Die Pensionsanpassung 2022 – eine Analyse

ALEXANDERPASZ

Im Vortrag an den Ministerrat vom 22.9.2021 hat sich die Bundesregierung auf eine Pensionsanpassung für das Jahr 2022 geeinigt. Das Pensionsanpassungsgesetz 2022 (PAG 2022) sieht, wie bereits bei den Anpassungen in den letzten Jahren, abermals eine sozial gestaffelte Pensionserhöhung vor. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen rechtlichen Spielraum der Gesetzgeber bei der Pensionsanpassung hat und welche Kosten damit verbunden sind.

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Das Pensionsanpassungsgesetz 2022 (PAG 2022) im Detail*

Das PAG 2022 sieht vor, dass Pensionen bis zum Betrag von € 1.000,- um 3 % erhöht werden. Pensionen zwischen € 1.000,- bis € 1.300,- werden einschleifend im Ausmaß von 3 % auf 1,8 % erhöht. Pensionen über € 1.300,- werden um 1,8 % erhöht. Die Ausgleichszulagenrichtsätze werden um 3 % erhöht.

Damit es bei einer gestaffelten Anpassung zu keiner sachlichen Ungleichbehandlung von Personen mit Mehrfachpensionen kommt, sieht das PAG 2022 bei Vornahme der Pensionsanpassung die Bildung eines Gesamtpensionseinkommens vor. Dabei ist eine Summe aller Pensionen aus des gesetzlichen PV* zu bilden, zuzüglich aller Leistungen, die vom Sonderpensionengesetz* erfasst sind, auf die ein Anspruch am 31.12.2021 bestand. Zu den Sonderpensionen zählen bspw Ruhegenüsse von Beamt:innen, Pensionsbezüge von ÖBB-Bediensteten oder Bezüge von Bediensteten der österreichischen Nationalbank. Nicht zum Gesamtpensionseinkommen zählen jedoch bspw ausländische Pensionsleistungen oder Pensionskassenleistungen.

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Wer ist von der Pensionsanpassung 2022 betroffen?

In Österreich beziehen rund 2,45 Mio Personen (2,15 Mio aus der gesetzlichen PV und 300.000 Beamte) rund 2,8 Mio Pensionen. Der Gesamtaufwand für diese 2,8 Mio Pensionen beträgt im Jahr 2021 rund 57 Mrd € (44 Mrd € für die gesetzliche PV und 13 Mrd € für die Beamtensysteme des Bundes, der Länder und Gemeinden).

340.000 Personen beziehen zwei oder mehr Pensionen. Die bei weitem überwiegende Kombination sind Eigenpensionen mit Witwenpensionen. 275.000 Bezieherinnen einer Witwenpension und rund 50.000 Bezieher einer Witwerpension beziehen auch eine Eigenpension.

Die außertourliche und höchste Pensionsanpassung von 3 % bei Pensionen unter € 1.000,- kommt Berechnungen der AK zufolge knapp mehr als 1 Mio Pensionen zugute.* Der weitaus geringere Teil davon bezieht jedoch eine Ausgleichszulage.* Insgesamt beziehen lediglich rund 200.000 Personen eine Ausgleichszulage in der gesetzlichen 66PV.* Dies lässt sich damit erklären, dass ein Großteil der Personengruppe mit Pensionen unter € 1.000,- ein zusätzliches Einkommen hat und somit für sie kein Versorgungsbedürfnis besteht. Beispielsweise sind von den genannten 1 Mio Niedrigpensionen 320.000 Pensionen mit zwischenstaatlichen Teilleistungen.

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Allgemeines zur Pensionsanpassung

Die Pensionsanpassung ist eine Maßnahme zur Kaufkrafterhaltung der Pensionen.* De facto verfolgte der Gesetzgeber in der Vergangenheit damit aber auch sozialpolitische Ziele. In den letzten Jahren nahm er regelmäßig – wie auch mit dem PAG 2022 – sozial gestaffelte Pensionsanpassungen vor und erhöhte niedrige Pensionen, in einem höheren prozentualen Ausmaß.

Die jährliche Pensionsanpassung ist in § 108h Abs 1 ASVG geregelt. Diese Bestimmung sieht vor, dass Pensionen jährlich mit dem Anpassungsfaktor zu erhöhen sind. Der Anpassungsfaktor wird gem § 108f ASVG jährlich neu vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf einen Richtwert festgesetzt. Der Richtwert bemisst sich an der Entwicklung der Verbraucherpreise mittels Verbraucherpreisindex (VPI). Es wird dabei die durchschnittliche Erhöhung der Verbraucherpreise der zwölf Kalendermonate bis zum Juli des Jahres, das dem Anpassungsjahr vorangeht, berücksichtigt. Dieser Mechanismus kommt jedoch nur zum Tragen, sofern der Gesetzgeber nicht selbst eine andere gesetzliche Regelung vorsieht. Durch einfachgesetzliche Eingriffe hat der Gesetzgeber seit 2004 – der Einführung der derzeitigen Pensionsanpassungssystematik mit dem Pensionsharmonisierungsgesetz* – regelmäßig mittels einer vom Dauerrecht abweichenden Regelung eingegriffen. Der Mechanismus des Dauerrechts kam seitdem lediglich drei Mal zur Anwendung.* Eingegriffen hat der Gesetzgeber dabei zumeist in Absicht eines sozialen Ausgleichs iSd Fürsorgeprinzips bzw andererseits auch aus budgetären Gründen.

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Finanzielle Auswirkungen

Anpassungen von Pensionsleistungen sind ein bedeutender Kostenfaktor. Der Gesetzgeber beziffert die Gesamtkosten des PAG 2022 alleine für das Jahr 2022 mit 1,1 Mrd €. Zum Vergleich, die gesamten Ausgaben für die Mindestsicherung bzw Sozialhilfe, die als letztes finanzielles Auffangnetz in Österreich dienen, betragen im Jahr 2020 959 Mio €.*

Die Ausgaben für die Pensionsanpassung 2022 teilen sich wie folgt auf: In der gesetzlichen PV ist mit Ausgaben in Höhe von 939 Mio € zu rechnen. Diese Ausgaben teilen sich weiters in 829,3 Mio € für die gesetzlich vorgesehene Anpassung in Höhe von 1,8 % (VPI) auf sowie in die Mehrkosten durch die außertourliche Erhöhung der niedrigen Pensionen, die mit 109,7 € zu Buche schlagen.

Die Erhöhung der Beamtenpensionen ergibt Mehrkosten in Höhe von 183 Mio €, aufgeteilt in 180,3 Mio € für die Anpassung mit 1,8 % (VPI) sowie 2,7 Mio € für die außertourliche Anpassung.* Letzterer Betrag zeigt offensichtlich die geringe Anzahl an Beamtenpensionen, die weniger als € 1.300,- – der Grenze, bis zu der außertourlich erhöht werden soll – betragen.

Die finanziellen Auswirkungen einer Pensionsanpassung bestehen jedoch nicht nur im Jahr der Anpassung selbst, da Pensionsanpassungen in den Folgejahren die angepassten Pensionen als Ausgangspunkt heranziehen. Somit werden die Kosten in die Anpassungen der Folgejahre mitgezogen. Dies gilt auch für außertourliche Anpassungen. Für die Ermittlung der gesamten Kosten der außertourlichen Pensionsanpassung des PAG 2022, kann folgende etwas vereinfachte Rechnung vorgenommen werden. Die durchschnittliche Bezugsdauer einer Alterspension bei Männern betrug im Jahr 2020 20,1 Jahre und bei Frauen 25,3 Jahre.* Die Bezugsdauer der Witwenpensionen betrug 19,3 Jahre und die der Witwerpensionen 10,8 Jahre.* Nachdem in der Personengruppe, die eine Pension unter € 1.300,- bezieht, mehr Frauen repräsentiert sind und zudem die Hinterbliebenenpensionen (einschließlich Waisenpensionen) zu berücksichtigen sind, wird in diesem Beispiel mit einer durchschnittlichen Bezugsdauer einer Pension in dieser Bezugsgruppe mit 20 Jahren gerechnet. Wenn nun in einem Jahr eine Maßnahme gesetzt wird, die im Durchschnitt 20 Jahre lang wirkt, jedes Jahr jedoch ein 1/20 der betroffenen Kohorte verstirbt (oder aus dem Bezug hinausfällt), verringert sich jedes Jahr auch die Auswirkung dieser Maßnahme um 1/20. Die Gesamtkosten der zusätzlichen, außertourlichen Pensionsanpassung können daher näherungsweise mit 10 multipliziert werden und können mit 1,1 Mrd € angegeben werden. Dementsprechend bauen sich langfristig gesehen enorme Kosten auf. 67

In den letzten vier Jahren (2018–2021) wurden Pensionen um durchschnittlich 0,43 % über der Inflation erhöht. Der Fiskalrat hat in seinem Nachhaltigkeitsbericht angegeben, dass auf Basis eines Szenarios, in dem Pensionen bis zum Jahr 2070 in diesem Ausmaß überangepasst werden, die Pensionsausgaben bis zum Ende des Projektionsszenarios auf 16,3 % des Bruttoinlandsprodukts ansteigen würden (statt 15,2 % im Falle von jährlichen Anpassungen mit dem VPI, wie sie im Dauerrecht vorgesehen sind).*

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Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Pensionsanpassung
5.1..
Hintergrund

Das österreichische Pensionsversicherungssystem basiert auf einem Umlageverfahren. Dies bedeutet, dass mit den derzeit eingehobenen Beiträgen auch die aktuellen Pensionsleistungen finanziert werden. Dementsprechend werden keine zukünftigen Ansprüche der Pensionsversicherten und Beitragszahler angespart. Das Umlageverfahren konstituiert den sogenannten Generationenvertrag.*

Geprägt wird das Pensionsversicherungsrecht einerseits durch das Versicherungsprinzip. Versicherte sichern sich durch Zahlung von Versicherungsprämien (in der SV durch Beitragszahlungen) vor bestimmten Risiken ab. In der PV sind das die Versicherungsfälle des Alters, der Invalidität bzw der Berufsunfähigkeit oder des Todes. Andererseits wird das österreichische Pensionsversicherungssystem stark durch das Äquivalenzprinzip geprägt. Äquivalent zur Höhe der eingezahlten Pensionsversicherungsbeiträge soll auch eine entsprechende Pensionshöhe resultieren, die im Verhältnis zum früheren Erwerbseinkommen steht und wertgesichert ist. Als Beispiel im Zusammenhang mit dem Äquivalenzprinzip kann die besondere Höherversicherung für erwerbstätige Pensionsbezieher:innen gem § 248c ASVG genannt werden. Diese sieht einen, nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechneten, besonderen Steigerungsbetrag bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit neben gleichzeitigem Pensionsbezug vor.*

Dem Äquivalenzprinzip entgegenstehend wirkt das sogenannte Fürsorgeprinzip in das österreichische Pensionsversicherungssystem ein, das historisch gesehen früher in einer Mindestrente gipfelte und sich heute in der Ausgleichszulage stark manifestiert.* Das Fürsorgeprinzip wurde von der Politik in der Vergangenheit auch als Solidaritätsgrundsatz bezeichnet.*

Verfassungsrechtlich ist im Zusammenhang mit der PV der Vertrauensschutz von zentraler Bedeutung. Dieser leitet sich aus dem Gleichheitssatz nach Art 7 B-VG ab.* Der Vertrauensschutz schützt das Vertrauen der Normunterworfenen in die Beständigkeit der Rechtslage. Dies gilt auch für sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften, die eine Person durch laufende Beitragszahlung in der PV erwirbt.* Dies bedeutet jedoch nicht, dass rechtspolitische Eingriffe des Gesetzgebers in das Pensionsversicherungsrecht gänzlich unmöglich sind und diese nicht zum Nachteil des Versicherten geändert werden können, denn verfassungsrechtlich genießt das Vertrauen auf einen unveränderten Fortbestand keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.* Eingriffe bedürfen jedoch einer sachlichen Rechtfertigung, müssen verhältnismäßig sein und dürfen nicht plötzlich geschehen.* Um Betroffenen Möglichkeit zu geben, sich auf eine neue Rechtslage einzustellen, kann der Gesetzgeber bspw auch Übergangsbestimmungen vorsehen.*

Im Hinblick auf Maßnahmen der Pensionsanpassung ist festzuhalten, dass durch regelmäßige einfachgesetzliche Eingriffe des Gesetzgebers offenkundig in den Vertrauensschutz eingegriffen wird. Versicherte vertrauten während ihrer Erwerbstätigkeit auf eine dauerhaft wertgesicherte Pension, entsprechend ihrer eingezahlten Beiträge. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Pensionist:innen bei Eingriffen in die Pensionsanpassung nachträglich nicht mehr auf geänderte Umstände einstellen können. Es fehlt der Gestaltungsspielraum, wenn bereits eine Pension bezogen wird. Eine einzelne Minderanpassung einer hohen Pension wird für sich genommen wohl kein schwerwiegender Eingriff sein, doch wiederkehrende Eingriffe können kumulativ eine spürbare Entwertung ergeben, da nachfolgende Pensionsanpassungen von minderangepassten Pensionen ausgehen. Die Frage, wo eine 68Grenze zu ziehen ist bzw liegt, wurde von der Rsp noch nicht behandelt.*

5.2..
Rechtlicher Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Der Handlungsspielraum einfachgesetzlicher Pensionsanpassungen war andererseits bereits Gegenstand höchstgerichtlicher Rsp. Nachfolgend wird auf zwei bedeutende eingegangen.

Die bedeutsamste war wohl die E des EuGH in der Rs Brachner.* Gegenstand des Urteils war die Pensionsanpassung 2008, die – wiederum abweichend vom Dauerrecht – eine sozial gestaffelte Pensionsanpassung vorsah. Das Besondere an dieser Anpassung war, dass Pensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz von damals € 746,- in der Höhe des Anpassungsfaktors um 1,7 % erhöht, Pension darüber (bis zum Betrag von € 2.161,-) jedoch prozentuell höher (von 2,89 % bis 1,7 %) angepasst wurden. Hohe Pensionen (über € 2.161,-) wurden mit einem Fixbetrag abgegolten, der unter dem Anpassungsfaktor lag. Die Ausgleichszulagenrichtsätze wurden außertourlich um 2,89 % erhöht.

Frau Brachner bezog eine geringe Pension in Höhe von € 368,16, die lediglich um 1,7 % hätte erhöht werden sollen. Sie fühlte sich durch diese Pensionsanpassung benachteiligt und wendete ein, das Gesetz verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, die verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsgarantie und auch gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie (EWG) RL 79/7, da Frauen im weitaus höheren Ausmaß von der Minderanpassung geringer Pensionen betroffen waren. Die Causa wurde dem VfGH vorgelegt, der jedoch die Aufhebungsanträge zum entsprechenden Gesetz mit der Argumentation abwies bzw zurückwies, er sehe in den gestellten Anträgen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.* Der OGH legte daraufhin mittels Beschluss dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens den Sachverhalt mit der Frage vor, ob der Ausschluss einer außertourlichen Erhöhung von geringen Pensionen nicht dem Verbot der Geschlechterdiskriminierung entgegensteht.* Hintergrund ist, dass Pensionsanpassungen in den Geltungsbereich der RL 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit fallen.

Der EuGH urteilte, dass der Ausschluss geringer Pensionen von der außerordentlichen Anpassung jedenfalls ein mittelbarer Eingriff in das Diskriminierungsverbot der RL 79/7/EWG sei, da der Anteil von Frauen in dieser Bezugsgruppe 2,3-mal so hoch sei wie bei Männern. 57 % der Frauenpensionen waren damals unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende. Andererseits waren nur 25 % der Männerpensionen unter diesem Richtsatz, wobei diese Prozentangaben zu hinterfragen sind.* In weiterer Folge prüfte er, ob Rechtfertigungsgründe vorliegen.

Als untaugliche sachliche Rechtfertigung qualifizierte er einerseits, dass Frauen früher in Pension gehen und damit geringere Beiträge eingezahlt haben. Nachdem die Pensionsanpassung als Ziel die Erhaltung der Kaufkraft verfolge, konnte dieses Argument nicht überzeugen, zumal die geringe Beitragsleistung bereits bei der Pensionshöhe berücksichtigt wird. Mit einer ähnlichen Argumentation verwarf er auch den Rechtfertigungsversuch, dass Frauen wegen ihrer höheren Lebenserwartung länger eine Pension beziehen. Die Pensionsanpassung verfolgt nicht das Ziel, ein versicherungsmathematisches Gleichgewicht zu wahren. Abschließend verwarf er auch die Rechtfertigung, die außertourliche Anhebung der Ausgleichszulagenrichtsätze gleiche die Minderanpassung aus: Die Pensionsanpassung und die Ausgleichszulage haben unterschiedliche Zielsetzungen.*

Interessant ist das Urteil des EuGH vor allem aus der Perspektive, dass der EuGH erstmals auf spezifische statistische Daten für die Bestimmung einer mittelbaren Diskriminierung zurückgriff und damit auch konkrete Parameter für eine Beurteilung anführte.*

Eine neuere, höchstgerichtliche E befasste sich mit dem umgekehrten Fall. Im Judikat zu OGH10 ObS 49/19g setzte sich der OGH mit einer behaupteten Diskriminierung von Männern bei der Pensionsanpassung 2018 auseinander.* Diese sah ebenfalls eine sozial gestaffelte Pensionsanpassung vor und erhöhte hohe Pensionen geringer bzw im streitgegenständlichen Fall (einer Gesamtpension über dem Betrag von € 4.980,-) gar nicht. Der OGH bejahte zwar, dass Angehörige des männlichen Geschlechts mit dieser Maßnahme benachteiligt werden, da diese Gruppe zu einem wesentlich höheren Prozentsatz Pensionen in diesem Ausmaß beziehen und mit der gesetzlichen Maßnahme keine Pensionsanpassung erhielten. Er sah aber eine Rechtfertigung darin, dass die gestaffelte Pensionsanpassung – vor dem Hintergrund des relativ weiten Entscheidungs69spielraums des Gesetzgebers – einem legitimen Ziel der Sozialpolitik, der Gleichstellung von Mann und Frau in Bezug auf das Pensionseinkommen, dient.*

Fraglich bei dieser E ist, warum der OGH die Causa dem EuGH nicht vorgelegt hat. Dies wäre vor dem Hintergrund interessant gewesen, ob das sozialpolitische Ziel der Verringerung des Gender Pay Gap als Rechtfertigung für eine gänzliche Nichtanpassung hoher Pensionen (von überwiegend männlichen Pensionsbeziehern) berechtigt ist bzw in einem angemessenen Verhältnis zueinander steht. Der EuGH stellte zudem bereits in der Vergangenheit fest, dass budgetäre Haushaltserwägungen keine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts sind.* Auch wurde in diesem Verfahren der Vertrauensschutz nicht thematisiert bzw wurde dahingehend kein Vorbringen erstattet.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen kann festgehalten werden, dass Minderanpassungen von geringen Pensionen, aufgrund des Diskriminierungsverbotes der RL 79/7/EWG, rechtlich auf fragiler Basis stehen würden, Nichtanapassungen von hohen Pensionen – zumindest einmalig – verfassungskonform zu sein scheinen.

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Resümee

Die Pensionsanpassung 2022 sieht wiederum eine sozial gestaffelte Anpassung vor und ist eine weitere Abweichung von der Regelung im Dauerrecht. Der Gesetzgeber hat sich auch mit dieser Maßnahme den sozialen Ausgleich auf die Fahnen geschrieben, da die vorgeschlagene, nach einem Gesamtpensionseinkommen abgestufte Pensionserhöhung eine soziale Komponente in sich tragen soll.

Zu hinterfragen ist, ob eine sozial gestaffelte Pensionsanpassung überhaupt für dieses Ziel geeignet ist. Nachdem in der Personengruppe, die von der erhöhten Anpassung profitieren soll, der überwiegende Teil über ein weiteres Einkommen verfügt und somit kein offensichtliches Versorgungsbedürfnis besteht, wäre es wohl zur Zielerreichung besser gewesen, alleinig die Ausgleichszulagenrichtsätze zu erhöhen. Die immensen Ausgaben, die für die außertourliche Anpassung aller Pensionen bis € 1.300,- aufgewendet werden, hätten besser in eine signifikante Erhöhung der Ausgleichszulagenrichtsätze, bspw für Alleinstehende in der Höhe der Armutsgefährdungsschwelle, die im Jahr 2020 bei € 1.138,- lag,* fließen sollen. Rechtlich wäre dies möglich.

Darüber hinaus erscheint es unverständlich, warum der Gesetzgeber bei der Bildung des Gesamtpensionseinkommens ausländische Pensionsleistungen nicht berücksichtigt, obwohl die Daten dafür verfügbar wären.* Selbiges gilt für Pensionskassenleistungen, die – wie der Name bereits sagt – wohl als Pensionsleistung angesehen werden sollten.

Sozial gestaffelte Pensionsanpassungen des Gesetzgebers widersprechen zudem dem in der PV bedeutsamen Äquivalenzprinzip. Es ist wohl eine Frage der Zeit, bis regelmäßig minderangepasste, hohe Pensionen schlussendlich gegen den aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Vertrauensschutz verstoßen. Die Politik sollte Wählerstimmenfang durch Eingriffe in das ausgeklügelte Pensionsversicherungssystem unterlassen, denn enorme Folgekosten von außerordentlichen Pensionsanpassungen für bestimmte Personengruppen stehen in keinem Verhältnis zu den verfolgten sozialpolitischen Zielen.