Der Pensionsgipfel vom 29. Februar 2016

WOLFGANGPANHÖLZL
Eigentlich war der 29.2.2016 nur als ein Überprüfungszeitpunkt dafür gedacht, ob die Ziele des Regierungsprogrammes im Pensionsbereich erreicht werden können oder ob weitere Maßnahmen erforderlich sind. Dieser Monitoringtermin wurde schließlich durch die von der ÖVP im Vorfeld öffentlich kommunizierten Forderungen nach einer „großen“ Pensionsreform zu einem Pensionsgipfel. Finanzminister Schelling hat zur Vorbereitung des Gipfels eigens eine ExpertInnenkommission einberufen. Im Raum standen Forderungen wie das Frauenpensionsalter vorzeitig anzuheben, einen Pensionsautomatismus einzuführen oder die Aufwertung im Pensionskonto abzusenken, was zwangsläufig zu Pensionskürzungen geführt hätte. Letztlich kam man überein, am Plan, das faktische Pensionsalter anzuheben, festzuhalten, die noch offenen Punkte des Regierungsprogramms abzuarbeiten und auch einige Verbesserungen – mehrheitlich für Frauen – einzuführen. Abgesehen von den vereinbarten Maßnahmen wurde im Ergebnispapier festgehalten, dass darüber hinaus in dieser Legislaturperiode keine weiteren Maßnahmen mehr erforderlich sind. Das ist beim Dauerthema Pensionen ein sehr bemerkenswertes Ergebnis. Das Ergebnispapier des Pensionsgipfels wurde am 1.3.2016 im Ministerrat beschlossen und ist damit für die Bundesregierung verbindlich.
1.
Ergebnisse des Pensionsgipfels
1.1.
Nachhaltigkeit und Reform der Pensionskommission

Die Pensionskommission, die derzeit aus 35 stimmberechtigten Mitgliedern besteht, soll verkleinert und mit VertreterInnen der Sozialpartner, der GenerationenvertreterInnen und der Ministerien als stimmberechtigte Mitglieder besetzt werden. Die Wirtschaftsinstitute und ausländische ExpertInnen sowie auch die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und ein Vertreter des Versicherungsverbandes sollen den Beratungen beigezogen werden, jedoch kein Stimmrecht haben. Die Pensionskommission soll sich künftig sowohl mit der Entwicklung der gesetzlichen PV wie auch mit den Beamtenpensionen befassen. Sie erstattet Vorschläge an die Bundesregierung. Die Bundesregierung hat dem Nationalrat über die vorgeschlagenen Umsetzungsschritte zu berichten oder darzulegen, welche alternativen Maßnahmen sie setzen wird.

Es ist nicht gelungen, einen vertretbaren Referenzpfad (vertretbare Ausgabenentwicklung für den Bundesbeitrag) zu den Pensionen zu vereinbaren. So bleibt der langfristige Finanzierungsbeitrag des Bundes zu den Pensionen weiter umstritten und die bisherige Regelung (Anlage 12 und 13 im ASVG) weiter aufrecht. Hier sollte jedenfalls im Rahmen der konkreten Gesetzesverhandlungen versucht werden, einen neuen Referenzpfad iS einer Gesamtbetrachtung der gesetzlichen PV und der Beamtensysteme zu vereinbaren.

1.2.
Weiterarbeiten nach dem gesetzlichen Pensionsalter

Zur Alterspension ist derzeit ein unbeschränkter Zuverdienst möglich. Diese Rechtslage wird überwiegend von Selbstständigen, die ihren Betrieb weiterführen und parallel dazu die Alterspension beziehen, in Anspruch genommen. Nachdem die Pensionen aber einen Einkommensersatz darstellen und bei den Selbstständigen zu 50 % aus Steuermitteln (bei den Unselbständigen beträgt der Steueranteil im Vergleich ca 15 %) finanziert werden, erscheint die augenblickliche Regelung nicht fair. Im Vergleich zum Doppelbezug aus Pension und Erwerbstätigkeit rechnet sich der Aufschub der Pension über das Regelpensionsalter hinaus ökonomisch betrachtet für den Einzelnen nicht, trotz eines Pensionserhöhungseffekts von 10 % pro Jahr des Aufschubs (http://blog.arbeit-wirt-175schaft.at/pensionsbezug-und-zuverdienst/). Will man nun erreichen, dass vor allem Frauen ihren Pensionsantritt aufschieben, wenn sie weiterarbeiten, erscheint es sinnvoll, zum einen den Bonus zu verstärken und zum anderen, zumindest in der Bonusphase, den Doppelbezug aus Pension und Erwerbstätigkeit weniger attraktiv zu machen.

Konkret sieht das Modell vor, dass ein Zuverdienst bis rund € 900,- (Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende) frei bleibt. Zudem wird nur die Hälfte des Betrages, der über € 900,- liegt, angerechnet. Dabei kann die Pension bis maximal auf die Hälfte vermindert werden. Sollte also jemand € 1.200,- zu seiner Alterspension dazu verdienen – also € 300,- mehr als € 900,- – wird von diesem Betrag die Hälfte (rund € 150,-) auf die Pension angerechnet und die Pension um diesen Betrag vermindert. Die Anrechnung findet überdies nur in der Bonusphase (60 bis 63 bei Frauen und 65 bis 68 bei Männern) statt, danach ist ein unbeschränkter Zuverdienst möglich. Das Modell soll nur für künftige Pensionsantritte gelten.

Mit einer Freigrenze von rund € 900,- ist es weiterhin möglich, die Pension durch einen Zuverdienst aufzubessern. Das gilt vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen und einer kleinen Pension, die den Pensionsantritt mangels eines Arbeitsplatzes nicht aufschieben können.

Die VertreterInnen der Pensionistenverbände und die Medien haben sich äußerst negativ zum Anrechnungsmodell geäußert. Diese heftige Ablehnung in der Öffentlichkeit hat allerdings dazu geführt, dass sowohl der Bundeskanzler wie auch der Vizekanzler auf Distanz zu dem Modell gegangen sind. Bundesminister Stöger hat sich daraufhin bereit erklärt, über das Thema Ruhensbestimmungen noch weiter verhandeln zu wollen. Ziel ist es, einheitliche und faire Zuverdienstregeln für alle AN unter Einbeziehung der BeamtInnen zu schaffen.

1.3.
Verbesserungen bei der medizinischen und beruflichen Rehabilitation

Der Fokus soll stärker auf Festigung und Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit mit dem Ziel der Aufrechterhaltung von Arbeitsverhältnissen und der Reintegration in den Arbeitsmarkt liegen. Ein zentraler Aspekt ist es, Invalidität durch Frühintervention auf Ebene der Krankenversicherungsträger zu vermeiden.

1.3.1.
Early intervention/28 Tage-Modell

Die Versicherten sollten bereits nach 28 Tagen im Krankenstand zu einem klärenden Gespräch mit einem Casemanager, dem Kontrollarzt oder beiden bei der Gebietskrankenkasse eingeladen werden, um den weiteren Krankheits- und Heilverlauf zu besprechen und auf bestehende Präventions-, Frühinterventions- und Rehabilitationsmaßnahmen aufmerksam zu machen.

1.3.2.
Verbesserung bei psychischen Erkrankungen

Psychische Fälle sollten bereits vor dem Krankenstandseintritt besser und möglichst frühzeitig erfasst werden. Angeregt wird im Ergebnispapier, die Ausbildung von AllgemeinmedizinerInnen stärker auf psychische Indikationen zu konzentrieren und entsprechende Qualifikationsmaßnahmen anzubieten. Weiters wird angeregt zu überprüfen, ob das bestehende Qualitätsmanagement bei Dauerverschreibungen ausreichend ist.

1.3.3.
Bessere Kooperation der am Rehabilitationsprozess beteiligten Institutionen

Um einen möglichst hohen Erfolg der Rehabilitation zu gewährleisten, wird im Ergebnispapier empfohlen, die Kooperation zwischen den Trägern der KV, der PV und dem Arbeitsmarktservice (AMS) zu verstärken.

Die gegenseitige Verwaltungshilfe, betreffend die medizinische und berufliche Rehabilitation, ist so zu organisieren, dass die Beurteilung und Durchführung von Maßnahmen ohne vermeidbaren Zeitverlust möglich ist. Dazu sollen bundesweit einheitliche Leitlinien erstellt werden. Es sollen gemeinsame Fallbesprechungen zwischen KV, PV und AMS und wenn erforderlich den Sozialhilfestellen der Länder eingerichtet werden.

1.3.4.
Verbindung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation mit der Prämisse, dass der Fokus klar auf dem ersten Arbeitsmarkt liegen soll

Die derzeitige strikte Trennung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation entspricht nicht den Bedürfnissen der Praxis, eine gemeinsame Maßnahmendurchführung sollte zukünftig möglich sein.

Derzeit besteht nur die Möglichkeit, während des Rehabilitationsgeldbezuges einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt auszuüben, was jedoch sehr selten der Fall ist. Diese Erwerbstätigkeit fällt jedoch unter die strikten Anrechnungsregeln der Invaliditätspension, dh es ist unattraktiv zum Rehabilitationsgeld etwas dazuzuverdienen.

Um Langzeitarbeitslosigkeit von RehabilitationsgeldbezieherInnen zu verhindern und die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt zu erleichtern, sollten während des Rehabilitationsgeldbezuges Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (zB AMS-Kurse) und auch Beschäftigungen am zweiten Arbeitsmarkt unter ärztlicher Kontrolle ermöglicht176 werden. Hier gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Angesprochen sind Maßnahmen der Arbeitsintegration: Diese werden bislang nur Personen gewährt, die arbeitsfähig sind. In Zukunft sollen auch Arbeitsversuche als Teil der medizinischen Rehabilitation zulässig sein.

1.3.5.
Verbreiterung des Anspruches auf berufliche Rehabilitation

Versicherte ohne Berufsschutz haben keinen Anspruch auf berufliche Rehabilitations- und Qualifizierungsmaßnahmen. Ihnen soll ein verbesserter Zugang geboten werden. Entscheidend dabei ist, ob noch Potential für eine qualifizierte Tätigkeit beim Rehabilitanden vorhanden ist und realistische Chancen für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bzw für die Fortsetzung oder Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit eröffnet werden.

Weiters soll es sowohl der PVA und dem AMS ermöglicht werden, berufliche Rehabilitationen auch dann durchzuführen, wenn Invalidität droht (in Anlehnung an § 253e ASVG), nicht erst wenn sie eingetreten ist. Die Bestimmungen zum Berufsschutz im Rahmen der Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bleiben davon unberührt.

Es soll eine Studie in Auftrag gegeben werden, in der berufliche Rehabilitationsmöglichkeiten auf breiter Basis analysiert werden sollen; das gilt vor allem für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, insb vor dem Hintergrund eines fortgeschrittenen Alters, für regionale Jobchancen und sonstige für die Rehabilitation und Reintegration wesentliche Gründe.

Von zentraler Bedeutung dabei ist, dass sich Rehabilitationsberufe entsprechend der Nachfrage am Arbeitsmarkt orientieren (zB technische Berufe oder Berufe im Pflegebereich anstatt zahlloser technischer Zeichner oder Bürokaufmänner). Das bedeutet, dass die Rehabilitationsberufe nach Einschätzung des Arbeitsmarktexperten im Kompetenzzentrum von der Wirtschaft auch nachgefragt werden müssen. Die Mangelberufsliste ist entsprechend zu berücksichtigen.

1.3.6.
Erstellung von Rehabilitationsplänen

Für die medizinische, aber auch für die berufliche Rehabilitation sollte jeweils ein Rehabilitationsplan erstellt werden, der sicherstellt, dass für die durch das Case-Management und durch neue gesetzliche Bestimmungen zu erwartende Ausweitung der medizinischen und beruflichen Rehabilitation auch ohne unzumutbare Wartezeiten die Kapazitäten vorhanden sind. Für die medizinische Rehabilitation ist dies bereits beim aktuellen Rehabilitationsplan zu berücksichtigen.

Hierbei ist auch Bedacht darauf zu nehmen, dass neue Formen der Rehabilitation zu schaffen sind. Nach dem Vorbild der medizinisch-beruflich-orientierten Rehabilitation (MBOR) in Deutschland sind auch in Österreich entsprechende berufsorientierte Rehabilitationszentren zu schaffen, die eine Verbindung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation ermöglichen. Die Rehabilitanden sind unter medizinischer Anleitung auf ihren konkreten Arbeitsplatz hin zu rehabilitieren.

1.4.
Wiedereingliederung nach langem Krankenstand

Für Menschen, die in Beschäftigung stehen und ernsthaft für längere Zeit erkrankt sind, soll ein Modell entwickelt werden, das es ihnen ermöglicht, schrittweise in den Arbeitsprozess zurückzukehren. Unter Leitung des BMASK soll gemeinsam mit den Sozialpartnern bis längstens Juli 2016 ein Begutachtungsentwurf vorgelegt werden. Entsprechend der Punktation der Sozialpartner setzt die Wiedereingliederung einen mindestens sechswöchigen Krankenstand voraus. Niemand darf in ein solches Modell gedrängt werden. Es herrscht der Grundsatz der Freiwilligkeit. Grundlage der Wiedereingliederung ist eine Vereinbarung zwischen AG und AN über eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit für eine bestimmte Dauer. Der AG leistet das dem vereinbarten Arbeitszeitausmaß entsprechende anteilige Entgelt inklusive anteiliger Lohnnebenkosten. Die Entgelteinbuße auf Seiten der Beschäftigten soll mit einer Sozialleistung („Wiedereingliederungsgeld“ = anteiliges virtuelles Krankengeld) kompensiert werden. Das bedeutet, dass jemand, der seine Arbeitszeit um 50 % reduziert, 50 % Entgelt und 50 % des virtuellen Krankengeldes bekommt. Weiters soll ein Motivkündigungsschutz bestehen. Der Vorteil des Modells liegt darin, dass es keinen Sonderstatus zwischen „arbeitsunfähig“ und „arbeitsfähig“ gibt und es daher diesbezüglich auch keiner arbeitsrechtlichen Änderung bedarf, die zu bürokratischen Belastungen führen könnte.

1.5.
Harmonisierung der Pensionssysteme

Es wird bekräftigt, die Harmonisierung der Pensionssysteme voranzutreiben. Das betrifft zum einen die Harmonisierung der BundesbeamtInnen mit dem ASVG, zum anderen die Harmonisierung der Ländersysteme mit dem ASVG und nicht zuletzt die Harmonisierung des Beitragsrechtes innerhalb der gesetzlichen PV zwischen ASVG, GSVG und BSVG, weil die Selbstständigen nach wie vor deutlich weniger als 22,8 % als Beitrag leisten.

1.6.
Erweiterung der Möglichkeiten des freiwilligen Pensionssplittings

Derzeit besteht die Möglichkeit, dass der nichterziehende Elternteil während der ersten vier Jahre 50 % seiner Teilgutschrift auf das Pensionskonto177 des erziehenden Elternteils überträgt. Diese Möglichkeit des freiwilligen Pensionssplittings wird auf sieben Jahre pro Kind erweitert. Es können jedoch maximal 14 Jahre übertragen werden.

1.7.
Verbesserungen bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten

Schon derzeit ist für Frauen, die ab 1955 geboren sind, vorgesehen, dass für die Mindestwartezeit (von 15 Jahren) Kindererziehungszeiten, die ab dem Jahr 2005 erworben werden, als Beitragsmonate gelten, wenn mindestens sieben Arbeitsjahre vorliegen. Diese Mindestwartezeit für eine Alterspension wird nun auch auf Kindererziehungszeiten, die vor 2005 liegen, ausgedehnt. Damit wird eine geringe Anzahl von Frauen, die bisher keine Alterspension erhalten haben, einen Anspruch erwerben, wenn mindestens sieben Arbeitsjahre vorliegen und mindestens acht Jahre der Kindererziehung.

1.8.
Erhöhte Ausgleichszulage (AZ+) bei 30 Arbeitsjahren

Wenn 30 und mehr Jahre als echte Erwerbstätigkeit vorliegen, soll künftig ein erhöhter Ausgleichszulagenrichtsatz von € 1.000,- greifen. Dies gilt nur für den Einzelrichtsatz und nicht für den Familienrichtsatz. Immer wieder kommt es vor, dass vor allem Frauen aufgrund eines geringen Einkommens trotz jahrzehntelanger Vollzeitbeschäftigung auf die Mindestsicherung angewiesen sind. Das wird als demütigend empfunden. Die geplante Regelung ist ein Signal dafür, dass sich Erwerbstätigkeit lohnt.

Grundsätzlich gilt, dass die Ausgleichszulage nur Personen zu gewähren ist, die ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich haben und eine Pension beziehen. Derzeit gibt es 230.000 AusgleichszulagenbezieherInnen in Österreich (Stand: 2015), davon beziehen 1.252 Personen eine Pension aus dem EU-Ausland, wovon wiederum 500 deutsche StaatsbürgerInnen sind. Umgekehrt haben auch BezieherInnen von österreichischen Pensionen Anspruch auf Mindestsicherungsleistungen im Ausland. Allein 1.300 ÖsterreicherInnen beziehen eine solche in der Schweiz.

Bei der Umsetzung ist darauf zu achten, dass es nicht zu einer Exportverpflichtung für den erhöhten Teil der AZ+ kommt. Nachdem sich am Charakter der Ausgleichszulage nichts ändert, bleibt sie eine Sozialleistung und dürfte damit nicht zu exportieren sein.

2.
Umsetzung des Pensionsgipfels

Zur Umsetzung des Pensionsgipfels werden in den betroffenen Ministerien derzeit Vorschläge erarbeitet. Geplant ist, einen Gesamtbegutachtungsentwurf zu allen vereinbarten Punkten zu erstellen. Die Verhandlungen dazu sollen bis Herbst 2016 abgeschlossen sein.

3.
Zusammenfassung

Das Ergebnis des Pensionsgipfels besteht in weiteren Schritten in Richtung Erhöhung des faktischen Antrittsalters. Die von manchen geforderte oder erwartete große Pensionsreform ist nicht gekommen, weil weitere einschneidende Reformen nicht notwendig sind. Die nationalen (Mittelfristgutachten der Pensionskommission bis 2020, Pensionsmonitoring 2015) und internationalen (Ageing Report der EU-Kommission 2015) Gutachten stellen dem österreichischen Pensionssystem ein gutes Zeugnis aus.

Es fehlen aber Begleitmaßnahmen zu den in den letzten Jahren beschlossenen Reformen. Die Pensionszugänge wurden in den letzten Jahren massiv eingeschränkt: So ist bei AN die Zahl der Neuzugänge in die Invaliditätspension seit dem Jahr 2010 von 24.093 auf 12.919 im Jahr 2015 gesunken. Selbst unter Hinzurechnung der 5.000 RehabilitationsgeldbezieherInnen beträgt der Rückgang noch immer 25 %. Auch bei den vorzeitigen Alterspensionen gibt es bei AN einen massiven Einbruch, insgesamt ist die Zahl der Neuzugänge in eine vorzeitige Alterspension von jeweils rund 33.000 in den Jahren 2010 bis 2013 auf 19.394 im Jahr 2015 gesunken. Viele dieser Menschen, die nicht mehr in Pension gehen können, sind krank und arbeitslos. Andere sind länger in Beschäftigung, verschärfen aber dadurch die Arbeitsmarktlage bei den Jüngeren. Und genau an dieser entscheidenden Schnittstelle zwischen Arbeitsmarkt und PV setzt das Gipfelpapier an. Wir brauchen Maßnahmen, um kranke Menschen in Beschäftigung zu halten. Man darf nicht vergessen, dass 98 % der RehabilitationsgeldbezieherInnen kein aufrechtes Dienstverhältnis haben. Es ist sehr schwierig, Menschen, die seit vielen Jahren krank und arbeitslos sind und schließlich Rehabilitationsgeld erhalten, wieder in Beschäftigung zu bringen. Es soll daher alles getan werden, um den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zu verhindern und die Wiedereingliederung von medizinisch und beruflich rehabilitierten AN in den Arbeitsmarkt zu verbessern. Das ist ein mühsamer Weg, weil es der Veränderung von eingeübten Verhaltensweisen bedarf. Zum einem gilt es, die weit verbreitete Praxis der AG einzudämmen, das Krankheitsrisiko zu sozialisieren, indem AN im Krankenstand häufig gekündigt werden. Zum anderen sind auch die am Rehabilitationsprozess beteiligten Institutionen gehalten, ihre Verwaltungsabläufe auf das Prinzip Rehabilitation vor Pension umzustellen. Für eine medizinische und berufliche Rehabilitation im großen Stil, wie sie die178 Umsetzung des Prinzips Rehabilitation vor Pension erfordert, fehlt es an der entsprechenden Infrastruktur und den zu ihrer Errichtung notwendigen Mitteln. Bei der Umsetzung des „Gipfelpapiers“ geht es vor allem auch um Investitionen in sozialpolitisch sinnvolle und nachhaltige Maßnahmen für eine menschlichere Arbeitswelt. Sicher wäre die Umsetzung eines Pensionsautomatismus und Pensionskürzungen einfacher, das hat aber mit Sozialpolitik wenig zu tun.