweise Folge. Es sprach der Kl 330,37 € brutto sA zu und wies das Mehrbegehren von 239,80 € brutto sA ab. [...] § 187 L-DBR [...] entspreche [...] nicht mehr den unionsrechtlichen Vorgaben [...]. Entsprechend der Rsp des VwGH zu § 13e Abs 5 GehG habe daher die Einschränkung der Bemessungsbasis der Urlaubsersatzleistung auf Gehalt und Kinderzuschuss in § 187 Abs 2 und Abs 5 L-DBR als unionsrechtswidrig unangewendet zu bleiben. Hingegen könne § 187 Abs 1 L-DBR richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass in die Bemessungsgrundlage für den Anspruch der Kl auf Urlaubsersatzleistung neben dem Gehalt und dem Kinderzuschuss auch die Sonderzahlungen und die regelmäßigen Nebengebühren miteinzubeziehen seien, die bei Anspruch des Urlaubs fortzuzahlen seien. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass Art 7 Abs 2 RL 2003/88/EG dem AN einen Mindesturlaubsanspruch von nur vier Wochen gewähre. Da im nationalen Recht ein höherer Urlaubsanspruch gewährt werde und dies günstiger für die AN sei, liege insofern keine Durchführung der RL 2003/88/EG iSd Art 51 Abs 1 GRC vor. Der Kl gebühre daher die auf Basis des Ausfallsprinzips begehrte Urlaubsersatzleistung für vier Wochen [...] unter Abzug des konsumierten Urlaubs [...]. Auch der Ersatz für den Entfall des Behindertenurlaubs im Jahr 2017 sei nicht nach dem Ausfallsprinzip zu berechnen. [...] Die Revision sei zulässig, weil der Frage der unionsrechtskonformen Auslegung des § 187 L-DBR über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme. [...]

I. Zur Revision der Bekl:

1. „§ 187 Urlaubsersatzleistung (1) Dem/Der Vertragsbediensteten gebührt für das Kalenderjahr, in dem das Dienstverhältnis endet, zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses eine Ersatzleistung als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Kalenderjahr im Verhältnis zum gesamten Kalenderjahr entsprechenden Erholungsurlaub. Bereits verbrauchter Erholungsurlaub dieses Kalenderjahres ist auf das aliquote Urlaubsausmaß anzurechnen.(2) Bemessungsbasis der Ersatzleistung sind das Gehalt und der Kinderzuschuss, die für den Zeitraum des gesamten Erholungsurlaubes dieses Kalenderjahres gebühren würden. ...5) Für nicht verbrauchten Erholungsurlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren gebührt eine Ersatzleistung in der Höhe des Gehaltes und des Kinderzuschusses, die dem/der Vertragsbediensteten während des Erholungsurlaubes zugekommen wären, wenn er/sie diesen in dem Kalenderjahr verbraucht hätte, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. ...“ [...]„§ 147 Bezüge(1) Dem/Der Bediensteten gebühren Monatsbezüge. Der Monatsbezug besteht aus dem Gehalt sowie einer allfälligen Ergänzungszulage (§ 185).(2) Außer dem Monatsbezug gebührt dem/der Bediensteten für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von 50 % des Monatsbezuges, die ihm/ihr für den Monat der Auszahlung zustehen. ...(3) Dem/Der teilbeschäftigten Bediensteten gebührt der seiner/ihrer Arbeitszeit entsprechende Teil des Monatsbezuges. ...“

[10] 2. Diese Bestimmungen sehen einen engeren Entgeltbegriff für die Bemessung der Urlaubsersatzleistung vor als er im allgemeinen Arbeitsrecht zur Anwendung gelangt (8 ObA 45/19d; RS0037882 ua). Davon ist jedoch [...] das Berufungsgericht ohnehin ausgegangen.

[11] 3.1 Auch in der Revision hält die Bekl ihren Standpunkt aufrecht, dass weder die RL 2003/88/ EG noch Art 31 GRC unmittelbar anwendbar seien und der Einzelne durch sie nicht unmittelbar verpflichtet werden könne. Dem kommt keine Berechtigung zu:

[12] 3.2 Nach der Rsp des EuGH ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut von Art 7 Abs 1 RL 2003/88/ EG, dass jeder AN Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat (EuGHC-518/20, C-727/20, Fraport AG Frankfurt Airport Services Worldwide ua, ECLI:EU:C:2022:707, Rn 24). Dieser Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen, den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der RL 2003/88/EG selbst ausdrücklich gezogen werden (EuGHC-684/16, Max Planck Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, ECLI:EU:C:2018:874, Rn 19 mwH). Dieser Anspruch ist auch in Art 31 Abs 2 GRC, die nach Art 6 Abs 1 EUV den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge hat, ausdrücklich verankert, er darf nicht restriktiv ausgelegt werden (EuGHC-178/15, Sobczyszyn, ECLI:EU:C:2016:502, Rn 20, 21).

[13] 3.3 Mit Art 7 Abs 1 RL 2003/88/EG wird das in Art 31 Abs 2 GRC verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub widergespiegelt und konkretisiert. Während Art 31 Abs 2 GRC jedem AN das Recht auf bezahlten Jahresurlaub garantiert, setzt Art 7 Abs 1 RL 2003/88/EG diesen Grundsatz um, indem er die Dauer des Jahresurlaubs festlegt (EuGHC-518/20, C-727/20 Rn 26). Nach dem Wortlaut des Art 7 Abs 1 RL 2003/88/EG ist es zwar Sache der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen, aber sie dürfen dabei nicht bereits die Entstehung dieses sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen (EuGHC-514/20, Koch Personaldienstleistungen GmbH, ECLI:EU:C:2022:19, Rn 22). Der EuGH – und ihm folgend der OGH – haben auch bereits ausgesprochen, dass Art 31 Abs 2 GRC schon für sich allein den AN ein Recht verleiht, das sie in einem Rechtsstreit gegen ihren AG in einem vom Unionsrecht erfassten und daher in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalt als solches geltend machen können (EuGHC-569/16, C-570/16, Stadt Wuppertal ua; ECLI:EU:C:2018:871, Rn 85; 9 ObA 147/21i Rz 15 = EvBl 2022/92 [Pfalz]; 9 ObA 150/21f Rz 14 = ZAS 2022/36 [Brameshuber] = DRdA 2022/43 [Mathy]). Da mit § 187 L-DBR die RL 2003/88/EG in das innerstaatliche Recht umgesetzt wird (wer-182den soll), ist der Anwendungsbereich der Charta im vorliegenden Fall eröffnet (EuGHC-569/16, C-570/16, Rn 53).

[14] 4.1 Die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass Art 7 RL 2003/88/EG auf die im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesene Kl anwendbar ist, wird von der Bekl in der Revision nicht in Frage gestellt (EuGHC-337/10, Neidel, ECLI:EU:C:2012:263, Rn 20 ff).

[15] 4.2 Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass nach der Rsp des EuGH die finanzielle Vergütung, auf die ein AN Anspruch hat, der aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben, in der Weise zu berechnen ist, dass der AN so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des AN, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend (EuGHC-350/06, C-520/06, Schultz Hoff ua, ECLI:EU:C:2009:18, Rn 61).

[16] 4.3 Dem gegenüber schränkt [...] § 187 Abs 2 und 5 L-DBR iVm § 147 L-DBR den der Berechnung der Urlaubsersatzleistung der Kl zugrunde liegenden Entgeltbegriff auf den Gehalt (der Teil des Monatsbezugs ist) und den Kinderzuschuss ein. Eine in dieser Situation gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 187 L-DBR (vgl dazu jüngst ausführlich 9 ObA 11/22s Rz 42 ff mwH) ist nicht möglich. Die richtlinienkonforme Interpretation darf insb den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen (RS0114158). Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (RS0114158 [T7]). Wendet man den Methodenkatalog des nationalen Rechts zur Auslegung des § 187 L-DBR an (§§ 6, 7 ABGB), so lässt die Zusammenschau der Abs 2 und 5 mit Abs 1 dieser Bestimmung keine richtlinienkonforme Interpretation zu, weil die Berücksichtigung weiterer, nicht in § 187 Abs 2 und 5 L-DBR genannter Entgeltbestandteile bei der Bemessung der Urlaubsersatzleistung bereits am eindeutigen Wortlaut der Bestimmung scheitert.

[17] 5.1 Dies hat zur Folge, dass die hier relevanten Bestimmungen des § 187 Abs 2 und 5 L-DBR die die Bemessungsbasis der Urlaubsersatzleistung auf Gehalt und Kinderzuschuss einschränken als richtlinienwidrig nach der Rsp des EuGH unangewendet zu bleiben haben, weil das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes anzuwenden hat, gehalten ist, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen (RS0109951 [T3]; EuGHC-684/16 Rz 80).

[18] 5.2 Richtig ist, dass der Wortlaut von Art 7 RL 2003/88/EG keinen Hinweis bezüglich des Entgelts enthält, auf das der AN während seines Jahresurlaubs Anspruch hat. Nach der Rsp des EuGH unterliegt die Struktur des gewöhnlichen Entgelts eines AN zwar den innerstaatlichen Vorschriften. Dabei darf jedoch das Recht des AN nicht beeinträchtigt werden, während des ihm für Erholung und Entspannung zur Verfügung stehenden Zeitraums in den Genuss wirtschaftlicher Bedingungen zu kommen, die mit denen vergleichbar sind, die die Ausübung seiner Arbeit betreffen. Daher muss jede Unannehmlichkeit, die untrennbar mit der Erfüllung der dem AN nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben verbunden ist und durch einen in die Berechnung des Gesamtentgelts des AN eingehenden Geldbetrag abgegolten wird, zwingend Teil des Betrags sein, auf den der AN während seines Jahresurlaubs Anspruch hat. Dagegen müssen Bestandteile des Gesamtentgelts des AN, die ausschließlich gelegentlich anfallende Kosten oder Nebenkosten decken sollen, welche bei der Erfüllung der dem AN nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben entstehen, bei der Berechnung der für den Jahresurlaub zu entrichtenden Zahlung nicht berücksichtigt werden (EuGHC-155/10, Williams ua, ECLI:EU:C:2011:588, Rn 23-25).

[19] 5.3 Sache des nationalen Gerichts ist es, den inneren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bestandteilen des Gesamtentgelts des AN und der Erfüllung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu beurteilen. Diese Beurteilung muss auf der Basis eines Durchschnittswerts über einen hinreichend repräsentativen Referenzzeitraum und im Licht des von der Rsp des EuGH entwickelten Grundsatzes vorgenommen werden, wonach der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts in der RL 2003/88/EG als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt werden (EuGHC-155/10, Rn 26 mwH).

[20] 5.4 Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass unionsrechtlich nur ein Mindesturlaub von vier Wochen geschützt ist (vgl 9 ObA 147/21i; 9 ObA 150/21f) und sich die Kl darüber hinaus für ihren Anspruch nicht auf eine unionsrechtliche Grundlage stützen kann, wird von der Bekl nicht in Frage gestellt. Eine Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auf dieser unionsrechtlichen Grundlage für die Bemessung der Urlaubsersatzleistung auch die weiteren der Kl regelmäßig gewährten Entgeltbestandteile der anteiligen Sonderzahlungen, der (durchschnittlichen) Sonn- und Feiertagsvergütung sowie der Erschwernis- und Gefahrenvergütung entsprechend der Berechnung dieser Ansprüche durch die Kl gebührt, zeigt die Bekl nicht auf. [...]

[23] Der Revision der Bekl war [...] nicht Folge zu geben. [...]

II. Zur Revision der Kl:

[25] 1.1 Die Kl macht geltend, dass Rsp fehle, ob der gesamte Jahresurlaub oder nur vier Wochen unionsrechtlich geschützt seien. Die Mitgliedstaaten könnten einen höheren Urlaub vorsehen, innerstaatlich werde nicht zwischen einem unionsrechtlichen „Mindesturlaub“ und einem innerstaatlichen „Zusatzurlaub“ unterschieden, aller Urlaub diene dem Gesundheitsschutz.

[26] 1.2 Dem ist, wie bereits ausgeführt, entgegenzuhalten, dass der OGH in den Entscheidungen1839 ObA 147/21i und 9 ObA 150/21f ausgesprochen hat, dass der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts nur hinsichtlich des unionsrechtlich erforderlichen Mindestanspruchs greift, wenn die innerstaatliche Rechtslage darüber hinausgeht (zu § 10 Abs 2 UrlG: RS0109951 [T9]; RS0133122 [T3]; zust Pfalz in EvBl 2022/92, 724 [728]). [...]

[29] Die Revision war daher mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. [...]

ANMERKUNG

Der OGH hat sich in dieser Entscheidung im Wesentlichen darauf beschränkt, die Entscheidung des Berufungsgerichts zu bestätigen: Dies gilt in Bezug auf

  • die unmittelbare Anwendbarkeit der Arbeitszeit-RL (Art 7) und der GRC (Art 31) und

  • den Anspruch auf finanzielle Vergütung nicht verbrauchten Urlaubs bei Vertragsbeendigung im Ausmaß des gewöhnlichen Arbeitsentgelts des AN, das während des Urlaubs weiterzuzahlen ist.

Nur in einem Punkt kam der OGH mE zu Recht zu einem anderen Ergebnis, nämlich zur Frage, ob eine richtlinienkonforme Auslegung des § 187 L-DBR (Berechnung der Urlaubsersatzleistung) möglich ist.

1.
Anspruch auf Urlaubsersatzleistung

Zum Anspruch auf Urlaubsersatzleistung ist zu ergänzen, dass in der Arbeitszeit-RL selbst kein Anspruch auf eine finanzielle Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen ist. Art 7 Abs 2 sieht lediglich vor, dass der bezahlte Mindesturlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Der EuGH vertritt aber inzwischen in stRsp die Ansicht, dass der AN, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde und dem es deshalb nicht mehr möglich ist, den bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zu nehmen, nach Art 7 Abs 2 der Arbeitszeit-RL einen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung hat, um so zu verhindern, dass ihm wegen dieser fehlenden Möglichkeit jeder Genuss des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird (siehe dazu ua EuGH 29.11.2017, C-214/16, King, Rn 52; EuGH 20.7.2016, C-341/15, Maschek, Rn 26 ff mwN; EuGH 11.11.2015, C-219/14, Greenfield, Rn 51 ff; EuGH 12.6.2014, C-118/13, Bollacke, Rn 17; EuGH 15.3.2011, F-120/07, Strack/Europ Kommission, Rn 65; EuGH 20.1.2009, C-350/06, Schultz-Hoff und C-520/06, Stringer, Rn 56 ff; zur Leiharbeit siehe EuGH 12.5.2022, C-426/20, Luso Temp, Rn 35; weitere Nachweise siehe Drs in Kietaibl/Resch [Hrsg], Arbeitsrechtlicher Schutz aus unionsrechtlichen Vorgaben [2021] 133 f, insb FN 125; Drs, DRdA 2022, 390; Drs, JAS 2020, 235, insb FN 40). Im nationalen Recht spielt hingegen die Frage, ob dem AN der Urlaubsverbrauch möglich war, keine Rolle: Sowohl § 10 UrlG als auch § 187 L-DBR knüpft nur an das Faktum des Nichtverbrauchs an.

2.
Bemessungsgrundlage der Urlaubsersatzleistung

Die finanzielle Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nach Ansicht des EuGH in der Weise zu berechnen, dass der AN so gestellt wird, als hätte er den Urlaubsanspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des AN, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend (EuGH Rs Strack/Europ Kommission, Rn 65; EuGH Rs Schultz-Hoff und Stringer, Rn 61 f). Dh die Berechnung der finanziellen Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub ist nach denselben Modalitäten vorzunehmen. Während die Bestimmungen des UrlG dem entsprechen (vgl ua Drs, Urlaubsrecht11 [2019] § 6 Rz 8 – zum Ausfallsprinzip siehe Rz 10 ff und § 10 Rz 35 ff, insb Rz 44), sieht § 187 Abs 2 und 5 L-DBR nur eine Einbeziehung bestimmter Entgeltbestandteile vor, nämlich des Gehaltes und des Kinderzuschusses, nicht aber sonstiger gewährter Entgeltbestandteile wie zB anteilige Sonderzahlungen, durchschnittliche Sonn- und Feiertagsvergütung sowie Erschwernis- und Gefahrenvergütung. Damit widerspricht das L-DBR dem Unionsrecht.

3.
Unmittelbare Anwendbarkeit

Kann eine nationale Regelung (hier § 187 Abs 2 und 5 L-DBR) nicht im Einklang mit Art 7 der Arbeitszeit-RL und Art 31 Abs 2 der GRC (dh richtlinienkonform) ausgelegt werden, hat das befasste nationale Gericht nach Ansicht des EuGH diese nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen, dass der AN eine finanzielle Vergütung für den vom AN gemäß diesen Bestimmungen erworbenen und vor Vertragsbeendigung nicht mehr genommenen bezahlten Jahresurlaub erhält. Diese Verpflichtung ergibt sich seines Erachtens aus Art 7 der Arbeitszeit-RL und Art 31 Abs 2 der GRC, wenn es sich um einen staatlichen AG handelt, und aus Art 31 Abs 2 der GRC bei einem privaten AG (EuGH 6.11.2018, C-684/16, Max-Planck-Gesellschaft/Shimizu; EuGH 6.11.2018, C-569/16, Stadt Wuppertal/Bauer und C-570/16, Willmeroth/Broßonn).

4.
Richtlinienkonforme Auslegung oder Unanwendbarkeit nationalen Rechts

Das Berufungsgericht vertrat nun die Ansicht, dass zwar § 187 Abs 2 und 5 L-DBR als unionsrechtswidrig unangewendet zu bleiben habe, dass aber § 187 Abs 1 L-DBR richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden könne, dass in die Bemessungsgrundlage der Urlaubsersatzleistung neben dem Gehalt und dem Kinderzuschuss auch die beim Urlaubsanspruch fortzuzahlenden Sonderzahlungen und die regelmäßigen Nebengebühren miteinzubeziehen seien. Gleichzeitig vertrat das184 Berufungsgericht die Ansicht, dass Art 7 Abs 2 der Arbeitszeit-RL dem AN nur einen Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen gewähre, weshalb der kl AN die auf Basis des Ausfallsprinzips begehrte höhere Urlaubsersatzleistung nur für vier Wochen gebühre.

Nicht nur, dass die vom Berufungsgericht vorgenommene richtlinienkonforme Auslegung des § 187 Abs 1 L-DBR mE bedenklich ist; diese stößt nämlich an seine Grenzen, wenn dadurch der insoweit klare Wortlaut des Gesetzes und auch die gesetzgeberische Intention verletzt wird; durch die richtlinienkonforme Auslegung darf einer Norm kein anderer (neuer) Inhalt beigelegt werden (siehe ua P. Bydlinski, ÖJZ 2023, 5 f).

Die Argumentation des Berufungsgerichts ist darüber hinaus auch inkonsequent, da eine „mögliche“ richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts dazu führen würde, dass die Urlaubsersatzleistung auf Basis des nach nationalem Recht zustehenden Urlaubsanspruchs (dh fünf bzw sechs Wochen bzw die entsprechende Anzahl an Urlaubstagen bzw Stunden) berechnet werden müsste. Nur dann, wenn das nationale Recht wegen Unionsrechtswidrigkeit unangewendet zu bleiben hat, und sich der Anspruch daher direkt auf das Unionsrecht stützt, ist grundsätzlich (soweit keine anderen unionsrechtlichen Vorgaben Abweichendes vorgeben) der geringere unionsrechtliche vierwöchige Mindesturlaubsanspruch heranzuziehen (vgl dazu auch Auer-Mayer, DRdA 2023, 181 f mwN; Niksova, wbl 2022, 486; OGH9 ObA 150/21fDRdA 2022/43, 505 ff [zust Mathy] = ZAS 2022, 221 ff [zust Brameshuber]).

In diesem Sinn hat nun der OGH mE zu Recht entschieden, dass die Zusammenschau der Abs 2 und 5 mit Abs 1 keine richtlinienkonforme Auslegung des § 187 L-DBR (dh entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nur des Abs 2 und 5) zulässt. Zu Recht weist der OGH darauf hin, dass eine richtlinienkonforme Interpretation den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen darf. Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben. Der OGH hat daher zu Recht den höheren Ersatzanspruch nur auf Basis des unionsrechtlichen vierwöchigen Urlaubsanspruchs bejaht.

5.
Abschließende Bemerkungen

ISd Rechtssicherheit wäre es nun mE wünschenswert, wenn der Gesetzgeber aktiv wird und § 187 L-DBR entsprechend ändert. Dabei bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, ob er nur die Abs 2 und 5 (Bestimmungen zur Berechnung der Urlaubsersatzleistung) entsprechend ergänzt, womit dann die gesamte Urlaubsersatzleistung nach dem Ausfallsprinzip zu berechnen ist (dh dass in die Bemessungsgrundlage der Urlaubsersatzleistung neben dem Gehalt und dem Kinderzuschuss auch die beim Urlaubsanspruch fortzuzahlenden anteiligen Sonderzahlungen und die regelmäßigen Nebengebühren einzubeziehen sind). Der Gesetzgeber kann aber auch den für die Praxis sicherlich mühsameren Weg beschreiten und die nationale Regelung nur im unbedingt notwendigen Ausmaß novellieren (wie er das zB beim Anspruch auf Urlaubsersatzleistung bei vorzeitigem Austritt gem § 10 Abs 2 UrlG gemacht hat) und die für den AN günstigere Bemessungsgrundlage nur für den unionsrechtlichen Urlaubsanspruch von vier Wochen vorsehen.