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Irrtümlich zu hoch angewiesene Bezüge können bei unredlichem Verbrauch zurückgefordert werden

DAVIDKOXEDER

Die Bekl war vom 20.3.2006 bis 13.2.2017 beim Kl als Ordinationsgehilfin beschäftigt. Die Zahlung des monatlichen Entgelts erfolgte in der Form, dass der Kl seinen Beschäftigten monatlich einen Teilbetrag mittels Dauerauftrags und das restliche Gehalt ein bis zwei Tage später mit Erlagschein (Zahlungsanweisung) über den Automaten im Foyer der Bank überwies. Die Zahlungsanweisungen für die zweite Überweisung wurden üblicherweise von einer Mitarbeiterin, die ausschließlich 142für die Buchhaltung zuständig war, vorbereitet. Die vom Kl blanko unterschriebenen Zahlungsanweisungsbelege lagen in der Ordination des Kl auf, zumal nur er bei der Bank zeichnungsberechtigt war. Diese hatte er der Buchhalterin übergeben, damit auch sie in seiner Abwesenheit Überweisungen tätigen konnte. Er überprüfte die Zahlungsanweisungen und zahlte meist selbst bei der Bank ein, teilweise erledigte dies auch die Mitarbeiterin.

Im Zeitraum 19.3.2015 bis 29.4.2016 wurde der Bekl zusätzlich zu ihren Gehaltszahlungen ein Betrag von insgesamt € 11.425,- vom Konto des Kl überwiesen. In weiterer Folge stellte der Steuerberater des Kl die Doppelüberweisungen bzw zusätzlichen Überweisungen fest und machte den Kl auf diese Überweisungen auch aufmerksam.

Die Bekl schlug dem Kl daraufhin vor, die Hälfte des zu viel bezahlten Betrages rückzuerstatten, jedoch lehnte der Kl dies ab. Ein anders Mal unterbreitete die Bekl dem Kl ein Ratenzahlungsangebot, jedoch war der Kl mit der Höhe der Rate nicht einverstanden, weshalb es zu keiner Einigung kam.

Schließlich übergab der Kl der Bekl ein Schreiben mit dem Inhalt, dass er ihr einen Kredit in Höhe der zu viel überwiesenen Beträge gegeben habe, woraufhin die Bekl mit dem „Kreditvertrag“ die Arbeiterkammer aufsuchte, die ihr zu einem vorzeitigen Austritt riet. Die Bekl kam der Empfehlung nach und erklärte am 10.2.20217 schriftlich ihren Austritt. Das Gehalt für Februar 2017 behielt der Kl infolgedessen ein. Zudem brachte der Kl noch eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft ein und beantragte die Überprüfung des Sachverhalts auf seine strafrechtliche Relevanz. Die Bekl wurde im darauffolgenden Strafverfahren freigesprochen.

Mit der gegen die Bekl eingebrachten Klage begehrte der Kl die Zahlung der zu viel überwiesenen Beträge aufgrund rechtsgrundloser Zahlungen von seinem Konto. Die Bekl bestritt und wandte als Gegenforderung die beendigungsabhängigen Ansprüche sowie die Vertretungskosten im Strafverfahren ein.

Das Erstgericht gab der Klage statt und wies die Gegenforderung als unberechtigt ab. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Bekl Folge, wies das Klagebergehen zur Gänze ab und hielt in seiner Begründung fest, dass der Kl nicht bewiesen habe, dass die Bekl selbst in rechtswidriger Weise die Überweisungen auf ihr Konto vorgenommen habe. Nachdem nicht feststehe, wie es zu den Überweisungen gekommen sei, könnten die Zahlungen hinsichtlich § 1431 ABGB nicht dem Kl als Leistenden zugerechnet werden.

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts an den OGH gerichtete außerordentliche Revision des Kl wurde vom OGH als zulässig erkannt.

Der Kl brachte hierbei im Wesentlichen vor, Leistender iSd § 1431 ABGB gewesen zu sein, weil die Beträge von seinem Konto aufgrund der von ihm unterschriebenen Erlagscheine auf das Konto der Bekl rechtsgrundlos überwiesen wurden. Im Übrigen sei das Klagebegehren auch im Hinblick auf § 1041 ABGB berechtigt.

Dazu vertrat der OGH die Rechtsansicht, dass wer irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, das Geleistete gem § 1431 ABGB zurückfordern kann. Der Anspruch auf Leistungskondiktion setzt das Vorliegen einer rückgängig zu machenden, ungerechtfertigten Vermögensverschiebung voraus, wobei er grundsätzlich dem Leistenden gegen den Empfänger zusteht. Daraus folgt, dass wenn Bezüge irrtümlich angewiesen werden, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang zustehen, der AG sie zurückfordern kann. Umgekehrt ist im Fall des redlichen Verbrauchs durch den AN eine Rückforderung ausgeschlossen. Der gute Glaube wird hierbei nicht erst durch die auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen. Die Rsp verneint ihn schon dann, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, jedoch bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags zweifeln hätte müssen.

Der von der Bekl gegen die Rückforderung erhobene Einwand eines gutgläubigen Verbrauchs wurde nach Ansicht des OGH als nicht berechtigt angesehen, weil – wie bereits oben erwähnt – der gute Glaube schon dann verneint wird, wenn er – wie im gegenständlichen Fall – bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags auch nur zweifeln hätte müssen.

Aus all diesen Gründen vertrat der OGH die Meinung, dass das Erstgericht zutreffend von der Berechtigung der Klagsforderung ausging. Nachdem sich das Berufungsgericht nicht mit der von der Bekl in der Berufung erhobenen Mängel- und Beweisrüge zu ihren Gegenforderungen aus dem von ihr erklärten vorzeitigen Austritt auseinandergesetzt hat, war eine Sachentscheidung (noch) nicht möglich, weshalb das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war.143