22Kollektivvertrag für Metallgewerbe-Angestellte – Mischberechnung der Sonderzahlungen bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes
Kollektivvertrag für Metallgewerbe-Angestellte – Mischberechnung der Sonderzahlungen bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes
Bei allen Fällen der unterjährigen Veränderung des Beschäftigungsausmaßes ist eine Mischberechnung der Sonderzahlungen iS einer Aliquotierung in dem der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung entsprechenden Ausmaß durchzuführen, sofern der anzuwendende KollV diesbezüglich eine Regelungslücke aufweist.
Die Kl war bei der späteren Insolvenzschuldnerin vom 8.1. bis 30.4.2015 geringfügig mit fünf Stunden pro Woche und ab 1.5.2015 bis zu ihrem vorzeitigen Austritt gem § 25 IO am 5.6.2015 im Rahmen einer 33-Stunden-Woche angestellt. Sie beantragte bei der IEF-Service GmbH anteilige Sonderzahlungen für den Beschäftigungszeitraum auf Basis des Gehaltes für die 33-Stunden-Woche und verwies auf die Bestimmungen im anzuwendenden KollV für Angestellte im Metallgewerbe (siehe Erläuterung). Die bekl IEF-Service GmbH lehnte den Antrag der Kl mit der Begründung ab, dass angesichts der Änderung der Wochenstundenzahl eine Mischberechnung anzustellen sei.
Die Kl scheiterte mit ihrem Begehren in sämtlichen Instanzen. Der OGH ließ die Revision zwar zu, weil die Entscheidung von der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung abhängt, deren rechtliche Bedeutung sich auf einen großen Personenkreis von AN und AG erstreckt, erachtete sie aber nicht für berechtigt.
„Die kollektivvertragliche Bezugnahme auf das Entgelt eines konkreten Monats steht – entgegen den Revisionsausführungen – einer Aliquotierung nicht entgegen. Damit wird zwar festgelegt, in welcher Höhe die Sonderzahlungen zustehen, wenn es im Bezugszeitraum zu schwankenden Entgelthöhen gekommen ist, aber nicht ausgeschlossen, dass andere Umstände, insbesondere eine Änderung des Beschäftigungsausmaßes, Berücksichtigung finden können.
Die Aliquotierungsregeln für Lehrlinge und unterjährig beschäftigte Angestellte, vor allem aber die anteilige Rückverrechnung einer erhaltenen Sonderzahlung im Fall des Ausscheidens des Angestellten vor Ablauf des Kalenderjahres machen vielmehr deutlich, dass die Kollektivvertragsparteien durchaus nicht davon ausgegangen sind, dass die Sonderzahlungen (wie es dem Standpunkt der Klägerin entsprechen würde) auf jeden Fall in voller Höhe des Gehalts des Bezugsmonats zustehen müssen, sofern nur das Dienstverhältnis am Stichtag aufrecht war. […]23
Die am Regelungszusammenhang und -zweck orientierte Interpretation des KollV führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass er keine bestimmte Regelung für den Fall vorsieht, dass es innerhalb des Kalenderjahres im aufrechten Angestelltenverhältnis zu einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes gekommen ist und damit eine planwidrige Lücke vorliegt. […]
Die Aliquotierung der Sonderzahlungen bei Änderungen des Beschäftigungsausmaßes ist zur Herstellung eines gerechten Ausgleichs der sozialen und wirtschaftlichen Interessen geboten, weil damit die Höhe der Sonderzahlungen vom tatsächlich verdienten Entgelt abhängig gemacht wird und nicht von einer möglicherweise bloß zufälligen Bezugsgröße zum Fälligkeitszeitpunkt.
Diese Auslegung ist im Fall eines Wechsels von Teilzeit auf Vollzeit – oder, wie im Fall der Klägerin, einer Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes – auch nur scheinbar nachteilig, weil auch in diesem Fall das tatsächlich verdiente Entgelt maßgebliche Bezugsgröße ist und keine unsachliche Behandlung dieser Dienstnehmer zu erkennen ist.
Umgekehrt wäre aber das Unterbleiben der Aliquotierung in jenen Fällen, in denen es während des vorangegangenen Bezugszeitraums zu einer Herabsetzung der Arbeitszeit gekommen ist, für die Betroffenen benachteiligend, weil ihnen – anders als vor Jahresende ausgetretenen Mitarbeitern – ihre während der Vollzeitbeschäftigung anteilig erworbenen Sonderzahlungsanwartschaften wegen der Herabsetzung der Arbeitszeit nachträglich gekürzt würden. Es besteht keine sachliche Rechtfertigung für dieses Ergebnis, das dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitbeschäftigten in der Richtlinie über Teilzeitarbeit (RL 97/81/EG in der durch die RL 98/23/EG geänderten Fassung) auf unionsrechtlicher Ebene widersprechen würde.“
Grundsätzlich ist der Anspruch auf Sonderzahlungen, also auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, im KollV oder Arbeitsvertrag, nicht aber im Gesetz geregelt. Der Gesetzgeber hat aber für bestimmte, typische Fälle des Wechsels des Beschäftigungsausmaßes Regelungen über die Berechnung der Sonderzahlungen angeordnet, die eine Aliquotierung in dem der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung entsprechenden Ausmaß im Kalenderjahr vorsehen, zB im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Eltern- oder Bildungsteilzeit (§ 15j Abs 7 MSchG, § 8b Abs 7 VKG, § 11a Abs 4 AVRAG).
Der anzuwendende KollV für Angestellte des Metallgewerbes sieht vor, dass der Berechnung des 13. Monatsgehalts (Weihnachtsgeld) das im November gebührende Monatsgehalt und der Berechnung des 14. Monatsgehalts (Urlaubsgeld) das im Monat der Auszahlung gebührende Monatsgehalt zugrunde zu legen ist. Diese Regelung bezieht sich gemäß OGH jedoch nur auf schwankendes Entgelt im Bezugszeitraum der Sonderzahlungen bei gleich bleibender Arbeitszeit – es muss somit etwa nach einer kollektiv- oder einzelvertraglichen Gehaltserhöhung das erhöhte Monatsgehalt der Berechnung zugrunde gelegt werden –, nicht aber auf Änderungen in der Entgelthöhe aufgrund einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes. Der OGH geht daher vom Vorliegen einer planwidrigen Lücke aus, da der KollV diesbezüglich keine Regelung vorsieht. Diese Lücke ist in Form einer Mischberechnung der Sonderzahlungen entsprechend der im Bezugszeitraum (hier: Kalenderjahr) gegebenen Beschäftigungsausmaße zu schließen. Dieses Ergebnis entspricht den Regelungen in oben genannten Gesetzesstellen, die ebenso Mischberechnungen vorsehen, sowie der Meinung der überwiegenden Lehre.
Diese Vorgangsweise ist freilich nicht nur bei Beendigung des Dienstverhältnisses, sondern auch im aufrechten Arbeitsverhältnis bei Änderung der Arbeitszeit zu beachten: Sollte zB nach Erhalt des Urlaubsgeldes die Arbeitszeit gesenkt werden, wird der AG das Urlaubsgeld neu berechnen dürfen. Umgekehrt muss dies aber auch bei Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes im Laufe des Kalenderjahres gelten. Diese Neuberechnung der Sonderzahlungen ist wohl spätestens am Ende des Kalenderjahres, wenn das Beschäftigungsausmaß definitiv feststeht, durchzuführen.
Die gegenständliche E ist nicht nur im Bereich des Metallgewerbes (auch für Arbeiter) beachtlich, sondern hat Auswirkungen auf alle Branchen, in denen der KollV nicht regelt, wie bei Änderungen des Beschäftigungsausmaßes hinsichtlich der Berechnung der Sonderzahlungen vorzugehen ist. Als Beispiele zu erwähnen sind die Kollektivverträge Handwerk und Gewerbe (Angestellte), Hotel- und Gastgewerbe (Angestellte), Baugewerbe und Bauindustrie (Angestellte), Banken (Angestellte), IT (Angestellte), Güterbeförderung (Angestellte und Arbeiter), Bäcker (Angestellte und Arbeiter) und Metallindustrie (Arbeiter).24