Löwisch/Kaiser/Klumpp (Hrsg)BetrVG – Betriebsverfassungsgesetz, Band 2: §§ 74-132

7. Auflage, Verlag dfv Mediengruppe, Frankfurt am Main 2020, 1.101 Seiten, gebunden, € 149,-

HANNESSCHNELLER

Die Teile 1 bis 3 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes vom 18.1.1972 (BetrVG) regeln neben allgemeinen Zielbestimmungen und Begriffsbestimmungen vor allem die Organe der Betriebsverfassung; sie sind Gegenstand von Band 1 des vorliegenden Werks. Die hier in Band 2 gegenständlichen Teile 4 bis 8 des BetrVG beinhalten gewichtige Kernbestimmungen des materiellen Betriebsverfassungsrechts sowie Bestimmungen über die individuelle Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder. Dem kodifikationsverwöhnten österreichischen Leser fällt auf, dass aufgrund der Regelungs(quellen)zersplitterung in Deutschland (Mitbestimmungs- sowie Drittelbeteiligungsgesetz, Kündigungsschutzgesetz, Sozialgesetzbuch III, VII und IX etc) oftmals nur noch die „Fundamente“ der Mitwirkungsansprüche im BetrVG selbst vorzufinden sind.

Die KommentatorInnen der vorliegenden §§ 74-132 BetrVG sind an den Universitäten Freiburg, Mainz sowie Erlangen-Nürnberg tätig. Folgende Regelungsbereiche werden kommentiert:

  • Grundsätze der Zusammenarbeit AG-BR und Persönlichkeitsschutz der AN

  • Einigungsstelle und Betriebsvereinbarungen

  • Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot, Geheimhaltungspflichten

  • Allgemeine Aufgaben des BR, des Gesamt-BR und des Konzern-BR

  • Mitwirkungs- und Beschwerderecht des AN

  • Soziale Mitbestimmungsangelegenheiten

  • Arbeitsplatz- und Arbeitsablaufgestaltung

  • Personelle Angelegenheiten inklusive besonderer Bestandschutz für Betriebsratsmitglieder

  • Wirtschaftliche Mitbestimmung

  • Besonderheiten für einzelne Betriebsarten (Seeschifffahrt, Luftfahrt, Tendenzbetriebe)

  • Straf- und Bußgeldvorschriften sowie Übergangs- und Schlussbestimmungen (einschließlich „Berlin-Klausel“ und seit März 2020 geltendem „§ 129 Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie“).

Die von Daniel Holler besorgte Kommentierung des zuletzt erwähnten § 129 BetrVG wird mit der Prognose eingeleitet, dass aufgrund der Covid-19-Pandemie nun ein erster Schritt in die Virtualisierung der 202Betriebsratsarbeit gesetzt wurde, diese Entwicklung aber auch nach der gesetzlichen Auslauffrist (30.6.2021) als Modell und Diskussionsgrundlage für die künftige Digitalisierung der Betriebsratstätigkeit dienen werde. Der Kommentator hat betreffend Betriebsratssitzungen und Beschlussfassungen (nicht aber hinsichtlich Betriebsversammlungen) Recht behalten: Im Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom Mai 2021 wurde die virtuelle Sitzung zum Dauerrecht gemacht, mit der Einschränkung „sofern nicht ein Viertel der Organmitglieder dieser Sitzungsform widerspricht“. Aber, die Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung wurde mit dem BetriebsrätemodernisierungsG als derzeit jüngste substantielle Novelle des BetrVG ebenfalls geregelt.

Insgesamt ist zum vorliegenden Werk festzuhalten: Die Kommentierung dieser für die Wirtschafts- und Sozialverfassung Deutschlands so wesentlichen Rechtsnormen ist klar strukturiert und kommt ohne (dogmatische) Umschweife zur Sache. Für die etablierte Rsp werden meist nur ein oder zwei Leitentscheidungen samt knapper Quellenangabe zitiert; die Literaturangaben sind ebenso knapp gehalten. Vertiefende Erläuterungen sind eher in den umfangreichen Literaturangaben zu finden, die jedem Paragrafen hintangestellt sind. Für eine rasche Orientierung in zentralen Bestimmungen des von massiven Interessengegensätzen geprägten Gesetzes (Sozialplan, Nachteilsausgleich, Entfernung betriebsstörender AN, Friedenspflicht usw) ist dieser Praxiskommentar uneingeschränkt zu empfehlen.