HaslingerEinführung in das Sozialrecht
Linde Verlag, Wien 2020, 126 Seiten, kartoniert, € 20,- (in LINDE-Digital ab € 105,-)
HaslingerEinführung in das Sozialrecht
Auf 126 Seiten (abzüglich Titelei und Stichwortverzeichnis sind es grade mal 105 Seiten) einen Überblick über das gesamte Sozialrecht zu geben, ist ein herausforderndes Unterfangen, dessen Gelingen vom gekonnten Weglassen abhängt. Ein solches Gelingen kann man dem vorliegenden Band leider nicht durchwegs bescheinigen.
Das „Einführungsbuch“ wendet sich ausweislich des Vorworts an Studierende, BerufsanwärterInnen und PraktikerInnen. Für PraktikerInnen sollten aber doch praxiswichtige Informationen nicht fehlen, wie zB, dass bei der Versicherungspflicht für neue Selbständige nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG durch Abgabe einer „Versicherungserklärung“ über das voraussichtliche Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze auch dann eine Pflichtversicherung eintritt, wenn diese Grenze dann nicht überschritten wird, also eine Art „opting in“ existiert. Es wäre auch wichtig zu wissen, dass es in Abhängigkeit von der Art des Scheidungsurteils Witwenpensionen für Geschiedene gibt, die nicht mit der Höhe des Unterhalts begrenzt sind (so aber S 72; vgl § 264 Abs 10 ASVG). Auch wird aaO die (gar nicht so schwierige) Berechnung der Hinterbliebenenpension in Abhängigkeit vom beiderseitigen Einkommen während der letzten beiden Jahre vor dem Tod der versicherten Person nicht ausreichend erklärt. Es stimmt auch nicht, dass in der UV Geldleistungen schon bei „vorsätzlich herbeigeführten Ereignissen“ nicht gebühren (S 43). § 88 Abs 1 ASVG sieht dies nur bei vorsätzlicher Selbstbeschädigung und bei einer Verurteilung aufgrund bestimmter, mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen vor.
Dem Abschnitt über das internationale Sozialrecht fehlt der Hinweis auf das Diskriminierungsverbot des Art 7 der VO 492/2011/EU vom 5.4.2011 (Freizügigkeit der AN; davor schon in der VO [EWG] 1612/68), insb bei der Gewährung sozialer und steuerlicher Vergünstigungen. Die mit anscheinend leichter Hand erfolgte Einordnung des Beamtenpensionsrechts als „Versorgung“ unter die Bundeskompetenz nach Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG ist – pardon – ebenso überflüssig wie grottenfalsch (so aber S 105), hier hätte ein Blick in Art 21 B-VG nicht geschadet.
Die Gleichwertigkeit der Gliederungsebenen der Darstellung innerhalb der SV mit jenen der anderen Rechtsgebiete (Arbeitslosenversicherung, Pflegegeld, Familienleistungen, internationales Sozialrecht und Sozialhilfe/Versorgung) führt schon im Inhaltsverzeichnis zu einiger Mühe des Zurechtfindens. Dies gilt auch für die etwas eigenwillige Systematik, bei der der Abschnitt über den allgemeinen Teil des Leistungsrechts (also der Inhalt der Bestimmungen rund um § 100 ASVG) als ers74tes abgehandelt wird und danach etwas überraschend das Organisationsrecht (Sozialversicherungsträger, Dachverband), das Verfahrensrecht und das Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen folgen. Erst dann kommt der besondere Teil des Leistungsrechts (KV, UV und PV).
Gelungen ist dem Autor an vielen Stellen die optische Darstellung mancher Bestimmungen in Form übersichtlicher Tabellen. Auch die Auswahl der Entscheidungen im Leistungsrecht ist durchaus akzeptabel. Dennoch: Das mit € 20,- wohlfeile Büchlein mag zwar für jemanden, der sich erstmals einen Überblick im Sozialrecht verschaffen will, volksbildnerisch wertvoll sein, für den juristischen Berufsgebrauch kann es aber – abgesehen davon, dass es auch im Layout und in der Systematik nicht überzeugt – durch seine Lücken und Ungenauigkeiten nicht guten Gewissens empfohlen werden. Auch glaube ich nicht, dass Sozialrechtsprüfungen an den Universitäten mit dieser Studienunterlage allein zu bewältigen sein werden: Man wird also auch weiterhin mit den gängigen Lehrbüchern deutlich besser bedient sein.